Kreisläuferin Martina Bauer will in Tornesch die Erfahrung von sechs Spielzeiten bei der SGH Rosengarten weitergeben.

Tornesch . Schneefall und Straßenglätte konnten den Neuzugang des TuS Esingen nicht stoppen. Pünktlich um 20.30 Uhr stand die 35 Jahre alte Martina Bauer, Kreisläuferin mit Bundesliga-Erfahrung, auf dem Parkett der Halle an der Klaus-Groth-Straße in Tornesch, machte sich gemeinsam mit ihren Teamkameradinnen aus der Hamburg-Liga-Mannschaft warm für die kommende eineinhalbstündige Übungseinheit mit TuS-Trainer Jan-Henning Himborn.

Ihr rechtzeitiges Erscheinen kann die Kreisläuferin, die zuletzt sechs Spielzeiten für die SGH Rosengarten bestritt, aber nicht in allen Fällen garantieren. "Ich komme oft zu spät, weil ich im Beruf stark eingespannt bin." Bis auf 50 Stunden pro Woche summiert sich das Arbeitspensum der Arzthelferin in der Praxis eines Allgemeinmediziners in Hamburg-Fuhlsbüttel. Die Sprechstunde endet oft erst um 18 Uhr. Umso erstaunlicher ist es da, dass die Rechtshänderin sechs Jahre lang nach Feierabend mindestens viermal pro Woche die 39 Kilometer lange Anfahrt in die 14.0000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Harburg auf sich nahm.

Entschädigt wurde Martina Bauer, die alle nur Tini nennen, für diese Strapazen mit sportlichen Erfolgen. 2008 stieg die SG in die 2. Bundesliga auf, gewann 2012 die Staffelmeisterschaft und schaffte den Sprung in die höchste deutsche Spielklasse. "Es war eine großartige Zeit, und ich wäre auch gern länger geblieben, wenn ich nicht so viel arbeiten müsste", sagt Martina Bauer. Kaum mit dem Beruf zu vereinbaren waren vor allem die mit Bundesliga-Auswärtsspielen verbundenen Reisen. Mit Grausen erinnert sich Martina Bauer an eine für den späten Sonntagnachmittag angesetzte Partie. "Ich war erst um fünf Uhr zu Hause und musste schon zwei Stunden später wieder arbeiten."

All das gehört jetzt der Vergangenheit an. Mit dem Vorsatz, künftig nur noch Beachhandball zu spielen, nahm Martina Bauer im Mai vergangenen Jahres bei der SGH Rosengarten ihren Abschied. Doch nach neun Monaten hatte die Hallenhandball-Abstinenz ein Ende. "Um die Weihnachtszeit herum hat sich Jan-Henning Himborn bei mir gemeldet und gefragt, ob ich nicht seine Hamburg-Liga-Mannschaft verstärken möchte", sagt Martina Bauer, die nicht allzu lange zu überlegen brauchte. "Das war genau der richtige Zeitpunkt, denn es juckte schon wieder in den Fingern."

Die Karriere der Spätstarterin drohte an fehlendem Ehrgeiz zu scheitern

Martina Bauer und der gleichaltrige Himborn kennen sich seit langem. Beide wuchsen im Kreis Stormarn auf, waren später sowohl bei der HSG Sasel/DuWO als auch beim TSV Ellerbek Clubkameraden. Die Handball-Hochburg im Kreis Pinneberg war für fünf Spielzeiten in der Regionalliga Nordost Martina Bauers sportliche Heimat. "Ich habe bei Trainerin Marta Beles eine Menge gelernt."

Aus der Karriere der sportlichen Arzthelferin wäre aber um ein Haar nichts geworden. Zwar begann die gebürtige Bremerhavenerin schon im Alter von fünf Jahren beim Hoisbütteler SV mit dem Handballspielen, ohne indes großen Ehrgeiz zu entwickeln. Erst ihre A-Jugend-Trainerin Bärbel Schulz brachte die Spätstarterin auf Kurs. "Sie meinte, ich würde mein Talent vergeuden und hat mich zum TuS Alstertal geschickt, das war fast schon ein Rausschmiss", sagt Martina Bauer, die darüber aber alles andere als böse ist.

Beim TuS Esingen erhofft sich Jan-Henning Himborn von dem Neuzugang mit Bundesliga-Erfahrung eine Stabilisierung seines talentierten, aber jungen Teams. Als Aufsteiger in die höchste Hamburger Klasse dürfen die Tornescherinnen als Tabellenachter (13:17 Punkte) angesichts eines Sieben-Punkte-Vorsprungs auf die Abstiegsränge wohl schon jetzt für eine weitere Saison im Oberhaus planen. Zudem steht die Mannschaft im Viertelfinale des Hamburger Pokals, trifft dort auf den klassentieferen Nachbarn Moorreger SV (Landesliga 1).

Martina Bauer weiß genau, was ihr Trainer für den Rest der Saison von ihr erwartet. "Himbo hat mich gebeten, ihn auch im Training zu unterstützen und meine Erfahrungen an die jüngeren Spielerinnen weiterzugeben." Für Jan-Henning Himborn ist der Neuzugang aber nicht nur sportlich, sondern auch menschlich ein Riesengewinn. "Tini kann eine Mannschaft in kritischen Situationen mitreißen und ist außerdem ein Garant für gute Stimmung."