Elmshorn. Ende Dezember werden Strom und Wasser abgestellt, Anfang des neuen Jahres sollen die Bagger anrollen, um die ehemalige Elmshorner Post an der Berliner Straße abzureißen. Doch kurz zuvor wird das leer stehende Gebäude für acht Tage noch ein allerletztes Mal belebt und verwandelt sich quasi in ein Atelier. „Suchtherapiezentrum a.v.B.“ lautet die außergewöhnliche Raum- und Klanginstallation, die schon am kommenden Freitag, 5. November, in der Berliner Straße 6 starten soll. Die Hamburger Künstlerin Tina Oelker hat das Konzept erarbeitet und gestaltet die Aktionen vor Ort.
Die Interaktion, so beschreibt es Tina Oelker, basiert auf einem von ihr erstellten Begegnungs- und Erfahrungsbauplan, der jedem Besucher und Teilnehmer eine besondere Erfahrung ermöglicht. „Die Post hat wahnsinnig viel Charme. Die Räumlichkeiten sind spannend, es gilt, sie wieder zum Leben zu erwecken“, sagt die Künstlerin.
So erhalten Besucher am Eingang den Passagierschein 35 B, können dann in einem Wartesaal auf Stühlen bei einer Sekretärin Platz nehmen, bis sie vom Post-Personal durch die Räumlichkeiten geleitet werden. Unterschiedliche Wandmalereien wie beispielsweise Philosophenporträts oder Ständer mit Formularen und Dokumenten zwischen den Postfächern oder Sortieranlagen sollen eine Stimmung erzeugen „als ob die Post noch leben würde“.
Diese Voraussetzung müssen Statisten erfüllen
Um dem Gebäude noch ein letztes Mal Leben einzuhauchen, sucht die Künstlerin Personen, die das interaktive Kunstprojekt als Statisten und Mitspieler unterstützen können. Wer also schon als Kind mit der guten alten Kinderpost Briefmarken klebte und abstempelte, ist hier gut aufgehoben. Gesucht werden aber auch Personen in typisch braver Beamtenkleidung, ausgerüstet mit Klemmbrett, Kugelschreiber und Kittel oder in einem grauen oder beigefarbenen Herrenanzug. „Jeder ist willkommen: Frisch, gesund und beweglich“, so Oelker.
„Suchtherapiezentrum a.v.B.“ - der Titel des Projekts geht schwer über die Zunge. Das ist gewollt, so die Künstlerin, denn „Worte haben Kraft“. Sie spiele gern mit Worten, um ein Bewusstsein für diese zu finden, es ist Teil ihrer Kunst. „a.v.B.“ steht für „außerhalb von Berlin“ und ist eine Anspielung auf Kunstinteressierte mit „Pinneberg & Co.-Scheuklappen“, die lieber nach Berlin führen, obwohl gute Ausstellungen auch wenige Kilometer von Hamburg aus zu finden sind.
Oelkers Ziel war es, 1000 Hasen zu malen
Die aus Hamm stammende Künstlerin wurde 1973 geboren. Sie studierte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften und belegte Kurse an der Hochschule für Bildende Künste unter Franz Erhard Walther in Hamburg. 1994/95 stellte sie ihre Arbeiten unter anderem auch in New York aus. Dort studierte sie an der School of Visual Arts und an der Art Student’s League. Und fand dort sie auch ihr ganz spezielles Motiv, das sie seitdem begleitet: die riesige Hasenskulptur im Sprung von Barry Flanagan. Sie wählte das Tier als Thema ihrer Diplomarbeit und nahm sich 2007 vor, 1000 Hasen zu malen. Werke des Projekts der „1000 Hasen“ befinden sich bereits in zahlreichen Privatsammlungen, so auch in der Sammlung Harald Falckenberg, Hamburg.
Parallel zur Hasenmanufaktur hat Oelker 2010 das „Hafentor 7“ gegründet. Hier hoppelt ein Hase an der Hauswand, und hier organisiert sie Ausstellungen und gibt anderen Künstlern Raum.
Die Ausstellung eröffnet am Freitag, 5. November um 18 Uhr. Bis zum 14. November lädt das Haus dann zur aktiven und interdisziplinären Begehung ein, und zwar täglich außer am Montag und Dienstag jeweils von 16 bis 19 Uhr.
Passierschein und weitere Dokumente sind unter www.tinaoelker.com zu finden. Der Eintritt ist frei. Es gilt die 3G-Regel.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Pinneberg