Elmshorn. Elmshorner Verein Wendepunkt half Jugendeinrichtungen beim Erstellen von Schutzkonzepten. Nun fehlt vielerorts das Geld.

Die Corona-Krise hat eines wiederholt verdeutlicht: Gewalt an Kindern und Jugendlichen gehört in Deutschland leider zum Alltag. Häusliche Gewalt hat während des Lockdowns erheblich zugenommen. Doch nicht nur das eigene Zuhause kann zum Tatort werden – auch in öffentlichen Einrichtungen wie Kitas oder Schulen fallen Kinder und Jugendliche immer wieder Gewalttaten zum Opfer.

Der Verein Wendepunkt in Elmshorn hat sich vorgenommen, diese Institutionen zu sicheren Häfen zu machen. Durch eine Förderung der deutschen Fernsehlotterie wurde eine Fachstelle für Schutzkonzepte errichtet. Nun wurde das Projekt abgeschlossen, und der Verein stellt die Ergebnisse vor.

Jugendschutz: Missbrauch – Kitas und Schulen dürfen nicht Tatorte werden

Allein 15.000 Fälle sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen landen in Deutschland jährlich vor Gericht. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher ausfallen. Die WHO rechnet mit einer Million Minderjähriger mit Gewalterfahrungen. Das entspricht ein bis zwei Kinder pro Schulklasse.

Aus diesen Zahlen geht hervor: Deutschland hat ein Problem mit Übergriffen auf Kinder und Jugendliche. Sie benötigen dringend Schutz. Diesen Schutz will der Wendepunkt bieten.

Elmshorn: Wendepunkt und Stadtverwaltung arbeiten zusammen

Schon bevor der Verein eine Fachstelle für Schutzkonzepte eingerichtet hatte, erreichten ihn häufig Anfragen von Jugendeinrichtungen, die Unterstützung suchten. Der Wendepunkt konnte diesen Institutionen aufgrund zu geringer Kapazitäten allerdings kaum helfen. Daher wurde ein Antrag auf finanzielle Förderung gestellt – mit Erfolg.

Zeitgleich rückte das Thema des Kinder- und Jugendschutzes auch bei der Stadtverwaltung Elmshorn mehr in den Fokus, sodass eine Zusammenarbeit möglich wurde. In den zurückliegenden Jahren wurden insgesamt zehn Leuchtturmprojekten aus der Region begleitet.

Insgesamt 18 Einrichtungen erstellten im Rahmen des Projekts ein Schutzkonzept. Dazu zählten unter anderem Kitas, Schulen und Kinderkliniken. Seit 2021 sind Schutzkonzepte im Übrigen laut dem Schulgesetz in Schleswig Holstein verpflichtend.

Das Fachstellen-Team und Vertreter und Vertreterinnen der beteiligten Einrichtungen.
Das Fachstellen-Team und Vertreter und Vertreterinnen der beteiligten Einrichtungen. © Michaela Berbner

„Wenn alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sich mit einem individuellen Schutzkonzept auseinandersetzen, wenn sie sensibel sind für dieses Thema, dann ist viel erreicht. Das ist eine der sinnvollsten präventiven Maßnahmen, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Übergriffen zu schützen,“ sagt Dirk Jacobsen, Geschäftsführer des Wendepunkts.

Durch die unterschiedlichen Bedingungen vor Ort mussten stets neue Ansätze zur Förderung der Sicherheit der Kinder und Jugendlichen gefunden werden. Die Ziele sind allerdings bei allen gleich: Unsere Einrichtung soll kein Tatort werden, und wir wollen von Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen helfen!

Elmshorn: Wendepunkt hat Schutzkonzept erarbeitet

Obwohl es sich um ganz unterschiedliche Einrichtungen handelt, konnte der Wendepunkt einige allgemeingültige Grundbausteine für die Schutzkonzepte entwickeln:

Einen großen Schwerpunkt legt der Verein darauf, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren und sicher im Umgang mit betroffenen Kindern zu machen, betonen Hanne Traulsen und Dennis Blauert von der Fachstelle. Auch die Kinder selbst werden in den Prozess mit eingebunden. Sie erfahren viel über ihre Rechte und von Orten und Personen, an die sie sich im Fall einer Gewalttat wenden können. Das alles zählt zur Prävention. Sie stellt den größten Teil der Schutzkonzepte dar.

Wenn der Verdacht auf einen Übergriff vorliegt, muss außerdem geklärt sein, wie die Intervention und die Aufarbeitung der Tat ablaufen. Der Wendepunkt betont in diesem Zusammenhang auch, wie wichtig es ist, gegebenenfalls Fehler einzugestehen. Nur so können sie in der Zukunft vermieden werden.

Wendepunkt wird seine Schutzkonzept-Arbeit fortsetzen

Die Grundbausteine finden sich in detailreicher Ausführung in einem Ordner wieder, der zum Ende der Förderung erstellt wurde. In ihm sind wissenschaftliche Erkenntnisse und praxisorientierte Hilfestellungen nachzulesen. Dieses „Endprodukt“ ist es jedoch nicht, worauf der Wendepunkt und die Stadt Elmshorn am meisten Wert legen. Ganz nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“ erklärt Stadtrad Dirk Moritz, dass das Arbeiten mit den Einrichtungen der größte Gewinn der Förderung sei.

Im Ordner „Schutzkonzepte“ wurden die Ergebnisse der dreijährigen Förderung zusammengefasst.
Im Ordner „Schutzkonzepte“ wurden die Ergebnisse der dreijährigen Förderung zusammengefasst. © Michaela Berbner

Nach dem Auslaufen der Förderung will der Wendepunkt seine Arbeit weiter fortsetzen; die Fachstelle Schutzkonzepte bleibt bestehen. Sie wird auch in Zukunft Unterstützung für Schulen, Kitas und Jugendverbände in Schleswig-Holstein bieten.

Jugendschutz: Vielen Kitas und Schulen fehlt das nötige Geld

Der große Unterschied: Durch die Förderung der Fernsehlotterie konnten die Einrichtungen aus den Leuchtturmprojekten die Zusammenarbeit gratis erhalten. Ab jetzt müssen sie selbst dafür aufkommen.

Das ist ein Problem, denn in vielen Schulen fehlt es an finanziellen Mitteln, erklärt Michaela Berbner vom Verein. Gleichzeitig übersteigt es die Kapazitäten der Arbeitskräfte vor Ort, eigene Schutzkonzepte zu entwerfen. Die Wissenschaft schließt sich dieser Kritik an. Dr. Simone Plüscher von der Europa-Universität Flensburg stellt klar: „Wir brauchen mehr Förderung von der Politik!“