Vor dem Start der Fußball-EM verraten Männer und Frauen aus dem Kreis Pinneberg, wie sie die Chancen der deutschen Elf einschätzen.

Auf Augenhöhe

Pinneberg. Achim Hollerieth , zukünftiger Trainer des FC Elmshorn, ist die nächste Zeit mit seinem Umzug von Meppen, wo er als Nachwuchscoach arbeitete, nach Buchholz beschäftigt: "Ich lasse mich dann dort nieder, wo ich einen Fernseher entdecke. Grundsätzlich mag ich Public Viewing."

Der deutschen Mannschaft räumt der frühere Erst- und Zweitliga-Profi, vor allem beim FC St. Pauli ein gefeierter Mann, die Rolle eines Mitfavoriten ein, auf Augenhöhe mit den Niederlanden und Spanien. Geheimtipp ist Gastgeber Polen, das sich von der Euphorie im eigenen Land tragen lassen könnte. Zudem hätten sich die polnischen Nationalspieler wie der Dortmunder Robert Lewandowski im Ausland, vor allem der Bundesliga, erheblich verbessert.

Spanien macht's

Conni Thau hat es im Gefühl: Die Schenefelderin tippt darauf, dass Spanien die Europameisterschaft für sich entscheidet. Grund: "Sie haben eine ganz tolle Vorbereitung gespielt", erklärt die Blau-Weiß-Fachfrau selbstsicher. Allerdings steht sie mit dieser Meinung in ihrem Fußballverrückten Haus alleine da. Ihr Mann Reiner ist bei Blau-Weiß 96 Fußballjugendleiter, ihr Sohn Timm spielt erfolgreich in der Landesliga. Beide stehen voll hinter der deutschen Mannschaft. Aber Thau räumt ein: "Deutschland schafft es ins Halbfinale." Was sich die 44-Jährige von der Europameisterschaft 2012 verspricht? "Spannende Spiele und keine Krawalle im Stadion." Am Sonnabend schaut sie das Spiel in der Disco Ebert's zusammen mit "ihren Männern".

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Franzosen unberechenbar

Deutschland gegen Portugal sieht Hans Jürgen Stammer in den eigenen vier Wänden, das zweite Gruppenspiel gegen die Niederlande mit früheren Weggefährten von Rasensport Elmshorn auf Mallorca, die restliche EM dann wieder zu Hause. "Vielleicht kommt ja mein Nachbar Robert Hermanowicz vorbei, Bier steht jedenfalls kalt." Der Boss der SV Halstenbek-Rellingen und der HR-Verteidiger werden am Ende auf den Turniersieg des deutschen Teams anstoßen - da hat Stammer keinerlei Zweifel: "Gegen Portugal wird es noch holperig, doch wir sind bekannt dafür, uns von Spiel zu Spiel zu steigern." Während man 2000 und 2004 früh scheiterte, habe man jetzt eine ganz andere Qualität im Kader. Unberechenbar sei jedoch Frankreich.

Zum Finale nach Spanien

Bevor er beim SC Rist mit dem Basketballspielen begann, hat Nicolas Oosterman aus Wedel für den SC Cosmos gekickt. Zwischenzeitlich war der Schüler als Aufbauspieler schon international für den DBB im Einsatz, doch für Fußball begeistert er sich immer noch. Bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine freut er sich vor allem auf das Gruppenspiel der DFB-Auswahl gegen die Niederlande, das Heimatland seines Vaters Ed. "Holland scheidet im Halbfinale aus, den Titel holen Deutschland oder Spanien", tippt der Gymnasiast, der dieses Finale gern im schon gebuchten Spanien-Urlaub erleben würde. Zuvor möchte er sich mit Freunden beim Public Viewing, unter anderem auf dem Wedeler Hafenfest am Wochenende in Stimmung bringen.

