VfL-Trainer Michael Fischer im Streitgespräch mit zwei seiner jugendlichen Hoffnungsträger.

Zurzeit muss man wirklich niemandem erklären, welche Rolle der Fußball auf unserem blauen Planeten spielt. Kein anderes Thema kann uns Erdenbewohner so eng zusammenrücken lassen und so gleichermaßen in seinen Bann ziehen. Oder kennen Sie im Moment einen Platz, an dem sich Menschen treffen und nicht irgendwie und irgendwann auf die Weltmeisterschaft und auf unsere Jungs zu sprechen kommen? Dabei sind Poldi, Schweini und Özi auch immer Repräsentanten der jungen Generation. Und es sind nicht nur die Alten, die Vergleiche ziehen zu Breitner und Beckenbauer und manchmal auch noch zu Fritz Walter und Helmut Rahn.

Wie ist sie denn nun eigentlich, diese junge Fußball-Generation? Verwöhnter? Fordernder? Labiler? Egoistischer? Verweichlichter? Wir haben uns an der Basis umgehört.

Ein Gespräch mit Michael Fischer, 42 Jahre, Trainer des VfL Pinneberg und als Spieler einst ein Kämpfer und Haudegen, und zweien seiner jungen Talente. Stammspieler Sören Badermann, 23 Jahre, nach einer Ausbildung als Kfz-Mechatroniker wieder Realschüler und Gymnasiast Jan Eggers, 19, Newcomer im VfL-Team der vergangenen Saison.

Hamburger Abendblatt:

Heiko Barthel, mit 36 Jahren der Senior in Eurer Gemeinschaft, hat an seinem Hochzeitstag seiner frisch Vermählten kurz "bis gleich" gesagt und für Wedel Fußball gespielt . . .

Sören Badermann:

. . . dafür liebe ich ihn (lacht), dafür hat er einen Platz in meiner ewigen Bestenliste.

Die Frage ist aber, würdet Ihr das auch machen?

Nein, nein. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Jan Eggers:

Ich auch nicht. Obwohl, wenn es um den Aufstieg ging, um was Entscheidendes - vielleicht doch.

Fußball am Hochzeitstag ist natürlich extrem. Andererseits, jeder Trainer schimpft und klagt doch heute, weil jungen Spielern der Urlaub oder selbst die Geburtstagsfete eines Freundes wichtiger als der Fußball ist.

Jan:

Ich habe jedenfalls an meinem Geburtstag gespielt.

Der Kern der Frage ist doch, mit welcher Leidenschaft und Einsatz seid Ihr noch dabei?

Sören:

Fußballverrückt sind wir noch genauso wie "Fischi" und seine Generation. Ich habe Probleme mit Verletzungen, aber ich denke nicht daran, deshalb die Luft aus dem Ball zu lassen.

Jan:

Ich bin da genauso heiß und verrückt darauf wie mein Vater. Wenn wir beide zu Hause Fußball gucken, dann jagen wir die Mutter aus dem Zimmer, damit sie nicht nervt.

Michael Fischer:

Aber ich muss mich heute mit Spielern herumplagen, die den Treffpunkt verpassen, weil sie nicht einmal wissen, ob wir ein Heim- oder ein Auswärtsspiel haben. Wenn bei uns um 1.30 Uhr Treffen war, liefen sich eine halbe Stunde vorher schon alle warm. Und wir wussten alles über unseren Gegenspieler. Heute erlebe ich, das einer nicht einmal mehr weiß, wer unser Gegner vom letzten Sonntag war

Sören:

Klar, wir sehen das alles viel lockerer, auch das mit der deutschen Pünktlichkeit. So auf den Punkt diszipliniert zu sein, das wird in der Schule und auch sonst nicht mehr von uns gefordert.

Kennst Du Deinen Gegenspieler?

Sören:

Nein. Ich informiere mich vorher auch nicht über ihn.

Elf Freunde müsst ihr sein! - auf diese Art wurde Deutschland 1954 erstmals Weltmeister. Sagt Euch das noch etwas?

Sören:

Bei unserer Ausfahrt zum Saison-Abschluss, da waren wir alle auf einem Punkt. In der Disco, beim Essen, beim Rumhängen, da war dieses unglaubliche Zusammengehörigkeits-Gefühl. Das war wunderschön. Daran werde ich mich in meinem Leben immer erinnern. Wohl auch, weil ich das das allererste Mal im Fußball erlebt habe.

Nach dem Spiel zusammensitzen, trinken und singen, davon können die Alten Romane erzählen . . .

Fischer:

. . . bei Rasensport Elmshorn kam es gar nicht so selten vor, dass Trainer Eugen Igel sich hinterher ein Hotelzimmer nahm, weil er in dem lustigen Zustand nicht mit dem Auto nach Hamburg fahren wollte.

Jan:

Wir planen meist zwei, drei Wochen vorher, wenn wir nach einem Spiel zusammen zum Hans-Albers-Platz auf St. Pauli ziehen. Dort trifft sich meist die halbe Hamburger Landes- und Oberliga.

Aber zurück auf den Platz. Die häufigste, sicher auch die pauschalste Kritik der Alten an den Jungen: Sie sind nicht hart und nicht zäh genug. Sie wollen Spaß aber dabei ist der Kampfgeist, der absolute Siegeswille auf der Strecke geblieben. Seid ihr Weicheier geworden?

Sören:

Ich habe auch keinen Bock, vom Gegenspieler verarscht zu werden. Aber ich muss auch eingestehen, wir Jungen setzen in Zweikämpfen oft doch nicht so hart nach wie die Alten, zum Beispiel Dobirr oder Hellmann.

Fischer:

Das ist mein größter Kritikpunkt an dieser Generation: Sie ist viel zu verwöhnt und den Spielern fehlt auf dem Platz die Aggressivität. Unser Thomas Koster beispielsweise, der lächelt immer, egal was passiert. Locker sein und Spaß haben, okay, aber am Ende siegt im Fußball nur, wer sich in den Zweikämpfen durchsetzt und wer dem Gegner den Schneid abkauft. In der neuen Saison will ich erleben, dass die Jungs auch mal mit Schürfwunden vom Platz kommen.

Sören:

Ich denke auch manchmal, dass unsere Generation vielleicht zu angepasst und brav ist.