Olympischer Sportbund ändert Leistungskriterien für Deutsches Sportabzeichen. Prüfer aus dem Kreis Pinneberg sind skeptisch

Schenefeld. Günther Pries, 81, steht an der Sprunggrube der Sportanlage Achter de Weiden. Er schaut skeptisch. "Früher musste ich für Gold 1,40 Meter aus dem Stand springen, nun 1,75 Meter. Ich weiß nicht, wie das gehen soll", sagt er. Pries ist kein Olympionike. Er legt nur gerne das Deutsche Sportabzeichen ab, im vergangenen Jahr schaffte er es zum 30. Mal. Doch Pries, seit 14 Jahren für Blau-Weiß 96 auch als Sportabzeichenprüfer aktiv, muss sich umgewöhnen. Gemeinsam mit gut 1800 Sportlern aus dem Kreis, die jedes Jahr das Deutsche Sportabzeichen machen. Denn zum 100. Geburtstag der begehrten Plakette hat der Deutsche Olympische Sportbund in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München die Leistungskriterien reformiert.

So erfolgt die Abnahme nicht mehr in fünf, sondern in vier Gruppen (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination). Schwimmen als eigenständige Leistung entfällt gegen den Nachweis einer allgemeinen Schwimmfähigkeit. Im Gegenzug wurden die Anforderungen verschärft. "Früher legten Jugendliche und Erwachsene mit der gleichen Leistung ihre Prüfungen in einer festgelegten Reihenfolge ab", sagt Sybill Ahrens, Sportabzeichenbeauftragte des Kreissportverbandes (KSV) Pinneberg. "Das Deutsche Sportabzeichen wandelt sich nun zu einem breitensportlichen Fitnessorden, bei dem die vielseitige körperliche Leistungsfähigkeit in den Vordergrund rückt. Diese spiegelt sich in den drei Leistungsstufen Bronze, Silber und Gold wider", sagt Ahrens.

Anhänger des Breitensports sind nicht vergessen worden

Günther Pries sieht das eher negativ, denn "in meinem Alter kann ich Gold nun vergessen", sagt er. Ahrens betont ihre Aufgeschlossenheit gegenüber den Veränderungen. Noch habe man schließlich keine Erfahrungswerte mit den neuen Anforderungen.

Diese haben es auf den ersten Blick in sich. So muss beispielsweise ein 20 bis 24 Jahre alter Mann, der die goldene Plakette anstrebt und sich im Bereich Schnelligkeit für den 100-Meter-Lauf entscheidet, innerhalb von 12,3 Sekunden im Ziel einlaufen. Eine 30 bis 34 Jahre alte Frau, die die Goldanforderung im gleichen Bereich über das Radfahren abdecken will, soll 200 Meter in 21,5 Sekunden schaffen. Die Anhänger des Breitensportgedankens seien aber nicht vergessen worden, sagt Ahrens. Sie erhalten nach fünfmaliger erfolgreicher Prüfung in einer der drei Kategorien das sogenannte bicolor-Abzeichen. So besteht die Möglichkeit, alle fünf Jahre eine besondere Auszeichnung zu erhalten, ganz gleich welche Medaille der Sportler jeweils erreicht hat.

"Es sind auch neue Sportarten dazu gekommen", sagt Uwe Hahn, 67, Pries' Kollege bei Blau-Weiß seit elf Jahren. Seilspringen, Medizinballwurf, Zonenweitwurf und Zonenweitsprung heißen die neuen Herausforderungen. "Besonders zum Zonenweitsprung kamen schon viele Anfragen", sagt er. Hintergrund sei, dass viele Kinder nicht mehr lernen würden, mit dem rechten Fuß abzuspringen. Also müssen nun vier Sprünge absolviert werden, je zwei mit links und rechts. Aus den Weiten wird anschließend ein Durchschnittspunktwert errechnet.

Kinder können künftig schon mit sechs Jahren an der Prüfung teilnehmen

Hahn begrüßt das ebenso wie den Zonenweitwurf, bei dem auch Hindernisse überwunden werden müssen. Von Vorteil sei, dass die richtige Wurfbewegung aus dem Oberkörper trainiert werde. "Das ist gut für die jungen Sportler, denen wir gerne Tipps geben." Die größten Vorteile der Reformen sehen sowohl Pries als auch Hahn somit für die Kinder, die nun sogar schon mit sechs statt mit acht Jahren an der Prüfung teilnehmen können.

Die Alterseinteilung für Ältere (80-84, 85-89, ab 90 Jahre) löst weniger Freude aus. Eine Abnahme des Interesses befürchtet Hahn dennoch nicht. Allerdings komme auf die Prüfer mehr Schreibarbeit zu. "Wer früher sein Abzeichen hatte, war fertig. Wer jetzt Bronze hat, will vielleicht Silber."

Bis es am Montag, 6. Mai, um 18 Uhr wieder losgeht auf der Anlage Achter de Weiden, wollen Hahn und seine Mitstreiter bei Anfragen Überzeugungsarbeit leisten. Ebenso wie Ahrens beim KSV. "Wir wollen die Leute motivieren, es zu versuchen", sagt Hahn. Bei Pries hat dies schon gewirkt. "Mal sehen, vielleicht versuche ich es doch", sagt er und wagt einen Sprung.