Kreis Pinneberg. Große Befragung an Schulen und Kitas offenbart, warum Kinder chauffiert werden. Wie Hamburg und Pinneberg nun vorgehen wollen.

Das tägliche Verkehrschaos vor Kindergärten und Schulen wollen der Kreis Pinneberg und die Metropolregion Hamburg eindämmen. Wie Untersuchungen gezeigt haben, entsteht es morgens und mittags vor allem, wenn Kinder mit dem Auto gebracht und wieder abgeholt werden. Das Problem ist hinlänglich als Elterntaxi bekannt.

Mehr als jedes dritte Kind wird mit einem solchen Elterntaxi zur Kita chauffiert, bei den Schulen ist es jedes fünfte bis sechste Kind. Das schadet aus Sicht des Kreises Pinneberg und der Metropolregion, die gemeinsam das Pilotprojekt "Elterntaxi" umsetzen, nicht nur der Umwelt. Es birgt auch enorme Unfallgefahren.

Umfrage zu Elterntaxis: Das sind die meistgenannten Gründe des Problems

Das ist nun auch das Ergebnis einer umfassenden Befragung von 12.000 Schülerinnen und Kindergarten-Kindern sowie deren Eltern in 16 Grundschulen, fünf weiterführenden Schulen und zwölf Kitas im Kreis Pinneberg und dem Hamburger Westen.

Aus dem Kreis Pinneberg haben acht Kitas und zehn Grundschulen mit 2155 Kindern in Pinneberg, Wedel, Quickborn, Schenefeld, Halstenbek, Ellerbek und Rellingen bei der Umfrage mitgemacht. Vier der fünf befragten weiterführenden Schulen liegen ebenfalls im Kreis Pinneberg.

Diese Schulen haben sich an der Umfrage beteiligt

Dies waren die Theodor-Heuss- und Comeniusschule in Pinneberg, das Wolfgang-Borchert-Gymnasium in Halstenbek und die Ernst-Barlach-Schule in Wedel. Dort haben sich 1344 Schülerinnen und Schüler beteiligt mit einer Rücklaufquote von bis zu 80 Prozent.

„Selbst ein Anteil der Elterntaxis von rund 20 Prozent bei den Schulen ist immer noch viel zu viel“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers. Man brauche sich nur einmal morgens vor eine Schule zu stellen, um zu beobachten, „was da los ist an Autoverkehr“, der die Schulwege für alle damit nicht unbedingt sicherer mache.

Ist es nur die Bequemlichkeit vieler Eltern?

Mit dem Projekt „Elterntaxis“, für das der Kreis Pinneberg federführend in der Metropolregion bis Oktober erste Problemlösungen öffentlich vorstellen will, soll aufgezeigt werden, woran es im Einzelnen liegen mag und was verändert werden müsste, erklärt die Kreissprecherin.

„Ist es nur die Bequemlichkeit vieler Eltern, Schüler und Kinder? Oder gibt es konkrete Hemmnisse, fehlende Angebote, Problempunkte oder gar Ängste und Befürchtungen, warum Väter und Mütter ihre Kinder lieber selbst zur Schule und in den Kindergarten fahren?“

Ein Hinweisschild für Elterntaxis steht an vielen Schulen, um für das Thema zu sensibilisieren
Ein Hinweisschild für Elterntaxis steht an vielen Schulen, um für das Thema zu sensibilisieren © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Hauptgrund ist laut der Umfrage das schlechte Wetter. Jedes zweite befragte Elternteil nannte Regen, Schnee oder Glätte auf den Straßen als Grund, warum das Kind nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule oder in den Kindergarten gehen oder fahren könnte. 42 Prozent sagten, die Einrichtung liege doch auf dem Weg zur Arbeit, sodass sich die Mitnahme des Kindes geradezu anböte. Die Hälfte möchte nicht auf den Komfort des Autos verzichten.

Zu schwere Ranzen: Auch die Kinder haben Gründe fürs Auto

Fast jedes dritte Kind klagte aber auch über einen zu schweren Schulranzen und etwa jedes fünfte sagte aus, dass der Bus nicht rechtzeitig fahre, zu lange brauche oder die Bushaltestelle zu weit weg wäre. Darum liegt der Anteil der Bus- und Bahnnutzung wohl auch nur zwischen sechs Prozent im Sommer und knapp 13 Prozent im Winter. Obwohl andererseits um die drei Viertel der Befragten anerkennend urteilen, dass die Haltestelle günstig liege, die Fahrpläne einfach zu verstehen und die Busse in einem guten und sauberen Zustand seien.

