Wie entfesselt auftrumpfende SV Halstenbek-Rellingen deklassiert Regionalliga-Absteiger SC Victoria auswärts mit 5:2

Halstenbek. Sogar die eingefleischten Fans des SC Victoria unter den 300 Beobachtern erhoben sich aus ihren blauen Sitz-Schalen und applaudierten. Die Oberliga-Fußballer der SV Halstenbek-Rellingen boten ihren spektakulärsten Auftritt, seitdem sie 2011 ins Hamburger Oberhaus zurückgekehrten. Auf dem stolzen 5:2 (1:1)-Erfolg auswärts über den zuvor ungeschlagenen Regionalliga-Absteiger SC Victoria aber werden und wollen sie sich nicht ausruhen. „Man darf von uns noch einiges erwarten“, kündigte Kapitän Mladen Tunjic gleich nach dem Abpfiff an. Die Freunde des gepflegten Boden-Turnens sollen ebenfalls auf ihre Kosten kommen. „Das war noch nicht alles. Ich habe noch mehr im Repertoire“, sagt Niklas Siebert, der seinen tollen Treffer zum 4:2 mit einem doppelten Handstand-Überschlag, Haltungsnote eins, feierte.

Andreas Brehme kurvte von der linken Seite nach innen und zirkelte den Ball in die rechte Ecke. Gibt’s irgend jemand, der sich nicht an diesen Ausnahme-Treffer des deutschen Nationalspielers während der WM 1990 gegen die Niederlande erinnert? Siebert in der 76. Minute und Yannick Sottorf (5:2/90.) boten Torerfolge desselben Zuschnitts und derselben Qualität. Torwart-Coach Jürgens Stars sprang von seiner Bank auf und wollte es nicht glauben. „Sensationell“, rief der frühere HSV-Torwart, der in der Bundesliga nun auch einiges miterlebte. Thomas Bliemeister stapfte höchst erfreut vom Rasen. „Wenn man berücksichtigt, dass noch längst nicht alle Spieler topfit sind, dann war das natürlich eine sensationelle Leistung“, freute sich der sonst mit Superlativen sehr vorsichtige Chefcoach. Am Spielfeldrand reckten die Betreuer Rolf Schwarz und Klaus Gronwald die Arme in die Höhe. „Ich bin aus dem Telefonieren ja gar nicht herausgekommen“, staunte Gronwald, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Präsident Hans Jürgen Stammer – privat unterwegs – ständig von den Ereignissen auf dem Sportplatz Hoheluft in Kenntnis zu setzen.

Beinahe hätte es sich gelohnt, eine Standleitung einzurichten. Nach gegenseitigem Abtasten wurde es ab der 21. Minute, als Robert Hermanowicz einen Eckball von Ümit Karakaya zum 1:0 der Gäste einköpfte, turbulent. Babis Sidiropoulos nutzte eine Halstenbeker Unaufmerksamkeit zum Ausgleich (27.), doch dann mussten die Blau-Gelben von Glück sagen, dass Bliemeisters Elf nicht schon vor der Pause die Entscheidung herbeiführte. Siebert verfehlte mit seinem Heber ebenso das Tor (33.) wie Tunjic, der nach Sieberts Flachpass den Ball am Pfosten verstolperte (36.).

Interessant war es, zu sehen, dass sich die Halstenbeker Innenverteidiger gekonnt in den Spielaufbau einschalteten. Von Jan Rottstedt kam in der 33. Minute die zündende Idee, Marcel Schöttke hatte Tunjics Großchance mit seinem Außenrist-Pass zu Siebert eingeleitet. „Dabei hätte ich Jan beinahe gar nicht eingesetzt. Er hatte Magenprobleme“, wunderte sich Thomas Bliemeister über seinen „Vierer“, der nur in der 74. Minute bei einem Pass in die Tiefe und dem 2:3 von Marius Ebbers, der Keeper Adrian Matthäi umkurvte, nicht im Bilde war.

Tunjic musste sich nicht mehr über seine vergebenen Großchancen in der 36. Minute („Da sprang der Ball blöd auf einen Hügel im Rasen.“) und in der 51. Minute (zu unplatzierter Flugkopfball nach einer Flanke von Marlo Steinecke) ärgern. Eine Zentnerlast schien von ihm abzufallen, als ihm in der 59. Minute mit einem abgefälschten 18-Meter-Schuss das 2:1 der Halstenbeker glückte. Thomas Bliemeister brachte den Mut auf, mitten im Torjubel Stürmer Enrik Nrecaj gegen Stürmer Jan-Marc Schneider auszuwechseln. Das zahlte sich in der 73. Minute aus, als Debütant Schneider den Ball im Anschluss an einen überragenden Angriff mit Beteiligung von Siebert und Karakaya an den linken Pfosten schoss. Tunjic verwertete den abgeprallten Ball zum 3:1.

Fast jeder Vorstoß der Halstenbeker bedeutete anschließend höchste Torgefahr. Bevor Sottorf schließlich das Ergebnis abrundete, hätten auch der ebenfalls eingewechselte Arboleda Sanchez und Schneider (je 85.) das 5:2 erzielen können. Zu einem der bemerkenswertesten Resultate der jüngeren Vereinsgeschichte trug aber auch Keeper Matthäi bei, der einen Ebbers-Schuss (43.) ebenso wie einen Freistoß von Sergej Schulz (früher VfL Pinneberg/71.) zur Seite lenkte sowie bei einer Aktion von Marcus Rabenhorst blitzartig reagierte (87.). Hätten beide Teams ihre Chancen konsequenter genutzt, dann hätten die Halstenbeker mit sechs ausnahmslos überzeugenden Neuen in der Startelf, die im Gegensatz zum Einheitstempo des SC Victoria die Schlagzahl immer wieder im richtigen Moment erhöhten, ungefähr mit 11:5 gewonnen.