Abendblatt-Team trifft am Kickertisch auf die Französin Michèle Durand, Witwe von Traber-Legende Kurt Hörmann

Wedel. Pardon, kleiner Scherz am Rande: Madame hat einen Schuss wie ein Pferd. In Höchstgeschwindigkeit schlägt die Kugel im Abendblatt-Tor ein, die Fußball-Fans würden „Kracher“ dazu sagen. „Voilà“, ruft Michèle Durand, 63, und klatscht fröhlich ihren Bekannten Amesse Ghierry, 46, den sie zur Verstärkung mitgebracht hat, ab. Am Kickertisch in der Wedeler Highlight-Sportsbar trennen sich Deutschland und Frankreich unentschieden. „Dabei habe ich Baby-Foot, so nennen die Franzosen das Spiel, seit meiner Kindheit nicht ausgeübt“, wundert sich die zierliche Frau über ihre Schussgewalt.

Eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit haben sich Michèle Durand aus Wedel und ihr Begleiter, Togolese mit französischem Pass, am Treffpunkt eingefunden. Das Abendblatt-Team findet kaum das Tor, weiß aber schon nach ein paar Minuten: Haupttreffer. Jeder Moment der Unterhaltung mit der Dame ist ein Genuss. Auf der Suche nach sportbegeisterten Mitmenschen aus dem flächenmäßig größten Staat der Europäischen Union tritt uns tatsächlich die Witwe von Kurt Hörmann entgegen. Kurt Hörmann, legendärer Trabrennfahrer, der am 10. Juni 2010 mit 84 verstarb. Den gefragten deutschen Export-Artikel der 1950er und 1960er Jahre, als die Bundesliga noch in den Kinderschuhen steckte, kennen sogar die Fußballer. Offiziell passierte der Hamburger 3350 Mal als Erster die Ziellinie. Michèle Durand lernte ihn 1972 als Stewardess der Fluglinie General Air auf dem Weg nach Sylt kennen. „Unser Passagier eröffnete dort eine Diskothek.“ Aus der zufälligen Begegnung wurde die große Liebe. Michèle Durand sagt es nicht sentimental, sondern mit fester Stimme: „Kurt war der wunderbarste Mensch, den man sich überhaupt nur vorstellen kann.“

Ihr Vater kämpfte während der deutschen Besatzung im Widerstand. Er hasste die Deutschen. Die Tochter zog aus, zu ergründen, warum. „Ich hätte auch in Genf studieren können. Aber es reizte mich, die Deutschen kennen zu lernen.“ Nicht nur dem Mutterwitz ihres bodenständigen Ehemanns konnte sie etwas abgewinnen. Sie lachte auch bei der WM 1982, als der Berliner Trabrennsportler Hans Sasse im Trainingszentrum Grosbois ein Exemplar des französischen Wappentieres ins Fernsehzimmer trug und lauthals verkündete: „Wir rupfen den gallischen Hahn.“ So kam es. Horst Hrubesch verwandelte den entscheidenden Elfmeter zum 5:4. Deutschland stand im Endspiel, um den Nachbarn auch vier Jahre später im Halbfinale erneut auszuschalten.

„Diesmal gewinnt Frankreich 2:1“, glaubt Michèle Durand, die ihre Staatsbürgerschaft auch während ihrer Ehe nie ablegte. „Erstens war eine doppelte Staatsbürgerschaft lange Zeit nicht möglich, zweitens bin ich Französin bis in die Fingerspitzen.“ Das Land, das ihre Vorfahren so sehr verachteten, hat sie trotzdem tief ins Herz geschlossen: „Ich liebe Deutschland und werde hier sterben.“ Das kommt in Münster/Westfalen zum Ausdruck, wo ihre Pferde Defi d´Albigny , Esprit d´Albigny und Emilie d´Albigny, benannt auch nach ihrem Geburtsort Saint-Pierre d´Albigny in den Alpen, sowie zwei Mutterstuten untergebracht sind. Die Fachkraft für Logistik im Hamburger Handelsunternehmen K.D. Feddersen besteht darauf, dass die Fahrer in den Hemdfarben Schwarz, Rot, Gold antreten. So wie früher Kurt Hörmann.

Sofern Deutschland tatsächlich ausscheidet, hat Michèle Durand einen Tipp: „In der Normandie kann man sich gut erholen. Die Gegend um Deauville ist landschaftlich besonders reizvoll, dort ist es auch nicht so heiß.“ Amesse Ghierry, der als gebürtiger Afrikaner beim 0:2 gegen Frankreich noch Nigeria die Daumen drückte und während seiner Aufenthalte in Togo für Provinz-Club Oceano Lome´ als Vierer kickt, ärgert sich: „Schade, dass Ribéry nicht dabei ist. Er hätte perfekt zu Benzema gepasst.“ Ganz charmant und diplomatisch malt sich Michèle Durand ihre Wunschvorstellung aus: „Der Bessere soll gewinnen.“