Pinneberg. Zwei Grenzgänger der Kunst bekommen die diesjährigen Drosteipreise: Der Jugendförderpreis geht an den Gitarristen und Musikpädagogen Johann Jacob Nissen, den Drosteipreis 2021 erhält der Quickborner Künstler Reinhold Engberding. Die offizielle Preisverleihung findet am 7. November vor geladenen Gästen in Elmshorn statt. Die Vorschläge für die Preisträger stammen aus der Bevölkerung des Kreises.
Jugendförderpreis geht an Johann Jacob Nissen
Der 30 Jahre alte Johann Jacob Nissen hat seine Kindheit in Pinneberg verbracht und an der Johannes-Brahms-Schule sein Abitur gemacht. Mit dem Gitarrenspiel ist er aufgewachsen, hat es zuerst an der Pinneberger Musikschule gelernt, dann klassische Gitarre an der Hamburger Musikhochschule studiert und Meisterkurse absolviert. Er unterrichtet Musik an der Johannes-Brahms-Schule, wo er die Jugendlichen für klassische Musik entflammt – und nicht zuletzt ist er Gründer des Quartetts Mirror Strings in der sehr seltenen, wenn nicht gar einzigartigen Besetzung von zwei Gitarren und zwei Celli.
Mit dieser Formation tourt er seit einiger Zeit – unterbrochen von Corona – durch die Klassik-Festivals. Gerade ist die inspirierende, facettenreiche, feinsinnig zusammengesponnene CD „Dedication“ (= Hingabe) erschienen, auf der ausschließlich Musik zu hören ist, die junge Komponisten für das spannende neue Ensemble komponiert haben – es gibt für diese Formation ja auch keinerlei Repertoire! Die jüngste von ihnen, Shadi Kassaee, hat iranische Wurzeln und war erst 17 Jahre alt, als sie das Stück „le miroir magique“ für sie komponiert hat.
Die Begründung der Drosteipreis-Jury, Nissen den Jugendförderpreis zu geben, liefert Drosteichefin Stefanie Fricke: „Johann Jacob Nissen ist ein ausgezeichneter und mitreißender Solist und Kammermusiker, aber er bringt noch viel mehr mit, ist Initiator, Impulsgeber, und er schafft es, als Lehrer in Jugendlichen die Begeisterung für Musik zu entzünden.“ Bezeichnenderweise haben ihn zwei Schüler aus der Johannes-Brahms-Schule vorgeschlagen.
Nissen geht es immer um die Musik
„Es ist eines der relevantesten Erlebnisse, gemeinsam zu musizieren“, sagt Nissen. Sichtbar glücklich ist er darüber, jeden Tag seinem Traumjob nachgehen zu dürfen, für den er allerdings auch hundertprozentig einsteht. Zwei Gitarren, zwei Celli – wie kam es dazu? „Hauptsächlich, weil Luisa Marie Darvish Ghane und ich gute Freunde waren und zusammen Musik machen wollten.“
Zwei Gitarristen also, die sich mit zwei exzellenten Cellisten zusammentaten. Als erstes nahmen sie sich Griegs Holberg-Suite für Streicher vor, die in dieser Besetzung „ein spannenderes Klangbild ergab. Sich den Ball zuzuwerfen, macht die Musik frischer und offener“, so Nissen. Es folgte ein nur auf den ersten Blick einfaches Impromptu von Schubert.
Langsam kamen Komponisten aus diversen Ländern auf sie zu, sie vergaben Aufträge – und das Ergebnis ist auf der neuen CD zu hören. Die jungen Musiker hätten „die Kraft, diese ganze Stärke auf die Gitarre zu bringen“, sagt Stefanie Fricke. Aber Grenzen sprengt Mirror Strings nicht um des Sprengens willen. Letztlich gehe es immer um die Musik, sagt Johann Jacob Nissen.
Drosteipreis: Auszeichnung für Reinhold Engberding aus Quickborn
Auch Reinhold Engberding, Jahrgang 1954, steht, obwohl er der vorigen Generation angehört, noch immer in Flammen für die Kunst. Sein Weg war kurvig und unbequem, Engberding hat sich offenbar nie auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Eine Gärtnerlehre zu machen, sei „eine meiner glücklichsten Entscheidungen“ gewesen“, sagt er. Die Kunst als Beruf kam erst später dazu, als er die daran anschließende Landschaftsplanung wieder verließ, weil ihm die Planungsvorläufe zu lang waren. Nach einer Reise in die südenglischen Gärten brach er zu diversen Keramikwerkstätten auf und studierte dann freie Kunst in Kiel.
Als er in Den Haag weiterstudierte, beschloss Engberding, „auf keinen Fall Ton in die Hand zu nehmen. Das war sehr gut für mich.“ Es folgte ein Stipendium, und in dieser Zeit konnte er ohne Nebenjobs in Ruhe Dinge ausprobieren. Er begann, mit Fotos zu experimentieren und mit schwarzer Baumwolle Strukturen zu häkeln. Die eigene Identität oder die anderer Menschen künstlerisch zu hinterfragen, ist eines seiner Kernthemen, das ihn auch dazu führte, gebrauchte Jacketts zu kaufen und daraus Kunst zu machen: „Dass da jemand drin gelebt hat, ist für mich interessant“, sagt er.
Das Menschliche erscheint bei ihm im Dinglichen, und das Erinnern dringt in die Gegenwart vor. Einer der zentralen Punkte, die die Jury an diesem spannenden Künstler interessiert hat, sei gewesen, welche Fragen er sich stelle, sagt Stefanie Fricke. Das Antworten überlässt Engberding dem jeweiligen Betrachter.
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