Arbeitsgericht

Betriebsrat gefährdet Betriebsfrieden – und wird aufgelöst

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Burkhard Fuchs
Der Betriebsrat der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) hat nach Meinung des Elmshorner Arbeitsgerichtes in mehreren Punkten gegen den Betriebsfrieden verstoßen. 

Der Betriebsrat der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) hat nach Meinung des Elmshorner Arbeitsgerichtes in mehreren Punkten gegen den Betriebsfrieden verstoßen. 

Foto: Uli Deck / dpa

Warum der Arbeitsgerichtsprozess der Kreisverkehrsgesellschaft Pinneberg mit einer Niederlage für die Arbeitnehmervertretung endete.

Kreis Pinneberg. Bittere Niederlage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn für den Betriebsrat der Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP). Der Vorsitzende Richter der dritten Kammer des Arbeitsgerichts, Sebastian Nohr, entschied jetzt, den siebenköpfigen Betriebsrat des kreiseigenen Linienbusunternehmens aufzulösen. Den Antrag zur Auflösung hätten mehr als ein Viertel der 170 Mitarbeitenden gestellt, er sei damit rechtmäßig, führte der Richter in seiner Begründung aus.

Der Betriebsrat habe in mehreren Punkten gegen den Betriebsfrieden verstoßen. Eine weitere Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat sei deshalb „unzumutbar“, urteilte der Vorsitzende Richter.

Betriebsrat will beraten, ob er zurücktritt oder in Berufung geht

Die betroffene Arbeitnehmervertretung zeigte sich enttäuscht über den Beschluss. In dieser Woche will das Gremium darüber beraten, ob es Berufung vor dem Landesarbeitsgericht in Kiel einlegen werde. Möglich ist aber auch, dass der Betriebsrat noch vor Rechtskraft des Urteils zurücktritt und damit Neuwahlen Anfang 2024 möglich macht. Dann könnten sich auch alle jetzigen Betriebsräte wieder zur Wahl stellen.

Erst vor wenigen Tagen ging ein weiterer Rechtsstreit zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung der KViP mit einem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht in Kiel zu Ende. Das Mitarbeitergremium hatte gefordert, einen größeren Besprechungsraum im Gebäude der KViP in Uetersen zu erhalten. Das jetzige Büro sei mit zwölf Quadratmetern viel zu klein. Doch damit muss er sich nun zunächst weiter begnügen, denn der große Konferenzraum böte nicht die nötige Vertrautheit, sagte ein Betriebsratsmitglied dem Abendblatt. Dafür würde der Betriebsrat nun mit einem neuen Schreibtisch und einem zweiten Monitor besser ausgestattet werden, hieß es.

Der Betriebsrat war erst im April 2022 für vier Jahre gewählt worden

Der nun vor der Auflösung stehende Betriebsrat ist erst im April vorigen Jahres für vier Jahre bis 2026 gewählt worden. Zum nachhaltigen Streit mit der Geschäftsführung soll es unmittelbar danach gekommen sein. Der Betriebsrat forderte eine Betriebsvereinbarung zu den Dienstplänen, die die 150 Omnibusfahrer für die 21 Buslinien in Elmshorn und im Kreis Pinneberg monatlich einteilen. „Dann gibt es hier Krieg“, soll die Geschäftsleitung daraufhin angekündigt haben, dass jedes weitere Zugeständnis für die Mitarbeiterinteressen erst juristisch eingeklagt werden müsste.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht im August wurde diese Vor- und Nachkontrolle der Diensteinteilungen vom Betriebsrat begründet. So sei es bei der KViP häufig vorgekommen, dass die gesetzlich und tariflich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten der Busfahrer nicht eingehalten wurden. Da die Geschäftsführung auf diese Hinweise nicht reagiert oder dagegen eingeschritten sei, habe der Betriebsrat das Amt für Arbeitsschutz eingeschaltet.

