Calle Cool ist schon 16 Jahre alt, doch Springreiter Nisse Lüneburg aus Wedel vertraut dem Derbysieger auch in der neuen Saison blind.

Wedel . Nisse Lüneburg geht durch die Stallgasse und schaut auf die Uhr. Es ist kurz vor acht. Am liebsten möchte der 24 Jahre alte Springreiter seinen Arbeitstag auf dem Magdalenenhof in Wedel an der frischen Luft beginnen und mit Calle Cool einige Runden drehen. Die grüne Saison steht vor der Tür, und es ist auch nicht mehr lange hin bis zum 84. Deutschen Springderby in Klein Flottbek.

Am 12. Mai möchte Nisse Lüneburg mit seinem Oldie auf dem schwierigsten Parcours der Welt wie schon im vergangenen Jahr noch einmal über die nationale und internationale Spitzenklasse triumphieren. Der neuerliche Wintereinbruch hat jedoch vorläufig einen Strich durch seine Planungen gemacht.

"Ich bin weiterhin an die Halle gebunden", sagt er. Das hatte er schon befürchtet, als vor einigen Tagen auf der Rückfahrt vom Turnier in Braunschweig auf der Autobahn heftiger Schneefall einsetzte. Das erste Freiluftturnier findet Anfang April in Hanstedt in der Nordheide statt. Und dafür hat er bereits mehrere Pferde genannt.

"Langsam wird es Zeit mit dem Training im Freien, sonst kommt Calle Cool nicht mehr rechtzeitig in Form", sagt Lüneburg. Schließlich ist der Holsteiner Wallach schon 16 Jahre alt, ein Alter, in dem sich die meisten Springpferde, die im Hochleistungssport eingesetzt werden, auf ihr Rentnerdasein freuen. Ist Calle Cool noch für schwere Springprüfungen geeignet? Die Wunderstute Simona von Weltmeister Hartwig Steenken konnte das, auch Halla von Olympiasieger Hans Günter Winkler, Meteor von Reiter-Idol Fritz Thiedemann oder Deister von Europameister Paul Schockemöhle sprangen mit 16, 17 Jahren noch über alle Hindernisse. Aber Calle Cool?

Nisse Lüneburg hat tatsächlich Großes vor: Er möchte ein zweites Mal mit seinem treuen Raufer in Flottbek siegen. "Calle Cool ist fit und gesund", sagt er, "der Wallach hat viel Power in seinem Blut. Er kennt die Tücken des Flottbeker Parcours genau, er hat den Großen Wall schon oft bewältigt und weiß, dass dahinter die Planke kommt."

Die Erfahrung, sagt Nisse, spiele bei Pferden eine wichtige Rolle: "Es ist für den Reiter schön, wenn man seinem Pferd hundertprozentig vertrauen kann. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Jetzt muss ich nur noch daran arbeiten, dass er seine Kondition verbessert. Nur eine Woche konnten wir bisher draußen trainieren, dann kam der Winter zurück."

Ist Calle Cool noch die Nummer eins im Stall? "Das ist schwer zu sagen", sagt sein Reiter diplomatisch. "Lange Zeit war er es, aber man merkt es natürlich, dass er älter wird. Die Stute Piana Joenna könnte seine Nachfolge antreten oder Westbridge. Der zehn Jahre alte holländische Warmblüter war schon mehrfach bei größeren Turnieren platziert, zuletzt in Braunschweig. Auf ihn setze ich Hoffnungen." Zehn junge Pferde stehen auf dem Magdalenenhof, die er an den großen Sport heranführt.

Aber hat er ein Pferd, mit dem er den Sprung in den A- oder B-Kader der beiden Bundestrainer Otto Becker und Heinrich-Hermann Engemann schaffen könnte? "Das ist ein langer Weg", weiß Nisse Lüneburg. "Für den A-Kader benötigt man ein Weltklassepferd, und das habe ich nicht. Und wenn eines auf dem Markt auftauchen sollte, kostet es erfahrungsgemäß mehr als eine Million Euro. Mein Ziel ist es jetzt, mit Westbridge oder Piana Joenna den B2-Kader zu erreichen."

Nisse, auch wenn er in Wedel arbeitet und wohnt, wird von seinen Eltern in sportlichen Fragen immer noch kräftig unterstützt. Das Züchter-Ehepaar Jan und Karin Lüneburg bewirtschaftet seit mehr als 30 Jahren den Hof Idenburg in Hetlingen. "Zucht und Sport sind für uns untrennbar miteinander verbunden", heißt die Devise des Allgemeinmediziners Jan Lüneburg, der in Pinneberg eine Arztpraxis führt und seit fünf Jahren Vorsitzender des Verbandes der Züchter des Holsteiner Pferdes ist und Ehefrau Karin, einer ausgebildeten Pferdewirtschaftsmeisterin.

Seit dem 1. September ist Nisse Lüneburg als Bereiter auf dem Magdalenenhof tätig. Könnte er sich vorstellen, irgendwann einmal den Arbeitgeber zu wechseln? "Nein, auf keinen Fall", sagt er. "Herr Herz hat volles Vertrauen in mich, das werde ich weiterhin rechtfertigen. Wir sind uns einig: Wir wollen langfristig zusammenarbeiten."