Janne Meyer und Carsten-Otto Nagel haben als Zweite im Nationenpreis gute Chancen zur EM-Nominierung . Sonntag nun der Große Preis von Aachen

Schenefeld/Wedel. Otto Becker lässt sich nicht unter Druck setzen. "Ich leide keine zeitliche Not", antwortete der Chef-Bundestrainer aus Sendenhorst am Tag nach dem Nationenpreis beim CHIO-Reitturnier in Aachen auf die Frage, welche Springreiter denn für die Europameisterschaften in Madrid (13. bis 18. September) in Frage kämen.

Spätestens am 14. August muss Otto Becker dem Springausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) in Warendorf eine Vorschlagsliste mit zehn Namen vorlegen. Welche fünf Reiter/-innen letztendlich nach Spanien fliegen werden, entscheidet der DOKR-Springausschuss dann bis zum 1. September.

"Es gibt zur Zeit sieben heiße Favoriten", sagte Pressechef Dr. Dennis Peiler von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN): Auf der Topliste des Bundestrainers, das ist keine Überraschung, stehen Vize-Europameister Carsten-Otto Nagel (Wedel) und Janne Friederike Meyer (Schenefeld) weit oben. Die Mannschafts-Weltmeister von Lexington/Kentucky 2010 demonstrierten beim Nationenpreis am späten Donnerstagabend in Aachen, dass ihre Pferde offensichtlich in glänzender Verfassung sind.

Der 48 Jahre alte Pferdewirtschaftsmeister vom Stall Moorhof war in einem Weltklassefeld aus acht Nationen mit seiner bewährten Schimmelstute Corradina einer von zwei Reitern, die in beiden Umläufen fehlerfrei blieben. Das hätte Janne Meyer (30) mit ihrem Paradepferd Cellagon Lambrasco um ein Haar auch geschafft, doch beim letzten Hindernis im zweiten Umlauf fiel eine Stange. Weltcupsieger Christian Ahlmann (Marl) mit Taloubet und Ludgar Beerbaum (Riesenbeck) mit Gotha patzten mehrfach, und die deutsche Equipe musste sich hinter Holland schließlich mit dem zweiten Platz zufrieden geben.

"Über den Fehler ärgere ich mich natürlich schon ein bisschen, aber das war auf jeden Fall eine super Runde für uns. Vielleicht hätte ich zum letzten Sprung einmal umdenken müssen und nicht wieder sieben Galoppsprünge reiten dürfen, denn Lambrasco war eigentlich etwas griffiger als zuvor", erklärte die Schenefelderin vor den laufenden Kameras des Westdeutschen Fernsehens (WDR).

Immer dieser verflixte Oxer, mag sie gedacht haben. Bundestrainer Becker hatte Janne Meyer kurz vor dem Start auf dem Abreiteplatz noch auf dieses mächtige Hindernis am Ende des Parcours aufmerksam gemacht. "Leider macht Lambrasco manchmal nicht, was seine Reiterin will", scherzte Otto Becker schon nach dem ersten Umlauf. Wenig später lobte er die Schenefelder Amazone, von der er große Stücke hält: "Janne reitet stets nach Gefühl, sie hat heute erneut zwei sehr gute Runden geritten."

Das schaffte auch Carsten-Otto Nagel, dem die EM-Fahrkarte schon so gut wie sicher sein dürfte. Und als er im zweiten Umlauf über die Ziellinie galoppierte, vergaß der Vize-Europameister sogar die Contenance. Er nahm den Helm ab, schwenkte ihn über seinen Kopf und lächelte hinüber zu den Zuschauern auf der Tribüne. "Es hat mit Corradina großen Spaß gemacht", erklärte Nagel hinterher. "Ich habe gemerkt, dass die Stute auf keinen Fall einen Fehler machen wollte. Ich war mir schon zu einem frühen Zeitpunkt sicher, dass wir das Ding nach Hause bringen würden."

Janne Meyer ("Ich kann gut mit großem Druck umgehen"), ärgerte sich nicht lange über den Patzer am Oxer. Sie dachte bereits an die nächste große Aufgabe. Am Sonntag um 15 Uhr wird im Reiterstadion von Aachen vor sicherlich erneut 40 000 Besuchern der "Große Preis" gestartet. Diese Prüfung ist ein weiteres Sichtungsspringen für die Europameisterschaft in Madrid.

Janne Meyer und Carsten-Otto Nagel können sich nicht sicher fühlen: Die Mitbewerber Marco Kutscher, Marcus Ehning, Philipp Weißhaupt, Ludger Beerbaum und Christian Ahlmann werden alles tun, um ihnen das Ticket für die Europameisterschaft streitig zu machen.