Elmshorn/Itzehoe. Dragana Seifert fand deutliche Worte. „Es muss eine unvorstellbare Gewalteinwirkung auf den Kopf des jungen Mannes gegeben haben“, so die 62-Jährige am Montag vor dem Landgericht Itzehoe. Die Professorin und langjährige Rechtsmedizinerin untersuchte am 24. September vorigen Jahres im UKE den sterbenden Viktor W. (32), der einen Tag zuvor nach einer Prügelattacke in einem Park in Elmshorn-Hainholz per Rettungshubschrauber in die Hamburger Klinik gebracht worden war.
Für den Gewaltexzess soll Maxim R. (33) aus Elmshorn verantwortlich sein, der sich seit dem 11. März dieses Jahres vor der Schwurgerichtskammer wegen Mordes verantworten muss. Er hörte am zehnten Verhandlungstag regungslos den Worten der Rechtsmedizinerin zu, die schonungslos aufzeigte, welche verheerenden Folgen die Prügelattacke für das Opfer Viktor W. hatte. Dessen Kopf wurde – vermutlich mit einer Eisenstange – regelrecht zu Brei geschlagen.
„Es lag eine massive Schwellung des Groß- und des Kleinhirns vor“, so die Sachverständige. Sie präsentierte den Prozessbeteiligten Bilder des Opfers, die die Verletzungen zeigten, in deren Folge Gehirnmasse aus einem Ohr des 32-Jährigen austrat. „So etwas habe ich in meiner Karriere bei Schlagverletzungen noch nie gesehen“, so Seifert weiter. Lediglich bei Verkehrsunfällen mit Überrollen des Kopfes oder Stürzen aus großer Höhe seien ihr derartige Bilder begegnet.
Die Schläge auf den Kopf hätten zu unzähligen Schädelfrakturen geführt, die wiederum einen massiven Blutverlust zur Folge hatten. Seifert: „Als der Notarzt eintraf, war das Opfer quasi schon ausgeblutet, das Herz hat ins Leere gepumpt.“ Gegen 4.15 Uhr in der Tatnacht sei mit der medizinischen Behandlung begonnen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe Viktor W. keinen Kreislauf mehr aufgewiesen und seine Pupillen hätten nicht mehr auf Licht reagiert. „Schon zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich, dass massive Gehirnschäden vorliegen müssen“, so die Rechtsmedizinerin.
Zwei Stunden lang sei der 32-Jährige vor Ort mit Hilfe eines Brustkorbkompressionssystems wiederbelebt worden, im Rettungshubschrauber und drei weitere Stunden im UKE sei diese Maßnahme fortgesetzt worden. „Es handelte sich um einen jungen, gesunden Patienten, da geben die Ärzte nicht so schnell auf.“ Es sei zwar gelungen, den Kreislauf zu reaktivieren, jedoch seien keine Gehirnaktivitäten mehr feststellbar gewesen. Laut der Sachverständigen sind zehn Minuten, in denen das Gehirn nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, ausreichend, um irreparable Schäden zu verursachen. Dieser Zeitraum sei im vorliegenden Fall weit überschritten worden. „Beim Eintreffen des Patienten im UKE lag faktisch ein Hirntod vor.“
Viktor W. habe große Mengen an Bluttransfusionen erhalten, jedoch sei im Gehirn die wichtigste Arterie verletzt worden, sodass das Blut sofort wieder ausgetreten sei. „Ohne jegliche Chance auf Leben“ – so beschrieb die Gutachterin den Zustand des Verletzten, für den es keine Behandlungsoptionen mehr gegeben habe. Ihre Kollegen hätten daraufhin in einer Operation die zum Gehirn führenden Gefäße abgeklemmt und den Rest des Körpers bis zum 28. September am Leben erhalten, um mit Zustimmung der Angehörigen Herz, Lunge, Leber, Bauchspeicheldrüse und beide Nieren transplantieren zu können.
Bereits am Freitag hatte ein Kripo-Beamter ausgesagt und auf Blutspritzer hingewiesen, die am Tatort gefunden waren – in einer Höhe von 1,7 Metern und einer Breite von mehr als zwei Metern. Das lässt erahnen, mit welcher Wucht auf den Kopf des Opfers eingeprügelt worden sein muss. Die vermutliche Tatwaffe, ein Eisenrohr, wurde in einem Gebüsch nahe des Tatortes sichergestellt. Viktor W. war zur Tatzeit mit Ella R., der Ex-Ehefrau des Angeklagten, liiert.
Der war mehrere Stunden nach der Tat von Beamten der Mordkommission Itzehoe festgenommen worden – und hatte in seiner ersten Vernehmung sowie bis zum Prozessbeginn jegliche Schuld bestritten. Maxim R., der nach einem Unfall auf eine Gehstütze angewiesen war, habe behauptet, angesichts seiner Verletzung als Täter nicht in Frage zu kommen, so ein Vernehmungsbeamter vor Gericht. Der spätere Angeklagte habe während der Vernehmung weder nervös noch angespannt gewirkt.
Laut Verteidiger Siegfried Schäfer, der am Montag nach seiner häuslichen Quarantäne in den Gerichtssaal zurückkehrte, will sein Mandant im Verlaufe des Verfahrens ein Geständnis ablegen. Der Jurist sieht mildernde Umstände, weil sein Mandant in krankhaftem Eifersuchtswahn gehandelt habe. Zu dieser Frage hat das Gericht Professor Dr. Arno Deister als Sachverständigen eingeschaltet. Angesichts des coronabedingten Ausfalls des Hauptverteidigers sind die Hauptzeugen, die eine krankhafte Eifersucht des 33-Jährigen bezeugen sollen, noch nicht gehört worden – allen voran Ex-Frau Ella R.. Die Kammer hat daher weitere Prozesstermine anberaumt. Mit einem Urteil ist Ende Juni zu rechnen.
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