Anja Brandt erlernte das Volleyballspielen bei der VG Elmshorn und ist heute eine feste Größe im Bundesliga-Team von Meister Schweriner SC

Elmshorn. Die Mannschaft des Schweriner SC ist derzeit im deutschen Frauen-Volleyball das Maß der Dinge. Am Sonnabend, 4. Mai, kann dem Team aus Mecklenburg-Vorpommern in der Best-of-five-Finalserie um die deutsche Meisterschaft mit einem Heimsieg über den Dresdner SC (Beginn: 18 Uhr, Arena) ein weiterer Schritt Richtung Titel-Hattrick gelingen. Zudem lockt das zweite Double in Folge, denn den DVV-Pokal gewannen die Schwerinerinnen schon vor einigen Wochen dank eines 3:0 über den VC Wiesbaden. Gefeiert wurde unter anderem vor Fernsehpublikum im NDR-Sportclub, und mittendrin im Trubel dürften Volleyball-Fans aus dem Kreis Pinneberg die 1,93 Meter große Anja Brandt erspäht haben, deren Karriere vor zehn Jahren bei der VG Elmshorn begann.

Ersten Kontakt mit ihrem Lieblingssport hatte die in Hamburg geborene, 23 Jahre alte Mittelblockerin bereits als Kleinkind. Ihre Eltern Martina (als Spielerin) und Peter (als Trainer) lernten sich beim Volleyball kennen, begeistern sich bis heute für ihren Sport. "Das hat mich geprägt, Ballspielen war schon früh eine Leidenschaft für mich", sagt die Studentin der Betriebswirtschaft.

Mit 13 Jahren übte die gebürtige Hamburgerin erstmals Baggern und Pritschen in einer von Lehrer Rüdiger Proske geleiteten Volleyball-AG der Kooperativen Gesamtschule Elmshorn (heute Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule). "Danach ging alles recht schnell", sagt die sympathische Mittelblockerin, Nach weniger als einem Jahr bei der VGE erhielt sie erstmals eine Einladung zum Training mit der Hamburger Auswahl, die sie aber ignorierte ("Ich wusste damals gar nicht, was das bedeutete."). Erst im zweiten Anlauf stieß sie zum Kreis der größten Volleyball-Talente der Metropolregion.

Aufgrund ihrer Athletik hat Anja beste Voraussetzungen für ihren Sport

Ihre Begabung für Volleyball erkannten auch andere Trainer, so etwa Burkhard Skibitzki, der jahrelang das Regionalliga-Frauenteam der VG Elmshorn betreute. "Es war früh zu erkennen, dass Anja aufgrund ihrer Athletik die besten Voraussetzungen für diesen Sport mitbringt und zu Höherem berufen war." 2006, im Alter von 16 Jahren, wechselte Anja Brandt Wohnort, Schule und Verein. In Berlin besuchte sie bis zum Abitur 2009 das Coubertin-Sportinternat, bestritt Erst- und Zweitliga-Punktspiele für den VC Olympia. "Das war schon eine harte Zeit. Wir haben morgens und abends trainiert, in der Zwischenzeit wurde gelernt", sagt sie.

Zur Saison 2009/10 tauschte Anja Brandt das Klassenzimmer gegen den Hörsaal und die Talentschmiede gegen einen Top-Club. Den Wechsel zum Schweriner SC hat sie bis heute nicht bereut, obwohl ihr auch Angebote anderer Bundesliga-Clubs vorlagen. Für den SSC hätte insbesondere die damit verbundene Chance gesprochen, parallel zur Volleyball-Karriere ein Studium absolvieren zu können. Mit Strapazen ist auch diese Ausbildung für die 21-malige deutsche Nationalspielerin verbunden. "An drei bis vier Tagen pro Woche fahre ich zu Vorlesungen nach Wismar, abends muss ich dann die versäumte Krafttrainings-Einheit nachholen."

Beim Schweriner SC (seit 1990 neunmal deutscher Meister und fünfmal DVV-Pokalsieger, zuvor 15 Titel in der DDR) ist Anja Brandt Teil eines internationalen Ensembles. Trainer Teun Buijs stammt ebenso aus den Niederlanden wie zwei seiner Spielerinnen, darunter Tochter Anne. Dazu kommen zwei Brasilianerinnen, eine Slowakin, eine Außenangreiferin aus Kamerun und weitere deutsche Nationalspielerinnen. Ihren Coach lobt die Elmshornerin in den höchsten Tönen ("Er ist ein ruhiger Typ, der uns viele Entscheidungen selbst treffen lässt."), und im Team fühlt sie sich rundum wohl. Ein Übriges tun das große Interesse der Fans, die in Scharen zu den Heimspielen in die Arena pilgern, und die Präsenz in den Medien. "Innerhalb der Bundesliga würde ich nicht wechseln, höchstens ins Ausland, aber das hat noch Zeit."

In Italien oder Russland könnte sie sich vielleicht endlich den Wunsch nach einem internationalen Vereinstitel erfüllen, der ihr mit dem SSC bislang versagt blieb. "2011 sind wir immerhin ins Viertelfinale des Challenge-Cups vorgestoßen", sagt Anja Brandt, die 2009 in Mexiko mit dem deutschen U19-Nationalteam Weltmeister wurde. Auch der Traum, 2012 in London mit der DVV-Auswahl beim Olympischen Volleyball-Turnier zu starten, war geplatzt.

Die Eltern könnten beim dritten Play-off-Spiel Glücksbringer sein

In Schwerin genießen die Volleyballerinnen große Popularität. "Man wird auf der Straße oder beim Einkaufen schon erkannt", sagt Anja Brandt. Das hätte durchaus Vorteile. "In der Schlange an der Supermarkt-Kasse werde ich zuweilen vorgelassen, weil die Kunden davon ausgehen, dass ich auf dem Weg zum Training bin." Das freut die Elmshornerin zwar, doch Allüren sind ihr gänzlich fremd. "Schwerin ist eben keine besonders große Stadt."

Umso mehr Gedränge dürfte es am Sonnabend beim dritten Play-off-Finale auf der Tribüne der Arena geben. Unter der Woche mussten Anja Brandt und ihre Teamkameradinnen auf dem Weg zum dritten Meistertitel in Folge einen Dämpfer hinnehmen, Dresden glich mit einem 3:1 die Finalserie aus, nachdem der SSC Spiel eins mit demselben Resultat für sich entschieden hatte. "Der Gegner war in der Annahme sehr stark, während wir im Block Schwächen hatten", sagt die Elmshornerin, die trotzdem optimistisch bleibt. Am Sonnabend setzt sie zudem auf zwei besondere Glücksbringer. "Meine Eltern kommen wieder zum Zuschauen, das spornt mich zusätzlich an."