Wie die Fußball-Trainer im Kreis auf die Entlassung von HSV-Coach Michael Oenning reagieren

Pinneberg. "Alle machen sich jetzt lustig über Oenning. Das muss fürchterlich sein, für ihn und seine Familie. Die geschätzten 300 000 Euro Schmerzensgeld wiegen das nicht auf" - als allererstes erwähnt Thomas Bliemeister (55) den menschlichen Aspekt.

Michael Oennings Entlassung beim Bundesliga-Tabellenletzten aber kann der HSV-Profi von 1978 bis 1980, der im Endspiel des Europa-Pokals der Landesmeister gegen Nottingham Forrest (0:1) auf der Ersatzbank mitfieberte, nachvollziehen. Mit den Freunden der HSV-Altliga hockte der Oberliga-Trainer der SV Halstenbek-Rellingen bei allen drei bisherigen Bundesliga-Heimspielen der "Rothosen" in der imtech-Arena und trat jedes Mal kopfschüttelnd den Heimweg an: "Es war erschreckend, was vom HSV geboten wurde, in allen drei Partien." Die Trennung von Oenning sei das Eingeständnis der Verantwortlichen, "einen eigenen Fehler nun schnell reparieren zu müssen." Da lobt sich Bliemeister doch den früheren HSV-Manager Günter Netzer: "Er hat seinerzeit Branco Zebec und Ernst Happel geholt, goldrichtige Entscheidungen, wie jeder weiß."

HSV-Sportchef Frank Arnesen soll den Niedergang der HSV-Kicker auch ausbaden und gehen. Das ist die Meinung von Jörn Borstelmann (49), der aufgrund eines schmerzhaften Rippenbruchs zurzeit nur im Fernsehsessel gelegentlich Schlaf findet. Bei HSV gegen Gladbach schaltete er sofort auf die Konferenz um, sonst wäre er eingenickt: "Als ich diese Angsthasenaufstellung nur las, wusste ich, dass es nicht gut gehen konnte. Aber man muss auch den Spielerkader sehen, den Arnesen zusammengestellt hat. Wie kann man fünf bundesligauntaugliche Spieler von Chelsea holen und die eigenen jungen Leute wie Torun ziehen lassen?" fragt der Flottbeker, der sich beim TSV Uetersen das Traineramt mit Heiko Waschatz teilt. Künftig wünscht sich Borstelmann höhere Kompetenz um den deutschen Fußball in der HSV-Führung: "Insider wie Sergej Barbarez sollten mehr zu Wort kommen."

Tapfer hat sich Thorsten Gumbrich (32) bereits wieder Karten für das Heimspiel gegen Schalke 04 und das anschließende Auswärtsspiel in Hannover besorgt. Der Trainer des Kreisliga-Dritten 1. FC Quickborn hofft, dass dann entweder Martin Jol (wie vom 1. Juli 2008 bis zum 26. Mai 2009) oder Ricardo Moniz (wie vom 26. April bis zum 30. Juni 2010) auf der Bank Platz nehmen. Als Trainingskiebitz gewann Gumbrich von beiden den Eindruck, dass sie ein Team begeistern können. "So ein Typ war Oenning eben nicht. Ich bin glücklich, dass er weg ist", sagt der überzeugte HSV-Fan, der seine Lieblinge schon zu mehr als hundert Auswärtsspielen, zum Beispiel nach Valencia und Glasgow, begleitete und seinen Emotionen früher als Dauerkarteninhaber im Volksparkstadion, Block E, freien Lauf ließ. "Das schlimmste ist, dass Niederlagen mit Oenning kaum wehtaten. Man erwartete einfach nichts von dieser Mannschaft", sagt Gumbrich.

Mario Steinhauer (40), Trainer des SV Sparrieshoop (Bezirksliga), empfindet trotz seiner Nähe zum FC St. Pauli keine Schadenfreude: "Als Fußball-Liebhaber wünsche ich, dass der HSV die Kurve kriegt. Tolle Spiele wie gegen Juventus Turin habe ich noch nicht vergessen." Nach Ansicht von Ingo Desombre, Co-Trainer des TSV Wedel (49) wäre die zweite Liga aber eine Chance für einen Neubeginn: "Jeder Stall muss irgendwann mal von Grund auf ausgemistet werden." Frank Weche (44) Coach des SuS Waldenau II, sieht sich im Geiste schon auf dem Weg in den Volkspark - zum Zweitligaspiel "seiner" Eintracht-Löwen beim Absteiger. Der gebürtige Braunschweiger hält es mit Frank Beckenbauer: "Der HSV braucht einen Zauberer als Trainer."