Chaos mit den Spielabsagen nervt. VfL-Coach Michael Fischer weiß, wie man dem Winter aus dem Weg gehen könnte

Pinneberg. Der Fußball und der Winter, das war schon immer eine recht frostige Beziehung - obwohl, die Profis haben ihn allein schon mit Rasenheizungen längst aus ihren Stadien vertrieben. Man muss schon weit zurückdenken, um sich daran zu erinnern, dass auch in der Bundesliga komplette Spieltage abgesagten werden mussten. Auch im Hamburger Amateurfußball glaubte der Verband vor einigen Jahren, dem Winter mit radikalen Änderungen im Spielplan beizukommen. Aber das war wohl nichts. Das Chaos mit ausgefallenen und neu angesetzten Spielen ist so groß wie eh und je. Über die nervigste Jahreszeit im Fußball sprach das Hamburger Abendblatt mit Michael Fischer, dem langjährigen Trainer des Oberligisten VfL Pinneberg.

Hamburger Abendblatt: Herr Fischer, vor einigen Jahren hat der Spielausschuss des Hamburger Fußballverbandes versprochen, das Winterchaos entscheidend zu mildern. Der Start in die neue Saison wurde auf das erste Augustwochenende vorgezogen, die Winterpause von Anfang Dezember bis Mitte Februar ausgedehnt. Warum hat das nicht wirklich etwas gebracht?

Michael Fischer, seit 40 Jahren als Spieler und Trainer im Geschäft: Weil der Fußball-Verband die neue Regelung selbst wieder aufgeweicht hat. Inzwischen werden schon wieder Pokal- und Nachholspiele ab dem 1. Februar angesetzt. Nur müssen die meisten Begegnungen dann doch wieder wegen des Winterwetters abgesagt werden. Es ist gerade dieses Hin und Her, die Mannschaft vorbereiten, für das Spiel heiß machen. Einen Tag vorher erfährst du dann, dass wieder alles umsonst war. Das ist hochgradig nervig.

Wie viel Zeit braucht eine Oberliga-Mannschaft, um sich auf den Neustart im Februar vorzubereiten?

Fischer: Vier bis fünf Wochen. Wenn für uns beispielsweise Anfang Januar das erste Nachholspiel angesetzt wird, müsste ich meine Spieler eigentlich schon an Heiligabend zum Training bitten. Das Schlimmste ist, du musst dich konzentriert vorbereiten, obwohl die Erfahrung zeigt, Anfang und auch Mitte Januar fallen die Spiele mit 90-prozentiger Sicherheit aus. Diese Ansetzungen sind einfach Schwachsinn.

Wenn Sie so harte Kritik üben, wissen Sie denn eine bessere Lösung?

Fischer: Wir sollten gleich im August und bis in den September hinein zwei oder drei Englische Wochen austragen. Dann ist es warm, zudem lange hell und bei den Spielen in der Woche können die Zuschauer nach Feierabend noch auf ein Bierchen beim Fußball vorbeischauen.

Das würde maximal für drei Spieltage mehr Entspannung im Winter bringen. Reicht das?

Fischer: Nein. Aber wir können auch zum Saisonende im Mai noch ein- oder zwei Englische Wochen einplanen und generell das Saisonende um ein- oder zwei Spieltage in die warme Jahreszeit verschieben.

Aber dann müssen in den einzelnen Klassen die Aufstiegsspiele bestritten werden, so jedenfalls argumentiert der Verband.

Fischer: Ich weiß, und zwischen dem Saisonende und den ersten Aufstiegsspielen müssten zehn Tage Zeit sein, weil es ja noch Proteste geben könne. Aber wegen der paar Mannschaften muss sich jetzt der gesamte Hamburger Fußball durch Eis und Schnee und Kälte quälen. Von den Zuschauern, die dann zu Hause bleiben, will ich erst gar nicht reden.

Der VfL Pinneberg hat bereits vier Nachholspiele auszutragen. Mannschaften wie der SV Curslack-Neuengamme, Niendorfer TSV oder Germania Schnelsen werden es in den nächsten Wochen wesentlich stressfreier antreffen.

Fischer: Weil sie einen Kunstrasen haben, der sozusagen winterfest ist. Die können nicht nur regelmäßiger spielen, sondern auch unter besten Bedingungen trainieren. Die Kunstrasenplätze sorgen immer stärker für ungerechte Bedingungen und Wettbewerbsverzerrungen im Hamburger Fußball.

Es gibt bereits 40 Anlagen mit Kunstrasen in Hamburg. Wann werden auch Ihre technisch versierten Spieler auf einem Belag wie diesem Zauberfußball zeigen können?

Fischer: Die Stadt Pinneberg hat, wie wir alle wissen, mehr Schulden als Verkehrsampeln. So ein moderner Sportplatz kostet rund eine halbe Million Euro. Einen Kunstrasenbau werde ich wohl nicht mehr erleben, jedenfalls nicht als aktiver Trainer.

Wurde früher nicht viel häufiger auch bei Eis und Schnee gespielt? Werden die Plätze heute nicht viel schneller gesperrt?

Fischer: Nun wollen wir nicht das alte Lied anstimmen, dass früher alles besser gewesen sei. Tatsache aber ist heute: Es gibt heute viel mehr Vereine als zu meiner Jugendzeit. Also sind viele Plätze viel stärker belastet. Zum anderen kommt hinzu, dass überall in den Gemeinden Personal eingespart wird. Die Platzwarte haben doch nicht mehr die Zeit, die Anlagen so zu pflegen, wie es eigentlich sein müsste.

Sind aber nicht auch die jungen Spieler Weicheier geworden, die bei Frost und Schnee keine Lust mehr auf Fußball haben?

Fischer: Nein, keinesfalls. Da hätten Sie zuletzt mal unser Training beobachten sollen. Wir haben mit vier roten Bällen im Schnee gespielt. Die Jungen tobten herum wie übermütige Schuljungen. Sören Badermann beispielsweise schmiss sich nach einem Tor in eine Schneewehe, schrie und lachte dabei.

Noch ein Blick in die Zukunft. Warum nicht nur Punktspiele zwischen April und November? Warum entwickelt sich der Fußball nicht zum reinen Sommersport?

Fischer: Weil der Amateurfußball fest an den Profifußball gekoppelt ist. Und das wird so bleiben. Die Profis geben die Rahmenbedingungen vor. Dem müssen wir Amateure uns unterordnen. Der Fußball wird den Winter niemals los.