Für den 17-Jährigen haben sich die Strapazen gelohnt - auch wenn er jetzt in der Schule vieles nachholen muss.

Quickborn. Es war das - vorerst - letzte Mal, dass Christian Birmele überrascht und leicht verlegen war. Mit der Sporttasche über der Schulter hatte er, wie seit so vielen Jahren, die Tür zur Sporthalle der Goethe-Schule in Quickborn aufgestoßen, da brach der Jubel los. Mit Rufen und Pfiffen, Trampeln und Klatschen hießen die Ju-Jutsu-Sportler des TuS Holstein ihren neuen Weltmeister willkommen. Danach nahm der 17-Jährige das Training wieder auf - die Rückkehr in den Alltag nach dem Triumph von Athen.

Die dort ausgetragene Junioren-Weltmeisterschaft war für das ehrgeizige Ju-Jutsu-Talent des TuS Holstein seit zwei Jahren der entscheidende sportliche Antrieb. Damals hatte der Schüler mit seinem Trainer John Darboven das Ziel abgesteckt: "Ich will in den Bundeskader. Und dann will ich mich für die Weltmeisterschaft qualifizieren." Es ist ein Jahr her, dass Christian in den Bundeskader berufen wurde. Für die WM in Griechenland hatte er sich im Sommer qualifiziert, genau wie die erst 15-jährige Sandy Krohn, das zweite herausragende Quickborner Talent. Um optimal trainieren zu können, haben die TuS-Wettkämpfer eine Zweitmitgliedschaft bei der Kampfsport-Schule Kodokan in Norderstedt. Von dort hatten ebenfalls noch ein Mädchen und ein Junge ihren großen internationalen Auftritt in der ehemaligen Olympia-Halle in Athen.

Sandy Krohn allerdings hatte einsehen müssen, dass sie gegen meist zwei Jahre ältere Gegnerinnen international noch keine Chance hat. Sie verlor zwei Kämpfe und war damit aus dem Rennen. Christian Birmele, der bereits als Sechsjähriger seine Begeisterung für Ju-Jutsu entwickelte, trat bei seiner ersten Weltmeisterschaft recht cool und selbstsicher auf. Mutter Christiane allerdings war als Zuschauerin so leidenschaftlich mit dabei, dass ihre Stimmbänder noch Tage später streikten.

Nach drei Siegen stand ihr Sohn im Finale Marius Lixandru aus Rumänien gegenüber. Der Bundestrainer hatte den Gegner analysiert. Ein Kämpfer, wild und ungestüm. "Bleib cool, warte ab, lass ihn angreifen und dann konterst du ihn aus' - diese Taktik hatte er mir mitgegeben", erzählt Christian. "Und diese Taktik ist voll aufgegangen."

Der Junioren-Weltmeister 2009 in der Gewichtsklasse bis 73 Kilogramm heißt Christian Birmele, und der in der Klasse bis 81 Kilogramm ist Timm Weidenbücher, sein Trainingspartner und Freund aus Norderstedt.

Es war übrigens fast Mitternacht, als die mit zwei Goldmedaillen geschmückte kleine Kampfgruppe in Fuhlsbüttel landete. "Ich hatte meine Freundin erwartet, vielleicht auch noch ihre Eltern", schildert Christian die große Überraschung bei der Heimkehr. "Als sich die Schiebetür der Ankunftshalle öffnete, standen mehr als 30 Leute da. Sie haben die Deutschland-Fahne geschwenkt und ihr Jubel hat die Umstehenden neugierig gemacht. Irgendwie erlebt man das alles wie in einem Nebel."

Auch den improvisierten Empfang am Tag darauf: Unter einem Vorwand waren die jungen WM-Reisenden ins Gebäude der Feuerwehr in Quickborn gelotst worden. Als sie eintraten, brandeten auch hier Hochrufe auf. Freunde, Verwandte, Nachbarn, Vereinsmitglieder, aber auch Quickborns Bürgervorsteher Bernd Kleinhapel und Bürgermeister Thomas Köppl hatten sich eingefunden, um ihren Junioren-Weltmeister und WM-Teilnehmerin Sandy Krohn zu beglückwünschen und zu feiern.

"Ich habe ein paar Tage gebraucht, ehe ich mir wirklich klar darüber war, dass ich jetzt Weltmeister bin", versucht Christian Birmele, in das normale Leben zurückzufinden. "Vor allem muss ich jetzt nachholen, was ich bei Vorbereitungslehrgängen und während der WM im Unterricht versäumt habe", sagt der Junge, der die Julius-Leber-Schule in Schnelsen besucht. Für seinen ersten internationalen Titel hatte er in den vergangenen Monaten sieben Tage pro Woche jeweils zwei Stunden lang trainiert.