Nach unglaublich packendem Saisonfinale und einem 0:0 in Altona müssen Wedels Fußballer die Oberliga verlassen

Wedel. Abends in der Altonaer Sports-Bar Vivo (italienisch: heiter, am Leben) von Spielertrainer Berkan Algan konnten einige schon wieder lachen. Das war, als die scheidende Physiotherapeutin Margitta Dora nach dem gemeinsamen Abendessen kleine Fotoalben, versehen mit lustigen persönlichen Bemerkungen zur zurückliegenden Saison, unter den Fußballern des TSV Wedel verteilte.

Die Tränen versiegten, getrocknet sind sie noch lange nicht. "Diese Saison ging an die Nieren, das letzte Spiel sowieso", sagte TSV-Macher Walter Zessin, der noch lange nach dem Abpfiff des 0:0 bei Altona 93 versteinert unter dem Tribünendach hocken geblieben war, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, den Rollkragen seiner Sportjacke tief ins Gesicht gezogen, damit niemand die Mundwinkel zucken sah. Abstieg aus der Oberliga, das tut weh.

Altonaer Fans bezeichnen Trainer Berkan Algan als Fußballgott

Spielertrainer Algan, der das Zepter nach miserabler Hinrunde übernommen und das Team auf Kurs gebracht hatte, sank zu Boden und weinte kurze Zeit hemmungslos. Familienangehörige und Freunde richteten ihn wieder auf. Aus der dicht besetzen Fan-Ecke des Altonaer FC 93, für den er zwischen 2005 und 2007 sowie in der Saison 2009/2010 insgesamt 66 Partien bestritt, erklangen Sprechchöre: "Berkan Algan, Fußballgott."

Tröstende Worte fand Abwehrspieler Daniello Cords für Stürmer Müslüm Kayin, der die Chancen am Fließband ungenutzt gelassen hatte: "Solche Tage gibt's im Fußball. Müslüm soll wissen, dass er ein starker Spieler ist." Als dann auch Torjäger Marc-Kemo Kranich zwei sichere Möglichkeiten vergab, hielt es Walter Zessin nicht mehr aus: "Ich beiße gleich in mein Sitzkissen."

Wer nicht dabei gewesen ist, kann es nicht glauben, hält es für Übertreibung. Doch bis zum Seitenwechsel hätten die Wedeler 6:0 gegen die eine Stunde lang desolaten Gastgeber führen können, 2:0 führen müssen. Beim Weg in die Halbzeitpause verharrten alle einen Moment in der Höhe des Sprecherhäuschens und lauschten den Durchsagen von Peter Helmcke: Paloma lag zurück, BU lag zurück.

Das euphorisierte die Wedeler auch für den zweiten Durchgang. Doch der Ball wollte einfach nicht ins Tor, nur in der 70. Minute, doch da stand Mike Appiah abseits. Alle TSV-Sympathisanten beschlich nur noch lähmendes Entsetzen, als der Abpfiff von Schiedsrichter Benjamin Buth aus Göttingen nach 94 Minuten den Oberliga-Abstieg nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz besiegelte. In seiner Trauer empfand Walter Zessin aber auch Stolz: "Diese Mannschaft, so wie sie gekämpft hat, war des TSV Wedel würdig."

Die meisten Spieler aber wird man nie wieder im grün-weißen Trikot sehen. Der zukünftige Trainer Oliver Berndt (44) kündigte an, lediglich drei oder vier ansprechen zu wollen, ob sie für den Neubeginn in der Landesliga zur Verfügung stehen. Ansonsten sei das Konzept konsequent darauf ausgerichtet, eine Mannschaft mit einer Bindung zur Region und zum Verein auf die Beine zu stellen. Dank der Aktivitäten Oliver Berndts, Assistent Ingo Desombre (48) und von Torwarttrainer Andreas Pidde (44) stehen die Wedeler im Gegensatz zum letzten Frühsommer aber schon mit einem Gerüst an Spielern da.

Interessante neue Spieler werden sich beim Trainingsauftakt einfinden

In trockenen Tüchern ist die Verpflichtung von Mario Schacht, Björn Czech, Dominik Lange (SC Egenbüttel), Daniel Struve (SV HR II), Pascal Gertschat, Marc Rutscheit (SV Blankenese), Morritz Janßen, Joshua Giehr (Blau-Weiß 96/A-Junioren), Oliver Firgens (TBS Pinneberg), Emil Ibrahim (Kummerfelder SV), Lambros Theologidis (SV Lurup), Emanuel Duah und Sven Melies (TuS Osdorf).

Mit Duah hatte Berndt während seiner Zeit als Verbandsliga-Coach der SV Halstenbek-Rellingen zusammengearbeitet, Gertschat und Keeper Firgens zählten während der Aufstiegssaison 2008/2009 schon einmal zum TSV-Aufgebot. In absehbarer Zeit hofft Berndt so weit zu sein, dass er beim Trainingsauftakt am 28. Juni 18 bis 20 Spieler um sich versammeln kann. "Aber auch danach werden wir den Markt beobachten und bis zum Ende der Transferperiode am 31. August gewiss noch das eine oder andere Mal zuschlagen", kündigte Walter Zessin an. Plan B für den Fall des Klassenerhalts verstaubt nun in seiner Schublade.