Das Regelwerk dazu sei recht komplex und kompliziert, erläutert der Gewerkschaftssekretär Andreas Riedl. So schreibe die EU-Verordnung vor, dass Busfahrern eine ununterbrochene Pause von Lenkzeiten von 45 Stunden pro Woche zustehe. Diese könnte aber alle zwei Wochen auf 24 Stunden verkürzt werden. Dagegen spreche aber der geltende Tarifvertrag bei der KViP, der eine Ruhezeit von mindestens 35 Stunden in der Woche verlange. Dagegen verstoße die Diensteinteilung bei der KViP aber regelmäßig, sagte Riedl. „Das schert die Geschäftsleitung nicht.“

Richter: Der Kontrollaufwand der Dienstfahrten ist zu aufwendig

Der Vorsitzender Richter Nohr befand dazu jetzt, dass dieser Kontrollaufwand zu umfänglich gewesen sei. Die Arbeitgeberseite hatte argumentiert, die wahrgenommene Kontrollfunktion des Betriebsrates bei der KViP würde seit September 2022 mehr als 500 Arbeitsstunden monatlich ausmachen und so rund drei Vollzeitstellen binden.

Der Betriebsrat der KViP habe damit einen Personalaufwand betrieben, wie er bei Unternehmen mit 900 Beschäftigten der Fall sei, in denen der Betriebsrat drei freigestellte Mitglieder habe, sagte Richter Nohr. Bei der KViP ist keiner der sieben Betriebsräte freigestellt. Zudem widerspreche es dem Datenschutz, wenn die Mitarbeitervertretung eine weitere so große Personalakte führe, die die Ausfall- und Krankheitszeiten sowie die Urlaubstage der Kollegen detailliert dokumentiere.

Verdi-Sekretär: Der Betriebsrat hat sich taktisch unklug verhalten

Verdi-Sekretär Karl-Heinz Pliete sagte dem Abendblatt dazu, dass sich der Betriebsrat in dieser Angelegenheit „taktisch unklug“ verhalten habe. So hätte er lieber dem Arbeitgeber die Verstöße gegen die Ruhe- und Lenkzeiten genau dokumentieren sollen, als sie dem Amt für Arbeitsschutz zu melden. Dies sei dem Betriebsrat nun letztlich zum Verhängnis geworden.

Als weitere Verstöße gegen den Betriebsfrieden bei der KViP wertete der Vorsitzende Richter Nohr es, dass der Betriebsrat die Geschäftsführung bei einer Betriebsversammlung im Juni des Raumes verwiesen habe. Dort sollten eigentlich die Wogen geglättet werden, nachdem der Streit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung zum Jahreswechsel eskaliert war. Erst am 30. Dezember habe der Betriebsrat den Dienstplan für Januar erhalten, was zu spät gewesen sei, um mögliche Veränderungen vorzunehmen. Dabei soll es zu Missverständnissen bei der Übergabe der Dienstpläne gekommen und auch eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben worden sein, die nun auch Richter Nohr bemängelte.

Von der Arbeitgeberseite gab es keine Stellungnahme zum Urteil

Im Frühjahr soll dann eine Liste ausgelegt worden sein, die die Abwahl des amtierenden Betriebsrates forderte. Ein Teil der etwa 50 Namen, die das unterzeichneten, hätten gar nicht gewusst, was sie da unterschrieben beziehungsweise ihre Unterstützung wieder zurückgezogen, argumentierten Betriebsrat und Gewerkschaft Verdi vor dem Arbeitsgericht. Zudem sollen einige Mitarbeitende von der Geschäftsführung regelrecht gedrängt worden sein, diesen Antrag zu unterstützen.

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Von der Arbeitgeberseite war zum Urteil des Arbeitsgerichts keine Stellungnahme zu erhalten. Prokuristin Birgit Ahring, die mit Kollegen zum Gerichtstermin erschienen war, lehnte dies auf Nachfrage ab. Bei der mündlichen Verhandlung im Sommer räumte sie allerdings ein, dass zurzeit „eine missliche Stimmung im Unternehmen herrscht“. Immerhin darin ist sie sich mit dem Betriebsrat einig. Dieser sagt: „Die Stimmung und das Betriebsklima sind im Keller.“

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