Wie der frühere Problemfußballer Berkan Algan die Probleme mit den Spielern des Abstiegskandidaten TSV Wedel in den Griff bekommt

Wedel. Zuerst ist da das freundliche Lächeln. Dann der Blick auf die Uhr. "15 Minuten zu spät. Bei mir in der Mannschaft wären Sie jetzt draußen." Dann wieder dieses gewinnende Lächeln. Einen Witz allerdings hat Berkan Algan nicht gemacht. Jedenfalls nicht richtig. Verbindlich und freundlich knallharte Wahrheiten verkünden, das ist sozusagen sein Markenzeichen. Nein, es ist mehr, ein bestimmender Teil seiner Persönlichkeit.

Im Hamburger Fußball ist Berkan Algan seit mehr als einem Jahrzehnt ein populärer Name, als Spieler anerkannt und respektiert, und doch oft auch Albtraum für seine Trainer. Als Spieler und als Trainer ist der 34-Jährige beim TSV Wedel gerade dabei, für ganz neuen Gesprächsstoff zu sorgen. Und der ist wohl am treffsichersten mit "die wundersame Auferstehung des TSV Wedel" zu beschreiben.

Nach der Winterpause, als Wedels Trainer Frank Pagenkopf die Brocken hinschmiss, übernahmen Co-Trainer Fabian Seeger und Berkan Algan als Spielertrainer das Kommando. Wedel war mit dürftigsten acht Pünktchen Tabellenletzter und Abstiegskandidat Nummer eins. Unter der neuen Führung hat die Mannschaft drei Siege gefeiert und zweimal unentschieden gespielt, hinterließ dabei vor allem beim 1:1 gegen den einsamen Tabellenführer FC St. Pauli II einen starken Eindruck. Unter den Fans ist jetzt immer häufiger zu hören: "Was hat dieser Algan nur aus dieser Truppe gemacht?" Und wie vor allem? "Bei unserer ersten Mannschaftssitzung habe ich ein einziges Wort groß und dick auf die Tafel geschrieben", sagt der schlanke Mann mit dem kurzen Haar und dem T-Shirt mit kurzen Ärmeln. "Respekt ist für mich das Wichtigste in einem Team. Ohne Respekt voreinander geht gar nichts."

Wir sitzen beim Frühstück in seiner "Sports Bar" in der Bahrenfelder Straße im Herzen von Altona. Hier ist Berkan Algan geboren und aufgewachsen. Ein paar hundert Meter um die Ecke hat der Vater einen Friseur-Salon. Und oben beim FC St. Pauli am Millerntor, da hat er als kleiner Jungen angefangen und insgesamt 18 Jahre Fußball gespielt.

Aber zurück zu Wedel und der häufig gestellten Frage: Wie hat er diese völlig verunsicherte Mannschaft aus dem Tief herausgeholt, wie den Spielern ihr Selbstvertrauen zurückgegeben? Die Antwort kommt, wie häufig bei Berkan Algan, grundsätzlich und tiefgründiger. "Wie so eine Gemeinschaft von teilweise recht gegensätzlichen Jungen funktioniert, vergleiche ich gerne mit Fischen. Die haben auch feste Grenzen im Revier. Bei mir gibt es Grundsätze, die sozusagen die rote Markierung bilden. Wer die überschreitet, ist draußen, ohne Wenn und Aber. Dann gibt es die gelbe Linie. Eigentlich darf auch die nicht überschritten werden, wenn doch, lässt sich das aber noch korrigieren. Und dann gibt es das grüne Feld, hier haben meine Spieler fast alle Freiheiten." Und was wäre denn so ein Schritt zuviel, sagen wir über die gelbe Grenze?

"Eine Viertelstunde zu spät zum Training kommen, beispielsweise", sagt Berkan Algan und lacht diesmal nicht. "Derjenige sitzt beim nächsten Spiel auf der Bank." Bei all dieser Konsequenz, im Ton bleibt der lautstarke und ehrgeizige Mann fast immer verbindlich. "Ich mag andere Menschen nicht kränken. Wenn ich jemandem etwas Unangenehmes sagen muss, versuche ich, auf ihn zuzugehen und manchmal mit einem Scherz abzudämpfen. Wenn einer einen Fehler macht, darf es keine Kritik geben, nicht auf dem Platz jedenfalls".

Warum ist er dann als Spieler immer wieder mit Trainern aneinander geraten? "Weil ich zu oft für das Team gedacht und opponiert habe, das brachte mir die Probleme ein. Es gibt viele Trainer, die mögen es nun einmal nicht, wenn sie Kritik eines Spielers hören." Die Frage indes, ob er heute selbst Kritik vertragen kann, umdribbelt er geschickter als drei Gegner: "Ich gebe denen ja keinen Grund, mich zu kritisieren." Berkan Algan übrigens war, als er mit 19 Jahren einen Profivertrag beim 1. FC Köln unterschrieb, als er in der Türkei und in Finnland (dort wurde er Meister) sein Geld verdiente, seinen Weg ganz alleine gegangen. "In Wedel müssen heute die größten Schlitzohren und Schnarchnasen erkennen", sagt Berkan Algan und grinst, "dass ihr Trainer ein größeres Schlitzohr ist."

Trotz fünf Spielen ohne Niederlage unter seiner Regie: Von einem will Berkan Algan noch immer nichts wissen: "Ob wir die Klasse halten, das ist nicht mein, das ist nicht unser Thema. Für mich ist entscheidend, dass ich bei jedem einzelnen wieder Feuer spüre und dass die Freude am Fußball wieder zurückkommt. Aber natürlich, der Erfolg und die Freude sind ja Geschwister. Die gehören nun einmal zusammen."

Und was wäre für den leidenschaftlichen Fußballer Berkan Algan, der als Spielertrainer jetzt auch die ganze Verantwortung hat, am Ende die größte Freude? "Wenn ich einen meiner Jungen in der Bundesliga erleben dürfte. Dann würde ich still für mich lächeln."