Pinneberg

In der Pinneberger Musikschule wird wieder gespielt

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Katja Engler
Der Leiter der Pinneberger Musikschule, Alireza Zare, mit seiner Gitarre im Unterrichtsraum, wo noch viele weitere Instrumente stehen.

Der Leiter der Pinneberger Musikschule, Alireza Zare, mit seiner Gitarre im Unterrichtsraum, wo noch viele weitere Instrumente stehen.

Foto: Katja Engler

Pandemie hat die Musikschule fast die Hälfte der Mitglieder gekostet. Doch nun gibt es ein neues Programm.

Pinneberg. Kurzarbeit, Honorarausfälle, schrumpfende Mitgliederzahlen – die Pinneberger Musikschule hat schwere Zeiten hinter sich. Aber jetzt stehen ihre 60 Mitarbeiter wieder voller Tatendrang in den Startlöchern. Leiter Alireza Zare hat neue Flyer entworfen, das Programm veröffentlicht und erklärt, warum musikalische Bildung gerade jetzt so wichtig ist.

„Kinder lernen, sich zu konzentrieren, trainieren ihre Feinmotorik, erlernen soziale Kompetenz beim gemeinsamen Musizieren, bekommen eine Beziehung zur Musikgeschichte und zu Komponisten, lernen, ihre beiden Hände zu koordinieren und außerdem etwas Schönes, auf das sie sich jeden Tag freuen können“, sagt er.

Nur wenige Musikschüler haben in Corona-Krise gekündigt

Dass es die Musikschule noch gibt, lässt ihn aufatmen: „Ohne die Agentur für Arbeit und ohne die Solidarität unserer Schülerinnen und Schüler hätten wir diese Zeit nicht überstanden.“ Auch der Oscar und Vera Ritter-Stiftung ist er sehr dankbar für die Unterstützung.

Trotz Online-Unterrichts, ausgefallener Projekte und Orchester-Aktivitäten haben nur wenige Jung-Musiker gekündigt. Dass die Mitgliederzahl dennoch dramatisch von 2300 im vergangenen Jahr auf rund 1200 in diesem Jahr zurückgegangen ist, hat mit dem Lockdown zu tun und damit, dass sämtliche Angebote musikalischer Früherziehung in Kindertagesstätten, Kooperationen, Schülerprojekte und Angebote der Musikschule in den Ganztagsschulen wegen Corona ausfallen mussten. „Es war sehr schwer“, sagt Zare. „Was wir erlebt haben, zeigt, wie schlecht gemeinnützige Einrichtungen wie wir dastehen, wenn sie keinen Rückhalt haben.“

Allein das Jugendsinfonieorchester ist seit Ende 2018 von knapp 50 auf rund 30 Jungmusiker geschrumpft – weil Schulabgänger meistens erst mal fortgehen, aber niemand nachgerückt ist.

40 Prozent weniger Gehalt für Musiklehrer

Neben der Musikschule in Pinneberg werden im Kreis noch die in Quickborn und Elmshorn als gemeinnützige Einrichtungen geführt. „Das überträgt sich leider auf die Gehälter“, erklärt Zare. „Wir haben viele erstklassige Lehrkräfte, alle haben einen Hochschulabschluss.“ Aber nur 27 von 60 Lehrkräften seien fest angestellt, sie würden nach einem Haustarifvertrag bezahlt, erhielten also weniger Geld als anderswo.

Bis Ende 2020 konnte Zare noch alle Gehälter und Honorare bezahlen, „ab Januar ging das nicht mehr.“ Der Unterricht im Elementarbereich in den Kitas sei wegen verkleinerter Gruppen zusammengeschrumpft, die Lehrkräfte hätten teilweise 40 Prozent weniger Honorar bekommen. Gehe es noch mal so weiter wie in den vergangenen Monaten, müssten sie um die Existenz fürchten.

Musikalische Früherziehung schon am sechs Monaten

Das liegt auch daran, dass die Pinneberger Musikschule vergleichsweise wenig öffentliche Förderung bekommt. Eine Tabelle im 2020er Jahresbericht des Bundesverbandes der Musikschulen zeigt, dass Schleswig-Holstein gemeinsam mit Hessen den letzten Platz belegt, was den Anteil öffentlicher Unterstützung am Gesamtetat betrifft. In beiden Bundesländern liegt dagegen der Anteil der Gebühren am Gesamtetat bei knapp 60 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern übrigens nur bei gut 30 Prozent.

Besonders wichtig erscheint die musikalische Früherziehung. Es ist hinreichend wissenschaftlich erwiesen, dass diese gar nicht früh genug anfangen kann. Im Programm der Musikschule geht es deshalb schon mit einem „Piepmatzkurs“ für Kinder ab sechs Monaten los, in dem Lieder zum Kitzeln, Wiegen, Tanzen und das Hören von Klängen ausprobiert werden. „Momentan dürfen wir alles“, sagt Alireza Zare freudestrahlend.

Im Kursus „Musikknirps“ für Kinder ab zwei Jahren wird Freude und Mut zum eigenen musikalischen Ausdruck gefördert, Kinder lernen gemeinsam Lieder, Verse, Finger- und Bewegungsspiele. Ab drei Jahren wird in „Sim Sala Musica“ gemeinsam musiziert, was zuhause geprobt und gesungen wird – vermittelt durch erfahrene Musikpädagogen.

Zwei Meisterkurse für die Musikschüler

Sehr viel Mühe habe es Alireza Zare gekostet, Sponsoren für das Projekt „Schule musiziert“ zu finden, das allen Kindern die Chance gibt, ein Jahr lang unentgeltlich ein Instrument zu spielen. Viel versprechend hatte es an der Hans-Claussen-Schule begonnen, um dann durch Corona ausgebremst zu werden. Jetzt geht’s aber wieder los.

In der Musikschule können Jugendliche und Erwachsene wählen zwischen Gesangsunterricht, Schlagzeug, Balalaika oder Ukulele spielen lernen, Klavier, Gitarre, Marimba, Trompete, Fagott und mehr. Mit zwei renommierten Ensembles hat Zare zwei Meisterkurse für seine Schüler auf die Beine gestellt: Das L.A. Guitar Quartet kommt am 14. August nach Pinneberg und spielt am Abend zweimal in der Elbphilharmonie, und das Amaryllis Quartett gibt am 27. November einen Meisterkurs, um abends im Pinneberger Ratssitzungssaal zu gastieren. (Karten über www.eventim.de).

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