Residenz am Rantzauer See

Dieses Altenheim im Kreis Pinneberg ist ganz besonders

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Burkhard Fuchs
Feierten das zehnjährige Bestehen: Heimleiter Oliver Langpaap (v.l.), Verbandsvorsteher Heike Döpke, Heimleiter Christoph Merker und Hans-Hermann Sass vom Zweckverband.

Feierten das zehnjährige Bestehen: Heimleiter Oliver Langpaap (v.l.), Verbandsvorsteher Heike Döpke, Heimleiter Christoph Merker und Hans-Hermann Sass vom Zweckverband.

Foto: Burkhard Fuchs

Ungeahnte Geschichte: Als letztes kommunal geführtes Haus steht das Pflegeheim Barmstedt-Rantzau exzellent da – mit E-Taxi-Service.

Barmstedt.  Es ist das letzte kommunal geführte Altenpflegeheim der 46 Pflegeheime im Kreis Pinneberg mit ihren 3773 Plätzen. Und auch landesweit gibt es nur noch etwa ein Dutzend unter den 687 stationären Einrichtungen mit ihren 35.000 Heimplätzen in Schleswig-Holstein, die nicht vollständig privatisiert sind.

Jetzt feiert das Seniorenheim Barmstedt-Rantzau mit seinen betagten 91 Bewohnerinnen und Bewohnern das zehnjährige Bestehen der Residenz am Rantzauer See. Damit gehört es zu den am schönsten gelegenen Heimen im Kreis. Die Geschichte der Betreuung alter Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt in Barmstedt ist aber viel älter, nämlich ziemlich genau 200 Jahre alt.

Kommunaler Träger investierte Millionen in neues Seniorenheim

Darauf blickt nun Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke zurück. So errichtete die Barmstedter Armencommüne im Jahr 1820 in der Brunnenstraße 22 ein sogenanntes Armenhaus mit acht Zimmern für bedürftige ältere Menschen. Für ihren Unterhalt sorgte damals die Kirchenkasse. 1871 übernahm der „Gesamtarmenverband Barmstedt“ das Werk-Armenhaus, wie es dann hieß.

Seine Bewohner mussten allerdings für ihren Lebensunterhalt arbeiten, sofern sie dazu gesundheitlich in der Lage waren. Seit 1921, also seit gut 100 Jahren, heißt die Einrichtung Alters- und Pflegeheim und ist am alten Standort mehrfach um- und ausgebaut, 1970 sogar neu gebaut worden. Die Anzahl der Heimplätze stieg von 20 auf 63.

Im Jahr 2008 entschied der Zweckverband, am Rantzauer See neu zu bauen. Das 40 Jahre alte Gebäude an der Brunnenstraße entsprach längst nicht mehr den Ansprüchen an eine moderne Altenpflege. 9,3 Millionen Euro investierte der kommunale Träger in den Neubau, dem heute neben Barmstedt die Umlandgemeinden Bevern, Bullenkuhlen, Groß Offenseth-Aspern, Heede, Hemdingen, Langeln und Lutzhorn angehören. Die Gemeinden Bilsen, Ellerhoop, Bokholt-Hanredder und Klein Offenseth-Sparrieshoop sind noch vor Beginn des Neubaus wegen der Kosten und erwarteter hoher Defizite aus dem Verband ausgeschieden.

Seniorenheim schreibt seit einigen Jahren schwarze Zahlen

Denn das neue Heim am See hatte seine „Höhen und Tiefen“, erinnert Bürgermeisterin Döpke, die zugleich Verbandsvorsteherin ist. Gleich im ersten Jahr machte es 900.000 Euro, danach noch zweimal 300.000 Euro Verlust. Die 100 Mitarbeitenden, davon 50 Pflegekräfte, verzichteten in einem Haustarif drei Jahre lang jeweils auf 125.000 Euro Weihnachtsgeld und Zulagen, sodass sich der Zuschussbedarf von den acht Kommunen auf rund 100.000 Euro verringerte. Und seit ein paar Jahren schreibt das Heim schwarze Zahlen, erwirtschaftete sogar einen leichten Überschuss, was den Verlustvortrag auf etwa 600.000 Euro sinken ließ, erklärt Hans-Hermann Sass, stellvertretender Verbandsvorsteher.

Auch einen Wasserschaden in Höhe von mehr als einer Million Euro machte den Heimbetreibern zu schaffen. Bis heute ist der Rechtsstreit mit dem Architekten, der den Neubau als Generalunternehmer verantwortete, nicht endgültig geklärt. Im sumpfigen Untergrund des Überflutungsgebiets am See und der Krückau hätte das Gebäude 30 Zentimeter höher gebaut werden müssen, sagt Sass, der selbst Architekt und Bauingenieur ist. Dafür konnte das Heim von Anfang an mit seinem modernen Wohnkonzept punkten.

