Die Jüngsten deklassierten die Alten und holten sich gegen acht Konkurrenten die deutsche Meisterschaft. 2000 Zuschauer an den Finaltagen dabei

Groß Offenseth. Polo auf Gut Aspern, da ist zuerst immer dieser Blick auf die endlose Weite, über Wiesen und die weitläufigen Spielfelder. Dann sind da die weißen Zelte, Buden und Verkaufsstände, die lange Reihe von Tischen, Bänken und Stühlen. Menschengruppen sitzen und stehen am Rande des Poloplatzes, mit einem Bier vor sich, andere lassen sich Rotwein, Sekt und andere Köstlichkeiten schmecken. Man hört Kinderlachen, im Hintergrund dösen Hunde in der Abendsonne. Das alles erinnert an ein Heerlager, aber ein neumodisches, zu dem die Menschen in teuren Autos anreisen.

Dann aber, wenn der Pulk der Pferde über das Spielfeld hetzt und der Wirbel ihrer Hufe alles andere übertönt, glaubt man sich zurückversetzt in ein längst vergangenes Jahrhundert. Die Rufe und Schreie der Reiter verstärken noch diese Stimmung vom Kampf harter Männer auf ihren pfeilschnellen Pferden.

Eine Woche lang kämpften Top-Polospieler aus Bayern und Berlin, aus Düsseldorf, Hamburg und vom Gut Aspern in Groß Offenseth um die deutsche Medium-Goal-Meisterschaft. Das ist für den deutschen Polosport die wichtigste Standortbestimmung in einem Wettkampf. Im Gegensatz zur internationalen deutschen Meisterschaft, die Gastgeber Christopher Kirsch mit seinem Team in Berlin kürzlich verteidigte, durften auf Gut Aspern nur Frauen und Männer ihre wendigen Pferde satteln, die im Besitz eines deutschen Passes sind.

Nun ist es im Polo üblich, dass die Teams die Namen ihrer Sponsoren führen. So standen im Finale die vier Aktiven der Parfümerie Kaland dem Team von May & Olde, dem größten BMW-Händler Schleswig-Holsteins, gegenüber. Das war eine Sensation im deutschen Polosport, und die wurde spektakulär präsentiert.

"Das ist ja wieder so ein fantastischer Tiger-Woods-Schlag", schreit Jan-Erik Frank, der humorvolle Stimmungsmacher am Mikrofon, in den Abendhimmel. "Was für ein toller Angriff, wiederum eingeleitet von Heinrich Dumrath. Christopher Kirsch versucht am Ende noch, den Ball abzuwehren. Aber jetzt, jetzt: Goal! Goal!" Das ist das 5:2 für die vier Musketiere in Blau. Es ist einfach Klasse, wie die vier jungen Burschen die weitaus älteren Routiniers an die Wand spielen.

Und dann erhebt der Mann am Mikrofon noch einmal seine Stimme. Und über der weiten Abendlandschaft ist fast feierlich zu hören: "Meine Damen und Herren, vergessen Sie das Fußball-Wunder von Bern. Was Sie jetzt und hier erleben, ist das Polo-Wunder von Gut Aspern."

Die Zuschauer klatschen und lachen. Aber es dauert eigentlich bis zur bunten, fröhlichen und auch feuchten Siegerehrung, ehe auch nicht Eingeweihte erkennen, wer sich da gerade den Ruhm und die Ehre eines deutschen Meisters erkämpft hat. Ohne ihre Polo-Helme auf dem Kopf sind überhaupt erst die verschwitzten Gesichter der Spieler zu erkennen. Und da steht ganz oben auf dem Siegertreppchen, eingerahmt von verwegenen Kerlen in Lederstiefeln, ein eher scheuer Junge von gerade mal 15 Jahren.

Caesar Crasemann ist der Benjamin in dieser neuen Meister-Mannschaft, das für die Parfümerie Kaland überlegen die Finalpartie mit 5:2 gegen May & Olde gewann. Neben ihm feiert sein Bruder Caspar mit. Der ist auch erst 19 Jahre alt, genau wie Heinrich Dumrath und Niclas Sandweg.

"Dass diese vier Jungen große Talente sind, wissen wir ja alle im deutschen Polosport", lobte Christopher Kirsch. Er ist als Hausherr von Gut Aspern auch Veranstalter dieser nationalen Meisterschaft und dazu Kapitän der geschlagenen Gegner. "Aber auch mich hat überrascht, wie taktisch gerissen diese Burschen schon kämpfen und wie nervenstark sie selbst in den schwierigsten Situationen reagieren. Wir von May & Olde haben wenigstens noch zwei Tore gegen die vier Burschen erzielt. In den Gruppenspielen haben die die Jungen alle anderen Teams mit fünf- und sechs Toren Unterschied abgefertigt. So hat schon lange kein Team mehr bei einer deutschen Meisterschaft dominiert."

Die jugendlichen Helden kommen übrigens alle aus der Polo-Schule in Osdorf. Bei ihrem großen Triumph zogen sie Trainer Thomas Winter mit auf das Treppchen. "Ich habe überhaupt nicht gewusst, dass es in Hamburg eine Polo-Schule gibt", sagt Arne Kührt und sieht dabei zu, wie auch der 15 Jahre alte Caesar Crasemann triumphierend Champagner aus der Magnum-Flasche auf Kameraden und Trainer schüttet.

Der Zuschauer aus Uetersen (insgesamt waren es an den beiden Finaltagen rund 2000) erlebte mit Ehefrau Edelgard das erste Poloturnier seines Lebens. "Das ist wirklich rasant, packend und abwechslungsreich. Das gefällt uns wirklich. Aber schreiben Sie ja nicht, das ich ein Pferdenarr sei, das glaubt mir in Uetersen kein Mensch." - "Aber dafür hältst du es schon seit 12 Uhr mittags hier aus", entgegnet ihm lachend seine Frau. "Auch wenn es inzwischen ziemlich kühl geworden ist, die tolle Siegesfeier erleben wir jetzt auch noch mit."

Schon am Tag danach, als die mehr als 100 Pferde der deutschen Polo-Elite bereits auf dem Weg nach Hause waren, bereitete sich Hausherr Christopher Kirsch schon auf das nächste große Event vor. Als Kapitän wird er mit einem deutschen Team an den Europameisterschaften teilnehmen, die am nächsten Wochenende im südspanischen Sotogrande beginnen.