A23

Warum sich Rellinger in die Verkehrsplanung einmischen

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Anne Dewitz
Wolf Eigenwald aus Halstenbek (v. l.), Christiane Degener-Wehmeier, Rolf Lopau und Wolfgang Melzer (alle aus Rellingen) sind gegen die Erweiterung der Autobahn 23 auf sechs Spuren.

Wolf Eigenwald aus Halstenbek (v. l.), Christiane Degener-Wehmeier, Rolf Lopau und Wolfgang Melzer (alle aus Rellingen) sind gegen die Erweiterung der Autobahn 23 auf sechs Spuren.

Foto: Anne Dewitz

Bürgerinitiative A23 positioniert sich gegen den sechsspurigen Ausbau. Eine andere Initiative geht einen besonderen Schritt.

Rellingen.  Die A23 soll laut Bundesverkehrswegeplan 2030 auf einer Strecke von 15,9 Kilometern durchgängig sechsstreifig ausgebaut werden. Die Deges plant den Ausbau im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes. 25 Brücken müssen dafür abgerissen und neu gebaut werden. Mit dem Bau soll im Jahr 2030 begonnen werden.

In Rellingen regt sich dagegen Widerstand. Anwohner fordern in einer Bürgerinitiative umweltfreundliche Mobilität und Alternativen zum Ausbau der Autobahn. Bei einem Treffen mit dem Pinneberger SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner und Kreistagsabgeordneten der SPD Pinneberg verdeutlichten einige Vertreter ihre Ziele.

A23: Warum die Rellinger sich in die Verkehrsplanung einmischen

„Wir fordern von den Politiker auf Kreis- und Bundesebene, den vordringlichen Bedarf des Ausbaus der A23 aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 zu streichen, weil die ursprünglichen Begründungen aus dem Jahr 2013 nicht mehr zutreffend sind“, sagt BI-Vertreterin Christiane Degner-Wehmeier. Die Entscheidung über diese umfangreiche Baumaßnahme müsse in Abstimmung zwischen dem betroffenen Bundesland und dem Bundesverkehrsministerium getroffen werden.

Die Ausgangslage sei eine andere als 2013: Nachfrage und Angebote im öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) seien gestiegen, ebenso die Kosten in der Baubranche bei weniger zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln. Eine aktuelle Verkehrszählung im vergangenen Oktober hatte zudem einen Rückgang des Verkehrs ergeben.

Und nicht zuletzt müssten Klimaziele erreicht werden. „Gemäß des Urteils des Bundesverfassungsgericht und eines weiteren Rechtsgutachtens entspricht der Bundesverkehrswegeplan 2030 nicht den Klimazielen; er ist nicht zuletzt deshalb dringend den Gegebenheiten anzupassen“, heißt es in einem Schreiben der BI.

Initiative fordert Ausbau des ÖPNV statt der A23

Daher sei der weitere Ausbau des ÖPNV insbesondere der Schiene im Kreisgebiet vorrangig. „Es könnten viele jetzt schon erforderliche Maßnahmen umgesetzt werden, die derzeit aufgeschoben werden“, so Christiane Degner-Wehmeier. Radwege, die über Autobahnbrücken-Brücken führen, könnten verbessert werden ebenso die Anbindung an die S-Bahn.

Park-&-Ride- sowie Park-&-Bike-Plätze an den S-Bahn-Stationen müssten entstehen, und die Ausfädelungen aus der A23 sowie der Anschlüsse an die Orts- und Kreisstraßen durch Trennung von Links- und Rechtsabbieger optimiert werden, um Staus zu vermeiden.

Die BI fordert außerdem den Ausbau des Wege- und Radnetzes für eine sichere Infrastruktur aller Verkehrsteilnehmer und das Tempolimit von 100 km/h auf der vorgesehenen Ausbaustrecke vom Anschluss an die A7 bis Pinneberg Nord beizubehalten.

Stegner betonte, dass auch die SPD den Ausbau des ÖPNV als vordringlich sehe, aber den Straßenbau ebenfalls optimieren möchte. Dazu gehöre vordringlich der Weiterbau der A20 bis nach Niedersachsen hinein.

Pläne zum Ausbau der A23 legen Verkehrsprojekte der Gemeinden auf Eis

Der Ausbau der A23 stehe erst dann auf der Tagesordnung, wenn die A20 an die A23 angeschlossen sei, das könne noch dauern. Deshalb beschäftige man sich derzeit nicht mit der A23, so Stegner. Eine Intervention hinsichtlich der Änderung des Bundesverkehrswegeplan sahen alle SPD-Vertreter als nicht realistisch an, weil sie Sache des Bundesverkehrsministeriums sei. Darauf habe man keinen Einfluss.

In der Lokalpolitik der Gemeinden an der A23 liegen viele verkehrspolitisch wichtige Projekte auf Eis, weil man die Planungen zum A23-Ausbau abwarten will. Dabei kann ein Ausbau der A23 realistisch nicht vor 2030 erfolgen. Aus Sicht der BI liesse sich der Verkehr an den A23-Anschlüssen an die Orts- und Kreisstraßen durch Trennung von Links- und Rechtsabbiegern viel schneller entspannen.

Auch notwendige Verbesserungen der Fuß- und Radwege sowie des ÖPNV könnten deutlich schneller erfolgen. „Alle diese Maßnahmen bewirken, dass weniger Individualverkehr die A23 belastet und somit auch der notwendige Gewerbeverkehr wesentlich weniger behindert wird“, sagt BI-Vertreter Rolf Lopau. Diese Pläne müssten unbedingt mit der Metropolregion Hamburg abgestimmt werden.

