Der Rellinger, Pressesprecher in der Fußballabteilung des SC Egenbüttel, organisiert seit Februar American Football im Knast der westfälischen Stadt Herford - das Echo ist groß. Ein Bericht von Wolfgang Helm.

Absender: die Justizvollzugsanstalt in Herford. Energisch stapft Ute Hinz die Treppe zum Arbeitszimmer hoch und hält dem Ehemann den Brief mit dem unheilvollen Stempelaufdruck unter die Nase: "Claus, was hast du jetzt schon wieder angestellt?"

Das war im Februar dieses Jahres, nachdem Claus Hinz zuvor innerhalb eines kurzen Zeitraums zweimal im Straßenverkehr geblitzt worden war und sich entsprechende Bußgeldbescheide in seinem Briefkasten angefunden hatten. Am 25. Oktober wanderte der Rellinger dann tatsächlich ein und sah die sechs Meter hohen Gefängnismauern der nordrhein-westfälischen Stadt mit ihren 67 000 Einwohnern von innen.

Natürlich nicht, weil er in Hamburg nur geringfügig gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hatte. Vielmehr ist er maßgeblich an einem ungewöhnlichen Projekt beteiligt, das zur Resozialisierung der Herforder Strafgefangenen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren beitragen soll. "American Football im Knast" sagt Claus Hinz kurz und bündig dazu.

Genau darum ging es in dem Schreiben, das die Gattin zunächst aufschreckte. Hinz wurde gebeten, seine Kompetenz bei der Gründung eines Football-Teams der zumeist schweren Jungs einzubringen, verbunden mit einer Einladung nach Herford zum Arbeitskreis, der die Aufgaben verteilte. Mit seinem Netzwerk an deutschlandweiten Kontakten besorgte er den Straftätern bekannte Football-Trainer wie André Schleemann (Kiel Baltic Hurricanes) zum Einstudieren der Spielzüge. Er schickte Schiedsrichter für die Regelkunde hinter schwedische Gardinen und fand einen Sponsor in Berlin, der das Projekt unterstützt. Und er war Ehrengast mit allen Freiheiten, als die Herforder Black Devils ihr erstes Spiel gegen die Rheine Raptors aus der Landesliga austrugen (19:12).

"Ohne dich wären wir jetzt nicht da, wo wir heute stehen", gaben die Gastgeber dem Besucher mit auf den Weg. "Ist ja toll, dass du dich für die Täter engagierst. Und wo bleiben denn die Opfer?", wird der frühere leitende Angestellte einer Bausparkasse im privaten Umfeld häufiger mal gefragt.

Auszug aus einer Radioreportage des Westdeutschen Rundfunks. "Für mich ist dieser Sport ein Weg zur Integration", erklärt Latif (23), der wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung seit über einem Jahr "sitzt". Nach seiner Freilassung will er versuchen, "draußen" in einem Team unterzukommen, "das wäre gut für mich." "Teamgeist und Selbstbewusstsein werden gefördert.

Beim American Football findet jeder Spielertyp im Gegensatz zu anderen Sportarten seinen Platz. Und man begreift vor allem auch, dass man sich an Regeln halten muss", erklärt Team-Pädagogin Stefanie Köhl. "Unsere Insassen lernen eine vernünftige Freizeitbeschäftigung, um so auch später in ein festes soziales Umfeld eingebettet zu sein", stellt Anstaltsleiter Friedrich Waldmann fest. "Jeder Täter weniger ist auch mindestens ein Opfer weniger" - das ist das Argument, das Claus Hinz vorbringt.

Dabei kennt man den 61 Jahre alten Pensionär eigentlich als Pressesprecher der Landesliga-Fußballer des SC Egenbüttel, der während der Punktspiele fleißig mit dem Fotoapparat hantiert und auch den Internet-Auftritt des Vereins gestaltet. Früher selbst beim TSV Langenhorn und in der Egenbütteler Altherren-Mannschaft aktiv, entdeckte Hinz seine Liebe zur ovalen Pille erst 1996, als ihn Tochter Martina einmal zu einer Begegnung der Hamburger Blue Devils entführte.

Seine Begeisterung für American Football führte dann sogar dazu, dass er im Jahre 2003 gemeinsam mit seinem zuvor bei den Elmshorn Fighting Pirates engagierten Freund Bernd Huckfeldt in Norderstedt die Nordic Wolves ins Leben rief: "Da hatten wir in der ersten Saison im Durchschnitt 2000 Zuschauer im Stadion."

Als Betreiber der nicht auf Profit ausgerichteten Online-Magazine Nordfootball.de und German-Football.net machte sich Claus Hinz einen Namen, weit über die Stadtgrenzen von Herford hinaus. Und er würde seine Kenntnisse und seine Kontakte gerne auch in Schleswig-Holstein zur Verfügung stellen, nachdem in Nordrhein-Westfalen längst das Justizministerium des Landes seine Aktivitäten unterstützt.

Wie wäre es zum Beispiel mit Post von der Jugendvollzugsanstalt Neumünster, auf die Gefahr hin, dass sich Ute Hinz schon wieder erschrickt? "Ich bin bereit, aber man muss es dort auch wollen."