Schöne Spiele statt Gewalt

Frank Ockens freut sich auf den 1. Juli. Dann wird er im Urlaub auf Gran Canaria weilen und in einem netten Lokal mit Blick auf den Atlantik das Finale der Fußball-Europameisterschaft - "mit deutscher Beteiligung, alles andere macht keinen Sinn" - genießen. Zum ersten deutschen Gruppenspiel gegen Portugal ("3:1 für uns") hat ein Bekannter den Fußball-Koordinator des SV Rugenbergen in seinen Garten eingeladen, danach geht's reihum. Neben Deutschland setzen sich die Niederlande gegen Portugal durch, erreichen ebenso wie Spanien das Halbfinale. Ockens wünscht sich "ein buntes Fußball-Fest, in dem es gelingen muss, den Hooliganismus einzuriegeln. Wir wollen schöne Spiele sehen und keine Gewalt im Umfeld der Stadien."

Holland holt den Titel

Eigentlich schlägt das Herz von Karla Fock für Jürgen Klinsmann. Seinem Nachfolger Jogi Löw und der deutschen Nationalmannschaft drückt die Geschäftsführerin des CDU-Kreisverbandes natürlich auch ganz fest die Daumen - gleichwenn sie fürchtet, dass Holland den Titel holt. "Vor allem Arjen Robben ist besonders motiviert. Außerdem haben die jede Menge Spitzenfußballer." Karla Fock ist leidenschaftliche TV-Guckerin, muss bei der EM aber möglicherweise bei Freunden oder Familienangehörigen aufschlagen, da sie gerade innerhalb Elmshorns umzieht. Wenn möglich, wird sie mit ihrer sieben Jahre alten Nichte gucken, "eine echte Fußball-Expertin, ganz die Tante". Der Schwarm der Nichte soll das deutsche Tor sauber halten: Manuel Neuer.

Polen sind fußballverrückt

In der Brust von Olaf Levin , Handballer beim TSV Ellerbek, schlagen zwei Herzen: Sein Vater ist Deutscher, seine Mutter stammt aus Polen. Für die EM aber legt sich der Linkshänder trotzdem fest: "Europameister wird Deutschland." Dem Co-Gastgeber dagegen traut er nicht allzu viel zu. Fest überzeugt ist der Rückraum- und Außenspieler aber davon, dass die Stimmung hervorragend wird. "Die Polen sind fußballverrückt und werden Party machen." Das Eröffnungsspiel Polen gegen Griechenland will sich Levin heute Abend im Familienkreis "ganz entspannt" zu Hause anschauen, die Partie Deutschland gegen Portugal tags darauf mit seinen Teamkameraden beim Rasenturnier in Nahe (Kreis Segeberg).

Deutschland hat's schwer

Cordula Menge-Braun wird immer dann zum Fußball-Fan, wenn es in den internationalen Wettbewerb geht. "Die deutsche Mannschaft wird es bei der EM nicht leicht haben", sagt die Pinnebergerin. "Die Gegner sind sehr gut, aber ich drücke unseren Jungs natürlich ganz fest die Daumen." Der Tipp der Organisatorin des Weißen Dinners, das am 20. August wieder vor der Landdrostei zelebriert wird: "Holland könnte Europameister werden oder Spanien." Die Spiele der deutschen Mannschaft will Cordula Menge-Braun mit Freunden schauen. "Wir organisieren privat kleine Fußball-Happenings. Public Viewing käme für mich nur in Frage, wenn es vor der Drostei in Pinneberg eine große Leinwand gäbe.

Von England beeindruckt

Die englische Mannschaft hat es Thorsten Gumbrich schwer angetan. „Da sind tolle Kicker dabei, die würde ich bedenkenlos zum 1. FC Quickborn holen“, sagt der Trainer des Bezirksliga- Neulings mit einem Augenzwinkern. Die Schwächen des deutschen Teams in den jüngsten Testspiele sieht er gelassen: „Die anderen haben doch auch ihre Probleme.“ Also: Das gewachsene deutsche Team wird Erster, vor England und Polen, das mindestens das Halbfinale erreicht. Mit Freunden wird es sich Gumbrich, glühender Fan des HSV, vor dem Fernseher gemütlich machen – und mit der Befürchtung, dass es zu Ausschreitungen kommt: Die polnische Hooligan- Szene gilt als die gefährlichste in ganz Europa.

