Elmshorn

Paten für Kinder psychisch kranker Eltern dringend gesucht

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Kitty Haug
Suchen Paten für das Regenbogen-Projekt: Natalia Klat und Angela Wehrmann am Eingang im Brückenhof der Brücke Elmshorn.

Suchen Paten für das Regenbogen-Projekt: Natalia Klat und Angela Wehrmann am Eingang im Brückenhof der Brücke Elmshorn.

Foto: KITTY HAUG / Kitty Haug

Regenbogen-Paten: Die Brücke Elmshorn sucht Menschen, die Schützlinge zeitweise betreuen. Warum das Projekt so wichtig ist.

Elmshorn.  Starke Gefühle gehören zum Leben. Es gibt aber Emotionen, die so stark sind, dass sie unser Denken außer Kraft setzten. Sie haben direkte Auswirkungen auf Motivation, auf Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit – und nicht zuletzt auf die Gesundheit. Wie auch bei einer jungen Mutter in Elmshorn, die eine sehr schwierige Kindheit durchlebt hat und nun unter einem schweren Trauma leidet. „Sie macht trotzdem ihre Erziehungsaufgabe so gut, wie sie es eben kann. Und gleichzeitig ist sie in dieser Erziehungsarbeit durch das Trauma beeinträchtigt“, sagt Natalia Klat. „Es waren die Mitarbeiter der Jugendhilfe, die der überforderten Mutter dann den Tipp gaben, sich bei uns zu melden.“

Elmshorn: Paten für Kinder psychisch kranker Eltern gesucht

Natalia Klat ist Sozialarbeiterin bei der Brücke Elmshorn. Sie koordiniert dort Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern. Die Brücke ist ein Träger, der Menschen mit psychischen Problemen oder psychischen Erkrankungen unterstützt, und zwar in Form von Beratung, Gruppenarbeit, Treffpunktangeboten, der ambulanten Betreuung oder als Arbeitstraining. Sie fungiert auch als Tagesstätte für Erwachsene und Wohngruppe für Jugendliche. Seit 2008 gibt es auch die sogenannten Regenbogen-Patenschaften.

Oft ist der Alltag für psychisch erkrankte Mütter oder Väter mit ihren Kindern nicht einfach zu meistern. Besonders in Krisenzeiten fällt es ihnen schwer, die Bedürfnisse ihres Nachwuchses wahrzunehmen und angemessen auf ihn einzugehen. Und für die betroffenen Kinder und Jugendliche ist es dann schwer, das Verhalten der Mutter oder des Vaters zu verstehen. Nicht selten fühlen sie sich verantwortlich für die Situation der Familie. Häufig übernehmen sie Aufgaben im Haushalt oder in der Versorgung jüngerer Geschwister. Einfach Kind sein ist mit einem psychisch erkrankten Elternteil leichter gesagt als getan.

Oft leiden die Kinder unter den Erkrankungen ihrer Eltern

„Sie gehen wenig raus, spielen kaum mit anderen Kindern oder zeigen ein aggressives Verhalten in der Kita oder in der Schule“, erzählt Angela Hildebrandt-Wehrmann an. Sie hat vor 14 Jahren das Regenbogen-Patenprojekt in der Brücke Elmshorn ins Leben gerufen. Nicht selten seien die Familien zudem von Arbeitslosigkeit, finanziellen Problemen, schlechten Wohnverhältnissen, Isolation und belastenden Beziehungen innerhalb der Familie betroffen. Es sei dabei so, dass Verwandte sich oftmals distanzierten und abwendeten. Dieses Problembündel bedeute für den Nachwuchs den Verlust einer unbeschwerten Kindheit. Auch Entwicklungsdefizite stellten sich ein, weiß die studierte Soziologin.

Ziel des Regenbogen-Projekts ist es, betroffenen Kindern einen Paten zu vermitteln, der sich verlässlich um sie kümmert. Die Paten gehen mit dem Kind etwa spazieren, backen Kuchen, spielen Gesellschaftsspiele oder sprechen mit ihm über Sorgen, so die beiden Koordinatorinnen.

Elmshorn: 28 Kinder werden aktuell von ehrenamtlichen Paten betreut

„Es geht nicht darum, den Kindern dann etwas Außergewöhnliches anzubieten. Es reicht ein Stück Normalität, denn nur so kann sich ein betroffenes Kind gesund entwickeln“, so Hildebrandt-Wehrmann. Und die Eltern oder der erkrankte Elternteil profitieren von dieser Patenschaft. Sie oder er kann in der Zeit durchatmen und etwas für sich tun, sich um Hilfe für sich selbst kümmern. Die Paten konkurrieren nicht mit den Eltern, „die Eltern bleiben die Eltern“, so die 66-Jährige Elmshornerin Klat.

Derzeit werden 28 kleine Menschen in Not von 14 ehrenamtlichen Paten im gesamten Kreisgebiet betreut, sagt Klat. Der Bedarf ist größer, daher sucht die Brücke nach neuen Patenschaften. In Zeiten wie diesen, wo Corona weltweit Sorgen bereitet, sei es besonders schwer, Paten zu finden, bedauert Hildebrandt-Wehrmann.

Pate für ein Kind kann im Projekt im Prinzip jeder werden

Pate kann beim Regenbogen-Projekt jeder werden. Auch Interessierte, die wenig Erfahrungen mit Kindern haben, aber offen für das Thema psychischer Erkrankungen und bereit für ein langfristiges Engagement sind, denn „es sollen dauerhafte, stabile Beziehungen entstehen“, so Hildebrandt-Wehrmann. Die meisten Kinder, die betreut werden sind zwischen sieben und acht Jahren alt. Ausgelegt sind die Patenschaften auf mindestens zwei Jahre. „Viele dauern oft länger, manche sechs, sieben Jahre. Und viele Kontakte bleiben auch danach noch erhalten, wie bei Oma und Opa“, bestätigt Klat.

Die Paten betreuen die Kinder in ihrer eigenen Wohnung zu verabredeten Zeiten – mindestens einmal in der Woche und, wenn es möglich ist, einmal im Monat am Wochenende. In Krisensituationen, wenn etwa der psychisch erkrankte Elternteil teilstationär oder stationär untergebracht wird oder wenn in akut schwierigen Situationen die Versorgung des Kindes nicht ausreichend gewährleistet werden kann, stehen die Paten unterstützend zur Seite.

Elmshorn: Freiwillige für Patenschaften für Kinder gesucht

Im Idealfall nimmt der Pate für diese Zeit das Kind vorübergehend bei sich auf. „Sie sollen für die Kinder immer da sein, sollen ein offenes Ohr haben, sollen eine verlässliche Bezugsperson in schwierigen Zeiten sein“, erklärt die studierte Sozialarbeiterin Klat. Die Patenschaften werden von den geschulten Mitarbeitern der Brücke fachlich begleitet.

Der eingetragene gemeinnützige Verein bietet Schulungen für Paten, Helfertreffen und feste Ansprechpartner in Krisenfällen während der Patenschaft an. Ebenfalls finden regelmäßige Gespräche zwischen Paten und der Herkunftsfamilie statt.

Für Eltern ist das Angebot kostenfrei, die Paten erhalten für ihr Ehrenamt eine Aufwandsentschädigung und Auslagen. Wer im Kreis eine Patenschaft übernehmen möchte, kann sich unter Telefon 04121/701 77 08 oder per E-Mail unter n.klat@brueckeelmshorn.de melden.

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