„Dass der Weg zur Schule zu Fuß oder mit dem Rad gesünder und klimafreundlicher ist, wissen die Menschen“, glaubt Pinnebergs Landrätin Elfi Heesch. „Wenn wir weniger Elterntaxis wollen, müssen wir genau zuhören, was an Gründen genannt wird. Erst dann können wir an Lösungen arbeiten und überzeugen.“

Schlechte Sicht – eine weitere Hürde für Eltern, ihre Kinder loszulassen

Denn offenbar gibt es auch zahlreiche Mängel und Problemstellen auf dem Weg zur Schule oder in die Kita, die Eltern davon abhält, ihre Kleinen alleine los zu lassen. So bemängelten viele Eltern, Schülerinnen und Kinder die schlechten Sichtverhältnisse, fehlende Querungshilfen wie Ampeln oder Zebrastreifen und rücksichtsloses Verhalten von Autofahrenden als die Hauptprobleme auf den Wegen zu Kitas und Schulen. Das Nicht-Einhalten von Regeln zum Beispiel beim Parken, zu hohe Geschwindigkeiten und zu viel Verkehr wurden direkt dahinter als sehr problematisch genannt.

Insgesamt berichten die befragten Kita-Eltern über 1160 Mängel auf den Wegen zur Kita. Eltern an Grundschulen meldeten 1230 Problemstellen auf ihren Schulwegen. An den weiterführenden Schulen erkannten die befragten Jugendlichen 330 Problemstellen.

4000 Problemstellen sind bei der Umfrage genannt worden

In der Summe wurden von den befragten Eltern, Schülerinnen und Schülern rund 4000 ganz spezielle Problemstellen gemeldet, die nun ausgewertet werden sollen. Allein aus dem Kreis Pinneberg wurden 3135 Hinweise genannt, die Mängel oder Probleme auf dem Weg zur Schule oder in den Kindergarten beschrieben.

Bei den Kindertagesstätten war die „Meckerquote“ mit rund 150 Prozent bei der Kita Bickbargen in Halstenbek, der Wilden 13 in Quickborn und der evangelischen Kita in Ellerbek am höchsten. Bei den Schulen werden die Schulwege an der Erich-Kästner-Schule und der Brüder-Grimm-Schule in Rellingen, der Hermann-Löns-Schule in Ellerbek, der Grundschule Bickbargen in Halstenbek, der Moorwegschule in Wedel, der Grundschule Thesdorf in Pinneberg und der Gorch-Fock-Schule in Schenefeld als am unsichersten eingeschätzt.

Befürchtete Unsicherheitsfaktoren sind Hauptgrund für Elterntaxis

Auch hier nannte jeder Schüler oder jedes Elternteil durchschnittlich mehr als einen konkreten Unsicherheitsfaktor auf dem Schulweg, der verhindere, dass die Kinder zur Schule gehen oder mit dem Fahrrad fahren könnten.

Immerhin kommt nach der Befragung schon heute etwa jedes dritte Kind bei gutem Wetter regelmäßig mit dem Fahrrad in die Kita oder Grundschule. An den weiterführenden Schulen sind es sogar 70 Prozent. „Damit fahren die Befragten in der Metropolregion Hamburg deutlich häufiger mit dem Rad zur Bildungseinrichtung als im Bundesdurchschnitt“, fasst Kreissprecherin Wohlers das Ergebnis zusammen. Im Bund liege dieser Anteil nur bei 14 Prozent.

Nur ein Drittel aller Kinder geht zu Fuß zur Kita

Zu Fuß in die Kita gingen 30,8 Prozent der Kinder. 46,6 Prozent kämen zu Fuß in die Grundschule. Bei den weiterführenden Schulen seien es dann nur noch 14,1 Prozent. Mit dem Tretroller zu fahren, ist mit einem Anteil von 9,3 Prozent an Kitas und 11,2 Prozent an Grundschulen beliebt.

Nach den Sommerferien würden jetzt auf Basis der Ergebnisse exemplarisch in zehn Einrichtungen passgenaue Maßnahmen für Problemstellen und Unsicherheitsfaktoren entwickelt und deren Umsetzung angestoßen, sagt Katja Wohlers über das weitere Vorgehen. Alle Projektkommunen und Bezirke werden dabei vertreten sein.

Später soll dann eine Übertragung auf andere Schulen und Kitas erfolgen. Das heißt: Nach einer Überprüfung, ob die Vorschläge und Veränderungen an den Beispielschulen und -kitas greifen, könnten die Maßnahmen von anderen Kommunen mit vergleichbaren Problemlagen übernommen werden.

Erhebung soll Musterlösungen im Kampf gegen Elterntaxis aufzeigen

„Wir wollen für typische Problemstellungen auch Musterlösungen erarbeiten“, kündigt Kreissprecherin Wohlers an. Im Kern werde es dabei um Mobilitätsbildung, um Öffentlichkeitsarbeit, um straßenverkehrsrechtliche Anordnungen, die ÖPNV-Organisation sowie Planung und Änderung der Infrastruktur gehen. „All dies wird zum Abschluss in einem Praxisleitfaden zusammengefasst, der die Umsetzung in der gesamten Metropolregion ermöglichen soll“, erklärt Wohlers.

Erste Ergebnisse würden im Herbst erwartet und sollen auf einer Fachtagung am Dienstag, 10. Oktober, in Pinneberg vorgestellt und diskutiert werden. Das gesamte Projekt dauert noch bis ins nächste Jahr hinein.