Özil wird der Superstar

Heiko Klemme ist überzeugt davon: Mesut Özil wird der überragende Akteur der EM. „Er weiß, wohin er den Ball spielen muss, noch bevor er ihn hat“, schwärmt der Trainer des VfL Pinneberg II vom Regisseur der deutschen Mannschaft, der bei Real Madrid auch dem portugiesischen Superstar Ronaldo Zubringerdienste leistet. Aus dessen Schatten werde Özil schon im direkten Vergleich heraustreten und den Höhenflug des Adlers einläuten – Titelgewinn. Große taktische Überraschungen verspricht sich Klemme nicht von der EM: „Wer Erfolg haben will, spielt 4-3-2-1, so wie wir in der Bezirksliga.“ Außenseiterchancen hat Russland, das auf Klemme in der Vorbereitung mächtig Eindruck machte.

Vom EM-Fieber angesteckt

Eigentlich hält sich Rellingens Bürgermeisterin Anja Radtke eher mit Radfahren fit, mit Joga und Qigong. Doch während der Fußball-EM lässt auch sie sich ein wenig vom Fan-Fieber anstecken. "Das Endspiel gucke ich auf jeden Fall. Und Europameister wird natürlich Deutschland. Da kann es doch gar keinen Zweifel geben", sagt Radtke. Damit die Mitarbeiter im Rathaus und die Rellinger Politiker auch ja kein Spiel verpassen, beginnen sämtliche Sitzungen in den kommenden drei Wochen besonders früh. Übrigens: Im Toreschießen hat Anja Radtke durchaus Übung, wenn auch nur wenig Erfolg. Bei einem Freundschaftsspiel verlor sie im vergangenen Jahr gegen ihre Halstenbeker Amtskollegin Linda Hoß-Rickmann.

Spannend bis zum Schluss

Mit Freundin Josephine und seinen beiden Hunden hält sich Bo Hansen zurzeit in Hässleholm/Südschweden auf: „Von EM-Fieber ist hier noch nichts zu spüren. Ich bin neugierig, ob sich das noch ändert. In Dänemark, wo wir einen Zwischenstopp gemacht haben, waren die Busse schon mit der Nationalflagge geschmückt.“ Der Stürmer der SV Lieth, der eine Schauspielerkarriere anstrebt und bereits in TV-Produktionen auftauchte, sieht „Deutschland und die üblichen Verdächtigen“ vorn. Dabei könnte es angesichts der Ausgeglichenheit der meisten Teams so spannend werden wie im Landesliga-Abstiegskampf der Klein Nordender, die den Klassenerhalt erst am letzten Spieltag perfekt machten.

DFB-Team scheitert früh

"Leinwand, Grill, Kühlschrank, alles ist da": Für die Fußball-EM stellt Hörspiel-Versandhändler Andreas Wilken seinen Firmenhof zur Verfügung, aber nur den engsten Freunden und den Fußball-Senioren von Blau-Weiß 96. Vom Viertelfinale an aber wird die Stimmung dort womöglich nicht mehr so ausgelassen sein, denn das deutsche Team schafft es nach Ansicht des Schenefelder Fußball-Abteilungsleiters nicht unter die letzten vier. "Leistungsträger wie Schweinsteiger, Klose, Götze oder Mertesacker gehen nicht topfit in dieses Turnier. Früher oder später wird sich das bemerkbar machen." Als Weltmeister falle Spanien die Favoritenrolle zu, nicht zu unterschätzen sei Polen mit drei Dortmundern.