Immobilienkonferenz

Baugipfel: Wie Städte jetzt um bezahlbare Wohnungen kämpfen

| Lesedauer: 7 Minuten
Burkhard Fuchs
Die Referenten und Experten bei der ersten „Regionalen Wohnungskonferenz“ in der Pinneberger Drostei: Peter Friemert (von links), Sandra Maader (Neue GeWoGe), Antonia Schulitz (Bezirksamt Eimsbüttel), Bürgermeisterin Urte Steinberg (Pinneberg), Landrätin Elfi Heesch, Petra Litke (Bezirksamt Altona) und Christopher Seydewitz (Stadtentwässerung Wedel).

Die Referenten und Experten bei der ersten „Regionalen Wohnungskonferenz“ in der Pinneberger Drostei: Peter Friemert (von links), Sandra Maader (Neue GeWoGe), Antonia Schulitz (Bezirksamt Eimsbüttel), Bürgermeisterin Urte Steinberg (Pinneberg), Landrätin Elfi Heesch, Petra Litke (Bezirksamt Altona) und Christopher Seydewitz (Stadtentwässerung Wedel).

Foto: Burkhard Fuchs

Günstig? Klimagerecht? Schnell? Nicht so einfach, hieß es bei der Wohnungskonferenz mit Vertretern aus dem Kreis Pinneberg und Hamburg.

Kreis Pinneberg.  Starkregen, anhaltende Trockenheit, heftige Stürme auf der einen Seite, steigende Energiekosten, Rohstoffpreise und Zinsen auf der anderen Seite: Wie soll in Zukunft klimagerecht gebaut werden, und wie schaffen wir es, dass die Wohnungen für die Mieter noch bezahlbar bleiben?

Um diese zentralen Fragen drehte sich die „Regionale Wohnungskonferenz“, zu der Landrätin Elfi Heesch jetzt Bürgermeister, Verwaltungsleiter und Kommunalpolitiker aus dem Nachbarschaftsforum in die Landdrostei Pinneberg eingeladen hatte.

Immobilien- und Baugipfel: Wie Städte jetzt um bezahlbare Wohnungen kämpfen

Experten aus Verwaltung und Wohnungswirtschaft stellten dabei ihre Ideen und Konzepte vor. Denn „Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Es gehört zur Daseinsvorsorge“, leitete Landrätin Heesch die dreistündige Zusammenkunft ein. „Aber der Wohnraum muss bezahlbar bleiben.“

80 Teilnehmer hörten diese Worte – von den Hamburger Bezirken Altona und Eimsbüttel sowie den Städten Wedel, Schenefeld, Pinneberg und Quickborn sowie den Gemeinden Rellingen, Halstenbek, Bönningstedt, Hasloh und Ellerbek. Sie alle gehören zum Nachbarschaftsforum.

Leerstand ist im Kreis Pinneberg so gut wie nicht vorhanden

Das Thema Wohnen sei für den Kreis Pinneberg von zentraler Bedeutung, sagt die Kreisverwaltungschefin. „Wir haben hier eine Vollvermietung.“ Leerstand sei kaum vorhanden. „Gleichzeitig laufen uns die Kosten für Sanierung und Neubau aus dem Ruder“, warnte Elfi Heesch. „Aber wir brauchen den Neubau und die Sanierung von Bestandswohnungen“, sagte sie.

„Die Menschen denken nicht in Kalt- und Warmmiete. Deshalb ist die Sanierung ein zentrales Thema, um die Warmmietkosten zu deckeln.“ Mit Nah- und Fernwärme-Systemen, die durch Erdwärme und andere regenerative Energieformen gespeist würden, ließen sich nachhaltiger Klimaschutz und das Eindämmen von Mietnebenkosten gut verbinden.

Inflation macht es auch Wohnungsbaugenossenschaften schwer

Wie schwer das selbst bei der anhaltenden Inflation für die Wohnungswirtschaft ist, zeigte Sandra Maader, Vorstandsmitglied der Neuen GeWoGe, auf. Die Genossenschaft unterhält 2306 Wohnungen in zwölf Kommunen des Kreises. „Uns trifft eine Baukostensteigerung von 26 Prozent innerhalb von zwei Jahren und eine Zinserhöhung um 2,5 Prozentpunkte in zwölf Monaten – wie sollen wir da noch bezahlbare Mieten anbieten?“, fragt sie.

Ihr Unternehmen müsse da zurzeit passen. Für 2023 seien wegen der Kostenexplosion und ungewissen Planbarkeit keine Neubauten und Sanierungen vorgesehen. Dabei habe die Neue GeWoGe in den vergangen zehn Jahren 250 neue Wohnungen gebaut und in fünf Jahren 1300 Altwohnungen saniert und modernisiert.

