Sportler können die Plätze auch im Winter nutzen, doch die Finanzierung bleibt für die Vereine und Gemeinden noch immer ein Problem.

Pinneberg. Jeder Sonnenstrahl gestern bereitete Konrad Kosmalla Freude. Der stellvertretende Fußball-Abteilungsleiter des VfL Pinneberg, 66, darf darauf hoffen, dass die blau-roten Oberliga-Kicker morgen um 15 Uhr gegen Oststeinbek erstmals seit dem 20. November 2011 wieder ein Heimspiel bestreiten. "Unser Grün im Stadion I ist ein Fall für sich. Wenn es regnet, muss man Angst haben, dass die Spiele ausfallen", sagt Kosmalla. "Hätten wir doch einen Kunstrasen", klagen die Kicker.

Wettbewerbsverzerrung wird bei Fußballern immer mehr zum Thema

Die Rede ist von Wettbewerbsverzerrung. Rund 40 Vereine konnten auf 34 Plätzen im Bereich des Hamburger Verbandes während der kalten und auch während der verregneten Tage regelmäßig trainieren. Nur wenn es kräftig schneit, werden auch die Teppiche mit den synthetischen Fasern für den Trainings- und Spielbetrieb gesperrt. Der Rest schaute in die Röhre und startete entsprechend unvorbereitet in die Punktrunde. "Es ist ein Unding", wettert Oliver Berndt, Trainer des Wedeler TSV (Landesliga). "Wir konnten gerade mal drei Testspiele absolvieren." Als der Anpfiff vor drei Wochen wieder ertönte, mussten die Wedeler gleich gegen zwei Gegner ran, die einen Kunstrasen haben. Sie holten in dieser Zeit lediglich einen Punkt.

"Wir haben zwar jede Menge Spiele absolviert. Aber wir konnten nur stark eingeschränkt trainieren, keine Mechanismen vertiefen und auch nicht neue Spielzüge einstudieren", stellte Bert Ehm, Coach des FC Elmshorn fest. War es nun Zufall, dass der Landesliga-Tabellenführer auf dem Kunstrasen des HSV III seine zweite Saisonniederlage bezog? Ehm: "So ein Spielfeld bei uns in Elmshorn, das wäre zu schön."

+++ Hamburger Verband lässt nur Partien auf Kunstrasen zu +++

Die neidischen Blicke der Pinneberger, Wedeler und Elmshorner Sportler gehen aber nicht nur gen Hamburg. Auch in den Nachbarkommunen (Quickborn, Ellerau) gibt es Kunstrasenplätze, weitere entstehen. Zum Beispiel in Tornesch und Schenefeld. Sogar am Roten Felsen mitten in der Nordsee verfügt der Helgoländer Inselclub VfL Fosite über ein solches Allwetterspielfeld. "Grundsätzlich braucht eine Stadt wie Pinneberg einen Kunstrasenplatz", sagt Jan Gawryluk, Werkleiter des KSP, Kommunaler Servicebetrieb Pinneberg, der sich um die Pflege öffentlicher Grün- und Sportanlagen kümmert.

Gawryluk kennt sich aus, hatte er sich doch beruflich lange mit dem Sportplatzbau beschäftigt. Der KSP-Chef verweist aber auch auf die hohen Baukosten, und darauf, dass auch ein Kunstrasenplatz regelmäßig von Fachfirmen gepflegt werden müsse. "Ein solcher Platz rechnet sich dann, wenn er von einer sehr großen Zahl von Sportlern genutzt wird. Er ersetzt theoretisch drei Naturrasenplätze, die wechselweise geschont werden müssen", sagt der Fachmann. "Die jetzigen Sportplätze in Pinneberg sind schon sehr ausgebucht", sagt Klaus Stieghorst, Leiter des Fachbereichs Bauen und Stadtentwicklung bei der Stadt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vereine zu Gunsten eines einzigen Kunstrasenplatzes auf ihre bisherigen Spielflächen verzichten würden." Alle bisherigen Pläne, in Pinneberg einen Kunstrasenplatz zu bauen (in der vierten Generation rund 340.000 Euro), sind laut Stieghorst am Geld gescheitert. Angesichts der weiter steigenden Schulden der Kreisstadt sagt der Bauamtschef: "Ein Verein, der einen solchen Platz fordert, muss das Geld selbst mitbringen."

Wirtschaftlichkeit eines Kunstrasens könnte der Schlüssel zum Bau sein

Diese Einschätzung bestätigen die Aussagen der Politik. Gerhard Thomssen (SPD) sagt: "Wenn uns die Vereine ein Modell präsentieren, bei dem die Stadt nicht über Gebühr beteiligt wird, können wir darüber reden." Und CDU-Fraktionschef Michael Lorenz sagt: "Wir überlegen im Moment, wie wir dem finanziellen Rettungsschirm des Landes beitreten können. Da müssen wir ganz genau prüfen, was noch geht." Wenn sich aber nachweisen ließe, dass ein Kunstrasenplatz wirtschaftlicher sei als die pflegeintensiven Rasenplätze, könnte dies durchaus eine Option sein, kündigt Lorenz an. Diese positive Kosten-Nutzen-Relation müsse aber gewährleistet sein, betont Thomssen. Die Debatte sei im Übrigen nicht neu. Die Politik hätte sich schon monatelang mit diesem Thema beschäftigt. Traudchen Perrefort, Fachbereichsleiterin für Schule, Jugend und Sport in der Pinneberger Stadtverwaltung, kündigt an: "Die Verwaltung wird jetzt eine Kostenaufstellung machen und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anstellen und sie dann der Politik präsentieren."

Wie sich so etwas finanzieren lassen könnte, zeigt Hans Jürgen Stammer, Vorsitzender der SV Halstenbek-Rellingen, auf. Er verfolgt die Diskussionen mit gequältem Gesicht. Zu gerne würde er einen Teil des riesigen HR-Areals veräußern und vom Gewinn einen Kunstrasenplatz auf Vereinskosten finanzieren. Doch das Grundstück am Thesdorfer Weg ist zu seinem Unverständnis nicht als Bauland ausgewiesen.

Expandieren, so heißt das Motto für den Tornescher Bürgermeister Roland Krügel. Der setzt sich nicht nur für das Entstehen von rund 1250 Neubauwohnungen in der stark wachsenden Gemeinde ein, er fördert auch den Sport. Im Gewerbegebiet gegenüber des Lindenwegs entsteht eine neue Sportplatzanlage mit einem Rasen- und zwei Kunstrasenplätzen. Die Kosten werden zum großen Teil aus dem Verkauf des alten Sportplatz-Grundstücks an der Klaus-Groth-Schule gedeckt. Krügel: "Kunstrasenanlagen gehören die Zukunft. Vor allem unser Nachwuchs und die Fußball-Frauen würden in den Wintermonaten beste Alternativen für Training und Wettbewerb bekommen."