Der Verein hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er bietet in Zeiten des demografischen Wandels Sport und Geselligkeit speziell für ältere Menschen

Pinneberg. Wilhelm Kröger ist 72 Jahre alt und war nie besonders sportlich. Vor neun Jahren jedoch ließ er sich vom Sport-Virus infizieren: „2004 habe ich zwei Bypässe bekommen und bin darum in die Herzgruppe des VfL Pinneberg gegangen. Danach wurde ich überredet, mich zur Gymnastik anzumelden.” Heute treibt Kröger täglich Sport: „Dreimal pro Woche Gymnastik, zweimal Herzgruppe, und nebenher spiele ich Golf.”

Im Kursus „Sie&Er-Gymnastik” des VfL halten sich auch Brigitte und Hans Otto Wiese (beide 66) fit. Das Ehepaar trat der Tanzsport-Sparte des Pinneberger Vereins 1996 bei, um nach einer semiprofessionellen Tanzkarriere ihre gemeinsame Leidenschaft in der Senioren-Klasse fortzusetzen. „Dann ging das Knie meiner Frau kaputt”, sagt Wiese, „und seither halten wir uns hier mit Gymnastik fit.”

Kröger und das Ehepaar Wiese gehören zu den vielen Senioren, die nach und nach die Sportvereine für sich entdecken. Ihre Generation will sich fit und jung halten. Dieser Entwicklung müssen die Sportvereine Rechnung tragen — auch und vor allem um ihrer selbst willen, denn der demografische Wandel macht vor den Sportvereinen nicht halt. Vorbei die Zeit, als junge Leistungssportler in Sparten wie Fußball, Volleyball und Tischtennis die Mehrzahl ausmachten und danach lebenslang ihrem Verein verbunden blieben. „Schon heute betreibt das Gros unserer mehr als 5000 Mitglieder Breiten-, Fitness- und Gesundheitssport”, sagt Uwe Hönke, VfL-Geschäftsführer. „Auf diese Angebote haben wir beim VfL einen Schwerpunkt gelegt. Sie sind der Markt der Zukunft.”

Schon vor Jahren hat sich der Pinneberger Verein auf die ältere Generation eingestellt. VfL-Sportreferentin Katrin Lorenzen: „Wir haben beispielsweise die Bewegungsprogramme ,Bleib fit 60+’ und ,Bleib fit 70+’ aufgelegt für Leute, die seit der Schule keinen Sport mehr betrieben haben. Die Kurse laufen immer noch, 80 Prozent der Teilnehmer sind dabeigeblieben.”

Ob Reha-Sport, Nordic-Walking, Rückentraining, Yoga oder verschiedene Gymnasitik-Arten, auf allen diesen Gebieten konkurrieren die Sportvereine mit kommerziellen Anbietern.

„Senioren kommen nicht automatisch zu uns”, weiß Heidi Gauger. Sie ist Seniorenbeauftragte beim VfL: „Darum bieten wir mehr als nur Sport, damit können wir punkten.” Den älteren Mitgliedern und den Neueinsteigern komme es neben der Qualität des Trainings auf Geselligkeit an.

„Raus aus der Anonymität!” Gaugers Erfolgsrezept ist die Förderung der Gemeinschaft, darum bietet sie im VfL Radtouren, Ausfahrten und Spielenachmittage an. Gauger: „Der Verein ist immer auch ein Ort für persönlichen Austausch untereinander.”

Mit seinen Angeboten und Kurzzeit-Sportkursen hat der VfL die Zeichen der Zeit erkannt — eine Aufgabe, die noch vor manch anderem Verein im Kreis Pinneberg liegt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die 190 Vereine, die dem Kreissportverband (KSV) angehören, zählen derzeit 82.000 Mitglieder. „Die Zahl sinkt signifikant”, sagt Sönke P. Hansen, Vorsitzender des KSV. Ein Grund sei der demografische Wandel. Die Vereine hätten zudem damit zu kämpfen, dass die lebenslangen Mitgliedschaften zurück gingen. „Wessen Sohn morgen mit dem Fußball aufhört, der steigt aus dem Verein aus, um Kosten zu sparen. Früher waren 60 Prozent sportlich aktiv und der Rest zahlende Mitglieder, so finanzierten sich die Vereine.”

Neue Mitglieder zu gewinnen und sie an den Verein zu binden, werde immer schwerer, sagt der KSV-Vorsitzende. Unverbindlich an einem Kursus teilzunehmen und dafür eine Gebühr zu bezahlen statt beizutreten, sei auf dem Vormarsch. Es komme darum darauf an, die Einsteiger an sich zu binden und darüber hinaus ans Ehrenamt heranzuführen.

Um dem demografischen Wandel auch in den Sportvereinen Rechnung zu tragen, schlägt Hansen vor, die gesundheitsbewusste Generation 50+ ins Auge zu fassen. „Der Reha-Sport kann eine Einstiegsdroge sein.” Das Angebot sollte so gefasst werden, dass sich Menschen jeder Altersstufe angesprochen fühlen. „Ich muss in meinem Verein Sportarten schaffen, die eine Bandbreite bieten, um Sportler von 18 bis 80 Jahren zusammenzubringen.”

Damit Vereine dies leisten können, bietet ihnen der KSV Übungsleiter-Fortbildungen auf dem Gebiet Seniorensport an. Ganz neu sind Kurse für Übungsleiter, die eine ältere Lizenz haben und wieder einsteigen wollen. Hansen: „Es gilt, die Älteren für das Ehrenamt im Sportverein zu gewinnen.”

Der KSV bietet auf seinen Internet-Seiten Informationen hierzu. Das Anklicken lohnt sich für jeden, der beschließt, fit zu bleiben oder zu werden. Unter www.ksv-pinneberg.de finden Interessierte die für sie ideale Sportart und den richtigen Verein im Kreis Pinneberg. Hansen: „Schüchtern muss niemand sein. In Vereinen ist es ganz normal, dass Leute kommen, die noch nicht so fit sind.”