Julia Gebauer, Anika Carstensen und Anna Csiszar bestreiten in Karlsruhe den zweiten von vier Wettkämpfen für die 1. Bundesliga.

Wedel

Von Wedel und Hamburg aus hat sich heute, am Freitagmorgen, eine kleine, verschworene Gemeinschaft junger Sportlerinnen auf den Weg gemacht, um (vielleicht) etwas Großartiges zu vollbringen. Mit Kleinbus und Privatautos sind die besten Kunstturnerinnen des TSV Wedel und der Hamburger Turnerschaft von 1816 nach Karlsruhe aufgebrochen. Dort bestreiten sie morgen ihren zweiten Wettkampf in der 2. Bundesliga. Und wenn sie wieder so selbstbewusst auftreten wie bei ihrem ersten Wettkampf, dann könnte ihnen ein entscheidender Schritt in Richtung Eliteklasse gelingen. Vom TSV mit dabei: Julia Gebauer, Anika Carstensen und Anna Csiszar.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten haben Wedels Turnerinnen einen Trainer, der noch immer voller Enthusiasmus und Leidenschaft für das Kunstturnen ist. Rainer Junge, ein Idealist mit ergrautem Haar. Und Reiner Junge weiß: "Ich kann die kleinen Mädchen für diesen schwierigen Sport vor allem begeistern, wenn sie im eigenen Verein Vorbilder haben." Deshalb haben der Wedeler Cheftrainer und sein Team über all die Jahre hinweg und trotz Rückschlägen und Widerständen immer daran festgehalten, eine leistungsstarke Riege für die Wettkämpfe anzumelden.

Inzwischen haben sich die Wedeler mit den Kunstturnerinnen der HT 16 und deren Trainer Alex Palnau zusammengetan. Die gemeinsame Riege der beiden Klubs startet in der zweiten Bundesliga. Und diese bereitete ihren Trainern und Anhängern schon beim ersten Auftritt Freude.

Um dem Kunstturnen der Frauen wieder eine attraktivere Bühne zu verschaffen, treten die Mannschaften der ersten und zweiten Bundesliga immer am selben Tag in derselben Halle zu ihren Wettkämpfen an. Am nächsten Tag folgen auch noch die Regionalliga-Teams.

Wie an diesem Wochenende in Karlsruhe waren die leistungsstärksten Frauen-Riegen (32 insgesamt) bei ihrem ersten Saisonwettbewerb in Wedel zu Gast. Die Turnfreunde in Wedel und Hamburg hat das gefreut. Die Halle war an beiden Wettkampftagen fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Meist still und atemlos verfolgte das Publikum die schwierigsten und mutigsten Übungen der deutschen Spitzenturnerinnen - und immer wieder brach frenetischer Beifall aus.

Für die größte Überraschung sorgten die Gemeinschaft der Wedeler- und HT 16-Turnerinnen selbst. Am Ende erkämpften sie sich den zweiten Platz unter den acht Teams. Gesiegt hat die Riege der TG Frankfurt

"Aber seit diesem Erfolg werden wir als Mitfavoriten für den Aufstieg in die erste Bundesliga gehandelt", berichtete Rainer Junge. "Was die Reisekosten beträfe, wäre der Aufwand ja derselbe wie auch in der 2. Bundesliga", wagt er schon einmal einen Blick nach ganz oben. "Aber wir müssten sicher noch eine starke Turnerin, wahrscheinlich auch aus dem Ausland, verpflichten."

So wie jetzt schon Anna Csiszar, Wedels überragende Kunstturnerin. Die 17-Jährige kommt aus Budapest und ist ungarische Meisterin im Sprung und Bodenturnen. "Ich kenne Annas Eltern und ich kenne vor allem ihren langjährigen Trainer", schildert Rainer Junge, wie er das temperamentvolle Turnjuwel für seine Riege verpflichten konnte. Das Mädchen lebt übrigens zur Zeit als Austausch-Schülerin in Viborg in Dänemark - nicht zuletzt weil ihr Trainer aus Budapest dort im Leistungszentrum beschäftigt ist. Rainer Junge hat gestern mit seinem Privatwagen die 400 Kilometer nach Midtjylland zurückgelegt, seinen kleinen Star eingeladen und nach Wedel gebracht. Heute sitzt er schon wieder hinter dem Steuer und chauffiert seine Mädchen nach Karlsruhe und sofort am Sonnabend nach dem Wettkampf wieder die 800 Kilometer zurück. So wird der knappe Etat um Übernachtungskosten geschont. "Und wenn Rainer tankt", wissen Wedeler Turnfreunde, "bezahlt er das meist auch noch aus eigener Tasche."

Neben Anna Csiszar gehört zur Wedeler Gruppe der Kunstturn-Gemeinschaft auch noch Anika Carstensen, die in Kiel für das Lehramt studiert und mit 26 Jahren noch eine leidenschaftliche Leistungsturnerin ist. Julia Gebauer, mit 16 Jahren die Jüngste, wurde gerade Landesmeisterin im Vierkampf der Jugend.

"Über viele Jahre hinweg hat Julia vier- und auch fünfmal in der Woche trainiert", erzählte Rainer Junge vor der Abfahrt, "wegen der schulischen Verpflichtungen kommt sie inzwischen nur noch ein- oder zweimal." Aber noch kann sie das fehlende Training durch Talent und Willensstärke kompensieren. Junge: "Mal sehen, ob wir in Karlsruhe wieder für eine Überraschung sorgen können."