Bei Blau-Weiß 96 sind alle beeindruckt vom 19-Jährigen Talent Can Ünlü. Die Schenefelder Fußballer bezwingen den SV Lieth mit 3:1.

Schenefeld. Can Ünlü hob nur kurz den rechten Arm: Seht her, ich bin's. Soeben hatte der 19 Jahre alte Spielmacher und Torjäger von Blau-Weiß 96 mit einem leicht abgefälschten 25-Meter-Schuss das 2:1 für die Schenefelder Landesliga-Fußballer erzielt (70.). Nicht jeder bringt den Mut und das Vertrauen in die eigene Person auf, aus dieser Entfernung einfach mal abzuziehen - Ünlü schon.

Ist der beste von vielen guten Kickern beim Aufsteiger, der mit einem 3:1 (0:1) über die SV Lieth den spielfreien TSV Uetersen vom vierten Rang in der Hammonia-Staffel verdrängte, am Saisonende überhaupt zu halten? Er müsste mit seiner Ballfertigkeit, seinem Spielverständnis, dem Tordrang, verbunden mit der Qualität, stets den besser postierten Nebenmann im Auge zu haben, doch längst im Notizblock der meisten Oberliga-Klubs vermerkt sein. "Macht ihr Reporter euch mal keine Gedanken", winkt Trainer Selcuk Turan ab und lächelt wie ein stolzer Papa. "Can wird das machen, was ich ihm empfehle. Und ich werde ihm nicht raten, in die Oberliga zu wechseln."

In der kommenden Saison auf jeden Fall ein Aufstiegsaspirant

Eine Aussage, die zwei Interpretationen zulässt. Erste Möglichkeit: Ünlü überspringt die Oberliga und wechselt in eine noch höhere Spielklasse. Zweite Möglichkeit: Der Schenefelder "Shooting-Star" hält den Blau-Weißen die Treue, mit der Option, sein Team nächste Serie in die Oberliga führen. Um ein Jahr gereifter und entweder den FC Elmshorn oder den SV Lurup, vielleicht ja sogar beide, weniger in der Klasse ist seine Mannschaft dann ein Aufstiegskandidat, oder Selcuk Turan? Der Coach weicht nicht aus: "Wir hoffen, dass es so kommt, keine Frage."

Wie passte es dann zu den Ambitionen, dass die Schenefelder diesmal keinen guten ersten Durchgang absolvierten? Turan spielte auf die dritte Minute an, als Okan Bektas einen Foulelfmeter, den Daniel Arndt an Benjamin Eta verschuldete, links am Tor vorbei schoss: "Solche Aktionen sorgen bei uns immer für ein bisschen Verunsicherung. Dann gehen gleich die Köpfe runter." Dabei sind die Blau-Weißen Strafstoß-Fehlschüsse mittlerweile doch gewohnt: Auch Danijel Peric und Rohollah Rohparwar scheiterten diese Serie schon am Kreidepunkt. Die Klein Nordender aber witterten Morgenluft am frühen Abend. Einige gefährliche Gegenangriffe hatten sie schon vorgetragen, als sich Dimitri Rawinsky in der 37. Minute waagerecht in die Luft legte und artistisch Weise eine Flanke von Christian Marx zum 1:0 der Gäste verwandelte. Da jubelte an der Seitenlinie sogar Ex-Coach Ingo Jopp, der sich der Mannschaft immer noch verbunden fühlt: "Ich bin nicht hergekommen, um sie verlieren zu sehen."

Can Ünlü hätte mit seinem katastrophalen Rückpass fast das 0:2 von Martin Beuck herauf beschworen (58.). Mehr als eine Stunde lang bekamen das die Klein Nordender gut hin, die Gegenspieler immer wieder zu Fehlern zu zwingen. Dann aber leisteten sie sich selber die entscheidende Nachlässigkeit: Völlig unbedrängt durfte Ünlü im Anschluss an einen Freistoß Rohparwahs das 1:1 erzielen. Der Kopfstoß war so hart, dass dem guten SVL-Keeper Sascha Blaedtke fast die Fäuste wegflogen (70.). Es kam noch der Auftritt des eingewechselten Jeremy Wachter, der bei seinem Saisondebüt Blaedtke nicht überwinden konnte - Blitzreaktion (82.). Entschieden war die Partie in der 87. Minute, als Kevin Fölsch einen Flachpass von Benjamin Eta kurz und schmerzlos mit einem Schuss in die rechte Ecke verwandelte , 3:1. "Lieth hat Blau-Weiß lange Zeit das Leben schwer gemacht", urteilte Rüdiger Jung, der die Schenefelder einst in der höchsten Hamburger Spielklasse und später die Klein Nordender trainierte.

Die Sieger feierten Geburtstagskind Marcel Gertschat (22), das allerdings nur ihrem erweiterten Kader angehört. SVL-Interimscoach Torben Roß fand lobende Worte für die Verlierer: "Blau-Weiß hat nun mal eine gewisse Klasse. Diesem Team so lange Paroli geboten zu haben, war super." Was aber nichts daran ändert, dass der Viertletzte sich nun auch im Derby gegen den FC Elmshorn und beim SV Lurup keine realistische Chance auf etwas Zählbares ausrechnen kann. Drei "Kracher" nacheinander, den Spielplangestalter müsste das schlechte Gewissen plagen.