Mietkosten steigen in Beispielrechnung in zehn Jahren um 50 Prozent

Die neue GeWoGe-Chefin machte dazu eine Beispielrechnung auf. Bei einer fiktiven Investitionssumme von zehn Millionen Euro erhöhten sich die Bau- und Finanzierungskosten in zehn Jahren für ihr Unternehmen jetzt um 5,5 Millionen Euro, was den Mietpreis auf einen Schlag von elf auf 16 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche hochschnellen ließe.

„Das entspricht einer Mietsteigerung von 50 Prozent.“ Statt finanzieller Unterstützung kämen vom Bund zusätzliche Auflagen zum Klimaschutz und zur Überprüfung der Heizungsanlagen. Während die Fördergelder für nachhaltiges Bauen gestrichen worden seien, klagt Sandra Maader. Im vorigen Jahr konnte die Neue GeWoGe darum nur noch 25 Wohnungen energetisch modernisieren.

Auch bei Wärmepumpen hinkt die Wirklichkeit dem Wunsch hinterher

Auch die Industrie stoße an ihre Grenzen, die Vorschriften zum klimagerechten Bauen zu erfüllen, führte Architekt Peter Friemert vom Zentrum Energie, Bauen, Architektur und Umwelt aus. So seien im vorigen Jahr bundesweit erst 250.000 Wärmepumpen hergestellt und eingebaut worden. Es müssten aber laut den Vorgaben doppelt so viele sein. „Das ist eine gewaltige Herausforderung für die Industrie, das alles zu bewältigen.“

Was die Kommunen unternehmen, um ihre städtischen Wohnbauflächen vor dem Klimawandel zu schützen, erläuterten Vertreter aus Pinneberg und Wedel. „Wir überprüfen zurzeit den gesamten Bestand unserer Bebauungspläne, inwieweit sich klimagerecht angepasst sind“, erklärte Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg. „Wir sehen die Stadtentwicklung heute mit anderen Augen“ – quasi durch die Klimabrille. Dabei gehe es vor allem darum, versiegelte Flächen vor Starkregenereignisse zu sichern, aber gleichzeitig das Wohnen „für die Menschen lebenswerter zu machen“.

Starkregenereignisse: Wie können sich Städte davor schützen?

In Wedel sei der Jahrhundertregen vom 1. August 2002 der Wendepunkt gewesen, berichtete Christopher Seydewitz von der Stadtentwässerung. Damals sind 40 Millimeter Regen innerhalb von 40 Minuten auf die Elbestadt niedergeprasselt. Das entspricht einer Menge von 40 Litern pro Quadratmeter. Regenmengen von mehr als 25 Litern je Quadratmeter in einer Stunde gelten als Unwetterwarnung.

Daraufhin sei die gesamte Kanalisation in Wedel hydraulisch saniert worden, erklärte Seydewitz. Ein Wassersystem sei für die Stadt entwickelt worden, das die Grünflächen kaskadenmäßig betrachte und die Fließwege der Gewässer wie der Wedeler Au berücksichtig, um mögliche Hochwasser-Szenarien zu minimieren.

Wedel hat ein Strategiepapier für die Entwässerung

Die Stadt Wedel habe dazu eigens ein Strategiepapier zur Regenwasser-Entwässerung erarbeitet, nach dem sich alle Bauleitplanungen zu richten haben. Sogar unterirdische Versickerungsbecken seien geschaffen worden wie unter einem Bolzplatz in einem Wohngebiet, der kaum noch benutzt worden sei. „Wir sind noch keine Schwammstadt, aber auf dem Weg dorthin“, sagte Seydewitz. „Wir versuchen das Wasser in der Stadt zu halten.“

Mit weiteren Beispielen aus den Stadtteilen im Hamburger Westen ging diese erste „Regionale Wohnungskonferenz“ in Pinneberg zu Ende. Da ist Eimsbüttel dabei, einen eigenen „Klima-Standard“ mit Regenwassernutzung, weniger Flächenversiegelung und Erhalt der Bausubstanz zu entwickeln, führte Stadtplanerin Antonia Schulitz aus.

Immobiliengipfel: „Guter Input“ für bezahlbare Wohnungen im Kreis Pinneberg

Und in Altona würden im Zuge einer energetischen Stadtsanierung klimafreundliche Wohnquartiere geschaffen, die neben der Wärmeversorgung auch die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und Carsharing-Modelle beinhalteten, sagte Petra Litke. Einige Beispiele davon konnten die Teilnehmer der Konferenz im Erdgeschoss der Drostei in einer kleinen Ausstellung besichtigen, die die Hamburger Stiftung Baukultur zusammengestellt hatte.

„Das war ein guter Input, wie wir bedarfsgerechte Wohnquartieren schaffen können, die bezahlbar sind und die Klimavorgaben erfüllen“, bilanzierte Rellingens Bürgermeister Marc Trampe.

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