SPD: A20 und A23 wichtige Verkehrsadern für Wirtschaft im Kreis Pinneberg

Die SPD-Kreistagsfraktion argumentiert, dass bereits viel in die Verbesserung des ÖPNV im Kreis Pinneberg investiert wurde, wie zum Beispiel engere Taktung der S-Bahn-Linien S21 und S3 sowie die Schaffung neuer Buslinien. Man müsse aber auch Rücksicht nehmen auf Interessen der Gewerbetreibenden und die Koalitionskompromisse. Mit der geplanten Einführung des 49-Euro-Tickets fördere man zudem den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV.

Die SPD sieht in der A20 und der A23 wichtige Verkehrsadern für die Wirtschaft im Kreis Pinneberg. In ihrem aktuellen Wahlprogramm formulieren sie ihre Position wie folgt: „Der Schienenausbau, insbesondere die Beseitigung des Schienenengpasses zwischen Pinneberg und Elmshorn, hat für uns aber Priorität vor dem Neubau der A20 und der Erweiterung der A23 auf sechs Fahrbahnen. Bevor über die Erweiterung der A23 entschieden wird, sollte der Neubau der A20 umgesetzt sein.“

A23-Anschlussstellen müssen schon vor Ausbau entlastet werden

Und weiter: „Unabhängig von der Erweiterung der A23 müssten schnell Lösungen für die besonders belasteten Anschlussstellen der A23 im Kreis zwischen Krupunder und Tornesch gefunden werden, die den Verkehrsdruck auf die Kreuzungen verringern und die zeitweisen Stausituationen weitgehend vermeiden.“

Für die Anschlussstellen im Bereich der A23, die besonders belastet sind, seien neue Lösungen zu finden, die den Verkehrsdruck auf die Kreuzungen entlasten und die Stausituationen entspannen. Das betreffe zum Beispiel die Auffahrten in Tornesch und Pinneberg Nord.

Die BI A23 kritisiert: „Leider gibt es bisher keine klaren Zusagen von der Lokalpolitik über die zeitliche und inhaltliche Gestaltung der erforderlichen Mobilitätswende.“ Sie will zusammen mit anderen Initiativen noch vor den Kommunalwahlen eine öffentliche Infoveranstaltung anbieten.

Weitere Initiative fordert übergreifendes Verkehrskonzept für Rellingen

Eine andere Initiative aus Rellingen fordert ein übergreifendes Verkehrskonzept für ihre Gemeinde. Silvia Schmidt, Carina Bode, Bernd Huckfeld und Ole Landskron gehören zum Organisationsteam der Initiative, die 500 Menschen regelmäßig mit Newslettern versorgt.

„Wir sind ein Zusammenschluss aus verschiedenen Initiativen zum Thema Verkehr“, sagt Bernd Huckfeld. Gemeinsam habe man mehr Durchschlagskraft. Ihr Ziel: ein umfassendes Mobilitätskonzept. Das wurde von Politik und Verwaltung bislang mit dem Hinweis auf die A23-Pläne abgelehnt.

„Die Begründung wirkt wie eine Ausrede“, sagt Ole Landskron. Man halte an Einzelmaßnahmen fest und schiebe die A23 vor. Die Initiative hatte von Herbst bis Dezember 2021 eine Umfrage zur Verkehrssituation in Rellingen gestartet, an der sich etwa 500 Menschen beteiligt haben.

Die Knackpunkte: zu viel Verkehr im Ortskern, zu schnelle Autofahrer, keinen Radwege, unzureichende Busanbindung. „Wir haben alles aufbereitet und der Politik überreicht.“ Studenten der HafenCity Universität (HCU) hatten außerdem eine Studie in Rellingen durchgeführt. Das Ergebnis: Die Bereitschaft der Rellinger, auf Bus, Bahn und Rad umzusteigen, sei sehr hoch.

Mitglieder der Initiative lassen sich bei der Kommunalwahl aufstellen

Der ÖPNV sowie der Rad- und Fußverkehr sollten gestärkt, der motorisierte Individualverkehr reduziert werden. Eine weitere Arbeit zu diesem Thema entsteht derzeit an der Technischen Universität Harburg im Rahmen einer Masterarbeit. Eine Ergänzung zu HCU-Studie.

„Wir befürchten allerdings, dass die Studien in einer Schublade verschwinden“, sagt Silvia Schmidt. Aus diesem Grund werden sie und Ole Landskron auf der Liste der Rellinger Grünen als Bürgerliche Mitglieder für die Kommunalwahl kandidieren. Die Grünen, mit denen es inhaltlich viele Überschneidungen gebe, hätten dazu eingeladen. In die Partei eintreten müssen sie dafür nicht. „Wir hoffen, uns im Rathaus so mehr Gehör zu verschaffen.“ Auch gegen die CDU-Mehrheit, die aus Sicht der Initiative vieles blockiere.

A23: Soll Rellingen weiter wachsen?

Auch wenn die Initiative im engen Austausch steht mit der BI A23 – sie positioniert sich weder für noch gegen den Ausbau der A23. „Uns geht es erstmal um ein umfassendes Verkehrskonzept, dass alle Aspekte beleuchtet“, sagt Carina Bode. Wo wolle Rellingen hin? Soll es weiter wachsen? Sollen weitere Gewerbeflächen geschaffen werden?

Dafür wolle man mit allen Fraktionen im Gespräch bleiben. „Wir wehren uns dagegen, alles auf den A23-Ausbau zu beziehen und in Rellingen keine Maßnahmen mehr durchzuführen.“

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