Fluktuation unter den Mitarbeitern ist gering

Die 91 Bewohnerinnen und Bewohner aller Pflegegrade leben hier in 14 eigenständigen Hausgemeinschaften mit separater Küche. Es sei ein neues Konzept, das die Auslastung immer auf gut 98 Prozent sicherstellte und die Fluktuation unter den Mitarbeitenden gering hielt, sagt Christoph Merker, der im September 2012 den Umzug in die neuen Räume als Heimleiter miterlebte und jetzt in den Ruhestand geht. Die Pflegekräfte arbeiteten „mit Herzblut“, sagt sein Nachfolger Oliver Langpaap. Etwa 550 Menschen hätten in den zehn Jahren hier ihren Lebensabend verbracht, sagt Merker.

Auch die Bewohnerinnen scheinen recht zufrieden zu sein. „Mir gefällt es hier gut“, sagt Lisa Bielenberg, die aus Horst stammt. Sie wollte vor zweieinhalb Jahren unbedingt an den Rantzauer See, sagt die 86-Jährige. „Und es hat sofort geklappt.“ Auch die 91-jährige Ellen Harbeck aus Barmstedt fühlt sich hier schon seit acht Jahren wohl. „Es ist alles in Ordnung“, findet sie.

Insofern sei es eine „mutige und wegweisende Entscheidung“ der acht Städte und Gemeinden gewesen, diesen Neubau vor zehn Jahren zu errichten, schätzt Pastorin Antje Stümke, die als Seelsorgerin die Bewohner betreut und Gottesdienste abhält. In einer Zeit, in der immer mehr Pflegeeinrichtungen privatisiert werden, sei das soziale Engagement der Träger-Kommunen nicht hoch genug anzuerkennen, lobte auch Eva Wulfheide vom kommunalen Pflegeverband Schleswig-Holstein mit seinen zwölf Mitgliedern die Betreiber-Kommunen für ihr Festhalten an dieser karitativen Einrichtung.

Denn: „Hier können die Bewohnerinnen und Bewohner sicher sein, dass keine Profitgier herrscht und keine Aktionäre Ausschüttungen erwarten.“

Jetzt gibt es sogar einen E-Rikscha-Service

Jetzt hat auch die Barmstedter Senioren-Residenz ihr eigenes Rikscha-Angebot. Von sofort an können sich die 90 Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheimes am Rantzauer See mit einem der zwei hauseigenen E-Bike-Taxis in die Innenstadt oder um den See kutschieren lassen. Der scheidende Heimleiter Christoph Merker hatte dieses Projekt initiiert und nun quasi als Abschiedsgeschenk den Bewohnern hinterlassen. Denn von den knapp 20.000 Euro Anschaffungskosten für die beiden E-Rikschas hat die Aktivregion Holsteiner Auenland 80 Prozent übernommen, sodass der kommunale Zweckverband, der das Heim betreibt, nur 3750 Euro selber tragen musste.

Im Frühjahr hatte Heimleiter Merker Barmstedts Bürgermeisterin Heike Döpke für dieses Projekt „der E-Mobilität im Seniorenheim Barmstedt/Rantzau“ gewinnen können. Das war schon die halbe Miete. Denn Heike Döpke ist nicht nur als Verwaltungschefin die Verbandsvorsteherin des Altenheim-Zweckverbandes. Sie ist zugleich auch die Zweite Vorsitzende im Vorstand der Aktivregion Holsteiner Auenland. „Das ist eine tolle Idee“, lobte Döpke. Auch die ältere Generation müsse an der nachhaltigen Mobilität teilhaben. Darum habe die Aktivregion die Anschaffung der elektrisch betriebenen Lasten-Fahrräder als innovativstes Vorhaben von 30 Anträgen mit der Höchstsumme gefördert. Und so fahren jetzt Sandra Steffen oder Carolin Walter vom neunköpfigen Team des sozialen Betreuungsdienstes die Bewohner auf Wunsch zum Rathaus, zum Wochenmarkt, um den See, zum Krückau-Wanderweg oder an das frühere Zuhause, wie Betreuungsdienstleiterin Walter sagt. „Wir wollen das ein- bis zweimal pro Woche anbieten. Das kommt natürlich auch auf das Wetter an und muss manchmal spontan entschieden werden.“

Bei der ersten Probefahrt zeigten sich die vier älteren alten Damen, die zu zweit nebeneinander bequem Platz in den beiden E-Rikschas finden, begeistert von dem Fahrservice ihrer Wohnstätte. „Das ist sehr bequem und wir bleiben in Bewegung“, freute sich die 82 Jahre alte Ursula Tönnies. Heimleiter Merker ist froh, dass er dieses für ihn letzte Projekt in Barmstedt noch anschieben konnte.

Dies ist bereits das zweite E-Rikscha-Angebot in Barmstedt. So bietet seit einigen Monaten der Malteser-Hilfsdienst solche Rikscha-Fahrten mit Lasten-E-Bikes kostenlos Menschen an, die nicht mehr so gut zu Fuß und mobil sind.

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