Westerhorn. Das wohl einladendste Bahnhofsviertel im Kreis Pinneberg ist neu und befindet sich jetzt ganz im Norden in Westerhorn . Dort hat der örtliche Unternehmer Kay Sierk die alte Gaststätte aus dem 19. Jahrhundert , die der 2016 im Alter von 105 Jahren verstorbene Wirt Herbert Fölster noch bis nach der Jahrtausendwende betrieb, komplett saniert. Sechs Wohnungen, seinen Landstoffhandel und ein Bahnhofscafé sind darin untergebracht.
Auch das 173 Jahre alte Bahnhofsgebäude, das jetzt ein Kunstatelier beherbergt, ist so gut wie fertig restauriert. „Das ist ein richtiges Schmuckstück für unser Dorf geworden“, lobt Bürgermeister Bernd Reimers die Fertigstellung dieses Projektes, das rund fünf Jahre in Anspruch genommen hat.
Damals suchte Sierk für seinen Landhandel, den sein Vater Henning Sierk 1972 auf der anderen Bahnseite in Westerhorn übernommen hatte, mehr Platz. Mit dem Gastwirt Fölster, der noch in dem alten Gebäude wohnte, wurde er sich schnell handelseinig. Etwas schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG, die eigentlich den alten Bahnhof Dauenhof abreißen lassen wollte.
Betreiber einer Radwerkstatt wird noch gesucht
Schließlich gelang es Sierk im Oktober 2016, der DB das Gebäude für 10.000 Euro abzukaufen. „Der Kaufvertrag war dafür aber 23 Seiten lang.“ Und seitdem hat er nach eigenen Angaben neben seiner vielen Arbeitszeit mehr als eine Million Euro in die Sanierung der historischen Altbauten investiert, wobei die Aktivregion Holsteinisches Auenland die Arbeiten mit rund 200.000 Euro aus EU-Fördergeldern finanziell unterstützte.
Da, wo die Westerhorner Bevölkerung früher zu Hochzeiten und Bällen feierte und tanzte, hat Sierk auf 360 Quadratmetern sein Landhandelgeschäft als grünes Warenhaus eingerichtet. Darüber befinden sich Büros und sechs Wohnungen, die zum Teil dauerhaft und an Monteure oder Handwerker im Außendienst vermietet sind oder werden. Der ehemalige Gastraum der Gaststätte Fölster ist nun zum Dauenhof-Café geworden, das Sina Schulz und Maria Beier dienstags bis sonntags geöffnet haben – sofern ihnen nicht gerade ein Corona-Lockdown einen Strich durch die Rechnung macht.
Mit dem Café ist für Sierk „ein großer Traum“ dieses Projektes in Erfüllung gegangen. „Das ist ein Geschenk. Es belebt das gesamte Bahnhofsumfeld ungemein.“ Hinzu kommt ein kleiner Automatenladen direkt vor der Tür, der rund um die Uhr frisches Fleisch und Molkereiprodukte aus der Region anbiete und dafür ständig mit frischer Ware aufgefüllt werde.
Seine Idee, im alten Bahnhof ähnlich wie in Tornesch eine Fahrradwerkstatt einzurichten, ließ sich bislang noch nicht verwirklichen, sagt Sierk. Dafür suche er nach wie vor einen Betreiber, der dieses Angebot eigenständig oder als Sozialprojekt organisiert, wie es zum Beispiel an anderen Bahnhöfen mit Beschäftigungslosen oder Menschen mit Handicaps geschieht.
Hamburger Künstler haben im Bahnhof Quartier bezogen
Dafür hat Investor Sierk für den hinteren Teil des alten Bahnhofs ein Künstlerpärchen gewinnen können. So haben Stephanie und Kai Thanbichler ihre Zelte in Hamburg-Schnelsen abgebrochen und sind nach Westerhorn umgezogen. Im historischen Bahnhof haben die Künstler ihr neues Atelier eingerichtet und sind von dem Ambiente total begeistert.
„Das ist ein richtig magischer Ort hier mit einem Wahnsinns-Flair“, schwärmt Stephanie Thanbichler. „Richtig toll.“ Sogar die alten Fenster hat Sierk mit Glasscheiben von 1901 fast originalgetreu nachgebaut.
Ihre Hamburger Freunde hätten sie aufgezogen, sie würden jetzt wohl in „Westerland“ leben. „Dabei wohnen wir in Westerhorn, dem schönsten Dorf in Schleswig-Holstein“, ist auch Ehemann Kai Thanbichler voll des Lobes über ihre neue Wahlheimat. In nur 35 Minuten seien sie von hier aus in Hamburg-Altona – und das 25-mal am Tag von 4.24 bis 0.22 Uhr. „Wir liegen ja hier genau an der Bahnstrecke zwischen Paris und Kopenhagen“, sagt Sierk. Der damalige dänische König Christian VIII. hatte sie im September 1844 als Ostseebahn feierlich eröffnet.
Die kreative Ader seiner Haus- und Hofkünstler hat Sierk gleich zur Verschönerung seines Lebensprojektes genutzt. So haben die Thanbichlers im Dauenhof-Café bunte Wandbilder gestaltet und die Grenzsteine vor dem frisch renovierten ehemaligen Gaststättengebäude mit historischen Bildern verziert. Nun würden sie auch das Innere des alten Bahnhofs, in dem noch eine Wohnung dauervermietet sei, mit ihren Bildern verschönern.
Der neue Park-and-Ride-Platz für 40 Fahrzeuge mit E-Ladestationen hinter der Gemeinde-Gaststätte Lindenhof auf der anderen Seite der Bahnstrecke rundet das Angebot des komplett umgestalteten Bahnhofsumfeldes in Westerhorn ab. Dort sollen noch in diesem Jahr 100 Fahrradstellplätze hinzukommen, kündigt Bürgermeister Reimers an. Denn immerhin würden in seiner 1400 Einwohner zählenden Gemeinde jeden Tag fast 400 Menschen über den Bahnhof Dauenhof zur Arbeit oder Schule nach Hamburg, Itzehoe, Elmshorn oder Pinneberg pendeln.
Trotz der völligen Neugestaltung dieser historischen Gebäude samt Umbenennung in seinen Firmennamen „Frauen“ macht sich Inhaber Sierk keine Illusionen darüber, dass für Alteingesessene die Örtlichkeit wie eh und je heißt. „Die sagen immer noch: ‚wir gehen jetzt mal zum Fölster‘. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.“
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