Kreis Pinneberg. Bei der VR Bank sei das Geschäft wegen der Zinsen um fast zwei Drittel abgesackt. Das Jahresergebnis hat dagegen Rekordniveau.

Die Nachfrage nach Baukrediten ist eingebrochen. Die Zinsen haben sich vervierfacht. Die explodierenden Energiekosten und Verbraucherpreise machen sowohl den Kunden als auch der Geschäftstätigkeit der VR Bank in Holstein zu schaffen.

Gleichwohl hat die Genossenschaftsbank mit Sitz in Pinneberg im Jahr 2022 mit 36,2 Millionen Euro das beste Ergebnis seit der Fusion 2019 der Volksbank Pinneberg-Elmshorn mit der Raiffeisenbank Bad Bramstedt-Henstedt-Ulzburg eingefahren. „Das sind 3,6 Millionen Euro mehr als im Jahr davor“, sagt Vorstand Stefan Witt. „Wir sind stolz auf dieses sehr gute Ergebnis.“

VR Bank in Holstein: Baukredite brechen ein – Bankkunden „massiv verunsichert“

Doch das Bauherren-Geschäft der VR Bank, viele Jahre in der Nullzinsphase der Motor der Geschäftsentwicklung, ist in schweres Fahrwasser geraten, führte Vorstandskollege Andreas Jeske aus. „Wenn wir 2021 noch jeden Monat etwa 13 bis 14 Millionen Euro neue Kredite für private Baufinanzierungen ausgegeben haben, sind es jetzt nur noch fünf bis sechs Millionen Euro im Monat.“ Es herrsche „massive Verunsicherung bei unseren Kunden“.

Verantwortlich dafür sei ein ganzes „Konglomerat“ an Hürden und Kostenblöcken, die den Bürgern zurzeit das Investieren in die eigenen vier Wände vergraulten, erläuterte Bankenvorstand Witt. Da seien an erster Stelle die enorm gestiegenen Bauzinsen zu nennen, die innerhalb eines Jahres von 1,2 Prozent auf aktuell 4,5 Prozent angestiegen sind. Das entspricht etwa dem Zinsniveau von 2008, vor der Banken-und Finanzkrise.

Grundstücks- und Immobilienpreise immer noch auf einem Rekordhoch

Seit 2009 lag das Zinsniveau bei einem Prozent, seit 2015 sogar bei null Prozent. Nun sagt Witt, dass er mit einem weiteren Prozentpunkt an Zinserhöhung durch die EZB rechne, um die Inflation einzudämmen, die sich hierzulande zurzeit bei 8,5 Prozent bewegt.

Zugleich würden sich die Grundstücks- und Immobilienpreise immer noch auf einem Rekordhoch bewegen, führte Witt weiter aus. Und die gestörten Lieferketten, Inflation und „Poly-Krisen“ hätten die Ausgaben für die Bauunternehmen um gut 25 Prozent erhöht. „Das betrifft alle Gewerke.“

So habe ein Nachbar bei ihm in Kollmar gerade ein neues Einfamilienhaus mit 130 Quadratmetern gebaut und dafür 680.000 Euro investiert. Das müsse ein Bauherr erst einmal schultern können und dabei noch mit erheblich gestiegenen Energiekosten klar kommen.

Aussagen des Bankers decken sich mit Umfrage des Immobilienverbandes Nord

Die Aussagen des Bankers decken sich mit einer aktuellen Umfrage des Immobilienverbandes Nord, dem 1500 Makler angehören. Wie das Abendblatt am Montag veröffentlicht hat, sind die Preise demnach bei mehr als der Hälfte der angebotenen Immobilien um mehr als zehn Prozent, bei einem Viertel sogar um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Laut Bankenvorstand Witt gelte das vor allem für ältere Häuser, bei denen viele Bauwillige jetzt die enormen Investitionen in neue Heizungsanlagen und Sanierungen scheuten.

Die VR Bank in Holstein habe für ihre 118.000 Kunden in den 20 Filialen in den Kreisen Pinneberg, Steinburg und Segeberg schon vorher bestimmte Sicherheitsvorkehrungen getroffen, erklärte Witt. So rieten sie ihren Bauherren, wegen der lange niedrigen Zinsen die Tilgungsraten auf mehrere Prozent zu erhöhen.

Krise im Neubaumarkt verschärft Situation auf dem Wohnungsmarkt

Was sich jetzt auszahle, wenn die Kredite ausliefen und die Kunden trotz gestiegener Zinsen einen ähnlich hohen Abtrag zu leisten hätten. In manchen Fällen, wo das Eigenkapital nicht die erforderliche Größe von 25 Prozent der Finanzierung erreiche, müsse die VR Bank nun aber auch häufiger Kredite ablehnen.

Aber die Krise im Neubaumarkt habe auch die Situation auf dem Wohnungsmarkt insofern verschärft, dass die Mietpreise ein Rekordniveau erreicht hätten. Vielerorts im Hamburger Umland seien 14 bis 15 Euro Nettokaltmiete je Quadratmeter im Monat keine Seltenheit mehr, sagte Witt. Das sei gesamtgesellschaftlich „keine gesunde Entwicklung“.

VR Bank rechnet mit erheblichen Zusatzkosten

Zwar rechne die VR Bank für das laufende Jahr mit erheblichen Zusatzkosten wegen der Energiekosten für die benötigten Rechenzentren, erklärte Vorstand Jeske. Aber die gestiegenen Zinsen hätten die Margen für die Genossenschaftsbank erhöht, die nun bessere Zinsüberschüsse und Provisionen erzielen könnte.

Sowohl die Kundeneinlagen (von 2,6 auf 2,7 Milliarden Euro), das Kreditgeschäft (von 2,3 auf 2,5 Milliarden Euro) und die Bilanzsumme (von 3,4 auf 3,6 Milliarden Euro) seien gestiegen. Vom Jahresergebnis von 36, 2 Millionen Euro (plus 3,6 Millionen Euro) würden rund sieben Millionen Euro an die Standortkommunen der VR Bank in Holstein an Gewerbesteuern ausgeschüttet.

Zahl der Geschäftsstellen bleibt nach Schließungen konstant

Die Zahl der Geschäftsstellen, die erst vor einem Jahr von 27 auf 20 reduziert wurde, solle zunächst gleichbleiben. Sie würden aber Ende des Jahres wieder auf den Prüfstand gestellt, kündigte Vorstand Jeske an. Die Filiale in der Gustavstraße in Halstenbek wird im Sommer für eine Million Euro modernisiert. In Quickborn ist für 1,9 Millionen Euro ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichtet worden.

Die Zahl der Beschäftigten hat sich seit der Fusion von 469 auf 452 Mitarbeitende reduziert. Aktuell seien 15 Stellen unbesetzt. „Wir stellen ein“, betonte Vorstand Witt. Vor allem würden Berater für das neue Geschäftsfeld „Heilberufe“ gesucht, wobei ein Expertenteam bereits etwa 800 Ärzte und Apotheker „auf Augenhöhe“ betreue, wie Vorstand Uwe Augustin erklärte.

Auch Quereinsteiger würden dafür in Frage kommen. 120 Mitarbeitende könnten auch regelmäßig von zu Hause aus arbeiten. „Das ist heute die erste Frage bei den Bewerbungen“, sagte Vorstand Witt.