Wirtschaft

Kreis Pinneberg soll ein Gründungszentrum bekommen

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Burkhard Fuchs
Lisa Bohm aus Rellingen hat sich mit Hilfe der WEP erfolgreich selbstständig gemacht und berät jetzt Firmen sowie Kommunen, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen.

Lisa Bohm aus Rellingen hat sich mit Hilfe der WEP erfolgreich selbstständig gemacht und berät jetzt Firmen sowie Kommunen, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen.

Foto: Burkhard Fuchs

Kreistag will Beschluss am Mittwoch fassen. Warum Existenzgründer am Hamburger Rand besonders erfolgreich sind.

Pinneberg.  Der Kreis Pinneberg ist Gründerland. Er ist sogar amtierender „Vize-Landesmeister“, was Neugründungen von Unternehmen angeht, freut sich Harald G. Schroers, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Pinneberg (WEP). „Wir sind die Nummer zwei in Schleswig-Holstein.“

Gründungen: Landkreise aus Bayern an der Spitze

Dies belegt die Studie des renommierten Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IFM). Demnach steht der mit rund 310.000 Einwohnern bevölkerungsreichste Kreis im Land bei den Firmengründungen im bundesweiten Vergleich aller 401 Landkreise und kreisfreien Städte mit 170,6 Punkten auf Rang 22, direkt hinter Hamburg auf Platz 21 (170,7 Punkte) und dem Landesmeister, Kreis Nordfriesland, mit 173,6 Punkten auf Platz 20, noch vor Harburg (Rang 23) und Neumünster (Rang 25).

Vorjahressieger Stormarn im nördlichsten Bundesland fiel bundesweit von Platz 25 auf 32 und hierzulande auf Rang 3 zurück. Gegenüber dem Vorjahr ist der Kreis Pinneberg damit um fünf Plätze nach oben geklettert. Bundesweit an der Spitze liegen hierbei die Landkreise München und Miesbach vor der Stadt Rosenheim. Der Durchschnitt aller Kreise beträgt 124,6 Punkte.

Das Gründerklima erstellt das IfM Bonn seit 1998 jährlich, indem es das sogenannte Neue Unternehmerische Initiative (NUI)-Regionen-Ranking bestimmt. Dazu werden nicht nur Existenzgründungen, sondern auch Betriebsgründungen, Übernahmen und Zuzüge von Gewerbebetrieben sowie Aufnahmen einer gewerblichen Nebenerwerbstätigkeit herangezogen. Der NUI-Indikator gibt an, wie viele Gewerbebetriebe pro 10.000 Einwohner im erwerbsfähigen Alter in einer Region im entsprechenden Jahr neu angemeldet wurden. Der nördlichste Westküstenkreis verdanke seine Spitzenposition vor allem den landschaftlichen und klimatischen Besonderheiten, erläutert WEP-Chef Schroers.

Gründungen: Förderung „trägt Früchte“

Während hier im Kreis Pinneberg eher ein ausgewogenes, branchenübergreifendes Gründungsgeschehen zu verzeichnen sei, liege der Gründungsschwerpunkt in Nordfriesland seit einigen Jahren vor allem im Bereich der Erneuerbare Energien mit Windrädern, Biogasanlagen und deren Verwaltung. „Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, Menschen für die Gründung von eigenen Unternehmen zu motivieren und zu befähigen“, freut sich Schroers über den Vizemeistertitel mit dem „schönen Platz auf dem Treppchen“.

Erfolgszahlen wie die im NUI-Ranking bestätigten, „dass unsere Gründungsförderung Früchte trägt“. Dies seien zudem wichtige Indikatoren für eine stabile, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Kreises Pinneberg. Dabei lege die WEP neben der Beratung und Schulung großen Wert auf lebendige Netzwerke für neue Start-ups und Existenzgründer, so Schroers.

Diese Unterstützung hat auch Lisa Bohm (34) sehr geholfen, wie sie dem Abendblatt berichtet. Die ehemalige Angestellte im Marketing hat sich voriges Jahr mit ihrem Konzept selbstständig gemacht und sich zur zertifizierten Beraterin für Elektromobilität und andere alternative Antriebe ausbilden lassen, erzählt die Rellingerin.

Gründungen: Seminar liefert den notwendigen Input

Jetzt berät sie Firmen wie Liefer- und Pflegedienste, aber auch Kommunen, die ihren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umstellen wollen. Aber auch Privatleute gehörten zu ihren Kunden ebenso wie die Produkte Hybrid-, Wasserstoff- oder Gasantriebe, sagt sie. „Ich versuche, für sie das richtige Fahrzeug zu finden. Das geht bis zur letzten Meile und kann auch ein E-Bike sein“, sagt Lisa Bohm.

Den nötigen Impuls und die Start-up-Hilfe hätte ihr ein Existenzgründer-Seminar der WEP in Quickborn gegeben, berichtet die Jungunternehmerin. „Das war für mich der perfekte Start.“ Da habe sie alles Wichtige über Finanzierungsfragen, Kunden-Akquise, Versicherung, Datenschutz und Rechtsfragen erfahren. „Und auch jede Menge Tipps und Tricks erhalten“, wie sie sagt. „Das ist ein tolles Programm. Jetzt bin ich gut aufgestellt.“

Gründungen: Technologiezentrum im Kreis geplant

Neben dem nötigen Rüstzeug seien auch der Austausch der Jungunternehmer untereinander und ihr Kontakt zu erfahrenen Insidern für einen erfolgreichen Start enorm wichtig, erklärt WEP-Chef Schroers. Darum möchte er auf Kreisebene das positive Gründerklima weiter forcieren und institutionalisieren. „Dieses positive Gründergeschehen im Kreis kann mit dem bereits angedachten Gründerzentrum eine zusätzliche Qualität erhalten“, ist er überzeugt.

So plant der Kreistag – wie berichtet - seit Ende 2019, in den nächsten Jahren ein Gründungs- und Technologiezentrums (GTZ) im Kreis Pinneberg mit seinen zurzeit rund 92.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen einzurichten – mit dem Ziel, junge Unternehmen zu fördern, sie in der Region zu halten und Arbeitsplätze zu schaffen.

Gründungszentrum könnte 9,8 Millionen Euro kosten

Auf der Kreistagssitzung am Mittwoch, 9. Februar (ab 18 Uhr als Videokonferenz) soll dieses Vorhaben nach zweijähriger Beratung und einer Machbarkeitsstudie endlich beschlossen werden. Bis zu fünf Millionen Euro will der Kreis dafür bereitstellen.

Die sogenannte Westküstenstudie, die 2018 die „Erfolgsfaktoren für innovative Unternehmensgründungen an der Westküste“ untersuchte, kam sogar zu dem Ergebnis, dass die für die Baukosten eines Gründungs- und Technologiezentrums mit etwa 3500 Quadratmeter Nutzfläche rund 9,8 Millionen Euro notwendig seien.

Darum fordert die SPD-Fraktion, die 2019 diese Diskussion angestoßen und sich auf diese Studie berufen hatte, dass jetzt bei der Auswahl des künftigen Standortes die Empfehlungen der Westküstenstudie als Grundlage genommen werden. Die WEP soll dann mit den Wirtschaftsförderern der Kommunen und einem noch zu beauftragenden Berater das Interessenbekundungsverfahren einleiten. Die Kreisstadt Pinneberg und auch Wedel haben bereits starkes Interesse dafür angemeldet. „Wir brauchen einen sinnvollen Standort dafür, sind aber noch auf der Suche nach dem geeignetsten“, sagt WEP-Chef Schroers.

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