Elmshorn. Feuchte Hände, Schweiß, Übelkeit, Kopfschmerzen und die quälende Frage „Schaffe ich den Abschluss?“. Seit Wochen schon laufen die Abschlussprüfungen zum Ende der Ausbildung in der Beruflichen Schule Elmshorn. Für viele Azubis eine stressige Phase. Vor allem, wenn der Schüler Prüfungsangst hat.
Deshalb stehen Ausbilder, Sozialpädagogen und eine Psychologin an der Elmshorner Berufsschule beratend zur Seite und versuchen auch schon während der Ausbildung darauf hinzuwirken, dass die Panik vor der Prüfung nicht zu groß wird. Seit Anfang des Jahres kommt nun auch der externen Lerntherapeutin Jeannine Hohmann eine besondere Rolle zu: Sie bietet den Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Projekt „Leistungsängste schrumpfen lassen“ an.
Durch ein Angstgefühl kann es zu Blockaden im Gehirn kommen, Konzentration ist nur noch schlecht möglich. Als Folge können etwa eine Lernblockade oder auch ein totaler Blackout eintreten. Der Azubi könnte die Aufgaben nicht bestehen, obwohl vorher intensiv gelernt wurde. Die Zielgruppe sind alle Schüler der Berufsschule, sprich junge Erwachsene zwischen 17 und 24 Jahren.
Etwa neun Schülern bietet Hohmann inzwischen eine sehr individuelle Begleitung an. „Ich habe Angst vor Klassenarbeiten“ oder „Ich habe Bauchschmerzen“ ist immer wieder zu hören, erzählt Hohmann. Die Betroffenen kennen ihre körperlichen Symptome sehr genau.
In den 45 Minuten langen Gesprächen, die einmal wöchentlich stattfinden, geht es dann um die Bewusstwerdung, dass Situationen vorhanden sind, die Emotionen und Gedanken auslösen, die zur Entwicklung dieser körperlichen Symptome führen. Und dann folgt eine Konditionierung, in der negative Glaubensmuster durch positive ersetzt werden. Oder andere Methoden auch aus dem Bereich der Psychologie sowie Reflexionen. Und es dauert eine Weile, bis man das, was man erlernt, im Alltag für sich nutzen kann, die Schüler stabilisiert sind, so Hohmann. Doch bereits jetzt sei das Feedback der jungen Menschen auf das neue Angebot sehr gut.
Ursachen für Prüfungs- und Leistungsangst sind vielfältig und individuell. Misserfolgserlebnisse in der Vergangenheit, eine hohe Erwartung oder familiärer Druck können zur Angst beitragen, erklärt die Therapeutin. Aber auch schulische Überforderung und Teilleistungsstörungen wie etwa die Lese-Rechtsschreibschwäche (Legasthenie), die Rechenschwäche (Dyskalkulie) oder ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS oder ADHS) können zur Angst beitragen. Und auch die coronabedingten Schulschließungen, Fernunterricht und Ausfälle haben bei den Azubis ihre Spuren hinterlassen.
Hohmann stellt fest, dass besonders die Zukunftsängste bei den Berufsschülern seit Corona zugenommen haben. Und damit auch der Druck, Prüfungen nicht zu bestehen. „Sie machen sich jetzt sehr viel mehr Gedanken, denn sie wollen unbedingt einen guten Abschluss haben.“ Und da gilt es dann, über Alternativen zu sprechen, „den Worst Case zu entmystifizieren und zu sagen, es gibt immer noch Alternativen, falls der Schüler durch die Prüfungen fällt“.
Das Projekt sei wichtig, besonders und ist im Kreis Pinneberg einmalig. Zunächst ist es auf ein Jahr begrenzt. „Da hat die Berufsschule wirklich viel initiiert und ermöglicht.“ Entstanden ist es im Rahmen des „Aktionsprogramm nach Corona für Kinder und Jugendliche“ des Bundesfamilienministeriums, mit dem die Regierung zwei Milliarden Euro investiert, um Kinder und Jugendliche auf dem Weg zurück in ein unbeschwertes Aufwachsen zu begleiten und sie beim Aufholen von Lernrückständen zu unterstützen.
Jeannine Hohmann arbeitet seit mehr als zehn Jahren als Lerntherapeutin. Sie weiß, wie man Lernprobleme löst und dass jedes Kind Lesen, Schreiben und Rechnen lernen kann. Seit fünf Jahren unterrichtet sie Kinder mit Lese-, Rechtschreib- oder Rechenschwäche in ihrem Institut in Elmshorn. Mit dem „Institut Lernen“ hat sie sich den Traum erfüllt, eine Schnittstelle zwischen pädagogischen Fachkräften, Referentinnen und Referenten und den Trägern der Bildungsstätten zu schaffen. Und weil es für sie kaum etwas Schöneres gebe, als Kinder dabei zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
Ursprünglich wollte die zweifache Mutter Lehrerin werden, doch dann startete sie eine Ausbildung in einer Montessori-Einrichtung. Heute bietet die Diplompädagogin ihre Kenntnisse und Erfahrungen auch als Referentin in Schulen an, bildet Schulassistenten in Schleswig-Holstein aus, unterstützt Schulbegleiter oder Lesementoren in Elmshorn und organisiert Weiterbildungen.
Ihr Hauptaugenmerk liegt jedoch bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADS und ADHS. „Mir ist es ein Herzensanliegen, dass die Pädagogen aufgeklärt werden“, sagt die Expertin. Denn das Krankheitsbild sei immer noch ein Tabuthema. Es gebe nach wie vor Lehrer, die nicht bereit sind, sich auf dieses Thema einzustellen. „Sie wissen oft nicht, wie sie es den Eltern sagen sollen“. Aber auch viele Eltern „wollen es einfach nicht annehmen.“ Und das, obwohl Studien des Robert-Koch-Institus zur Gesundheit von Kindern in Deutschland zeigen, dass mindestens zwei Schüler in jeder Klasse davon betroffen sind.
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