Pinneberg. Im ländlichen Pinneberger Stadtteil Waldenau soll offenbar ein Neubaugebiet im größeren Stil entstehen. Das Thema steht auf der Tagesordnung der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am nächsten Dienstag. Es geht dann um ein umfangreiches Entwicklungskonzept für Waldenau. Auf 43 Seiten werden darin Nachverdichtungs- und Neubauvarianten erörtert. Dagegen formiert sich bereits jetzt Widerstand in Form von Flugblättern.
Initiator des Protests, hinter dem nach seinen Angaben 40 bis 50 Leute stünden, ist Frieder Zemke, Angestellter aus Waldenau. „Wir wollen nicht, dass die Grünzüge und Gärten in Waldenau-Datum bebaut werden“, sagt er. „Und wir finden, dass das nicht passt, hier gleich 400 Wohneinheiten zu bauen. Das halten wir nicht für erstrebenswert.“
Pinneberg fehlen bis 2030 noch 1000 Wohneinheiten
Den Planungen liegt ein im Jahr 2014 errechneter Bedarf der Stadt Pinneberg von zusätzlich 2300 Wohneinheiten bis zum Jahr 2030 zugrunde, es fehlen demnach noch immer rund 1000. Diese Zahlen entstammen der fortgeschriebenen Bevölkerungs- und Haushaltsprognose für den Kreis von 2017, außerdem einer vergleichenden Auswertung von Wohnungsmarktkonzepten des Instituts für Stadtforschung und Strukturpolitik und der Empirica-Wohnungsmarktprognose 2030 für Schleswig-Holstein.
Das Bebauungspotenzial wird in allen Stadtteilen geprüft. Derzeit wird nämlich die Landesentwicklungsplanung überarbeitet, zu der die Regionalpläne gehören. Dazu müssen die Kommunen Stellung nehmen, und in Pinneberg bildet das Entwicklungskonzept für Waldenau eine Grundlage. Die Stadt hat es in Auftrag gegeben, eine politische Entscheidung ist bis heute nicht gefallen. Auf Anfrage bestätigten alle Parteien, dass sie keine Eile haben: „Wir wollen eine breite Bürgerbeteiligung erreichen“, sagt etwa SPD-Chefin Angela Traboldt. Daran, dass bis heute Gespräche mit Eigentümern der dortigen Äcker geführt würden, werde deutlich, „dass die Verwaltung mit hohem Arbeitseinsatz an einem Vorgang arbeitet, der ihr politisch sehr am Herzen liegt, für den sie aber keine politische Legitimation hat“, so die Grünen und Unabhängigen.
In Waldenau hebt man bei Erwähnung der Pläne die Augenbrauen: Jürgen Hilbers, Vorsitzender des Bürgervereins, sagt: „Wir haben Befürworter und Gegner im Ort und im Verein. Als Vorsitzender will ich neutral bleiben. Aber seit Dezember 2019 hat es keine Gespräche dazu gegeben. Das ist schlecht.“
Nachverdichtung im Ortskern hat wenig Chancen
Das Entwicklungskonzept berücksichtigt unter anderem Baulücken, die Möglichkeit einer Bebauung in der zweiten Reihe, untergenutzte Flächen wie Gewerbeflächen, Parkplätze, Garagen, Grünflächen oder Kleingartenanlagen. Die typische Nachfrage bewege sich um altersgerechte Wohnungen im Geschossbau, kleine Wohnungstypen mit kleinen Grundstücken, aber auch Einzel-, Doppel-, und Reihenhäuser. Geschosswohnungsbau, so die Gutachter, sei in Waldenau selten anzutreffen.
Allerdings kommen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass alle Formen der Nachverdichtung im Ortsinnern wenig Chancen haben, da die Grundstückseigentümer kaum verkaufen wollten. Die Erfolgsaussichten lägen dort nur bei 25 Prozent. Ermittelt wurde als kurz- bis mittelfristig realisierbares Wohnbauflächenpotenzial „ein realistischer Wert von 50 bis 100 Wohneinheiten“, diese seien fast ausschließlich durch Einzel- oder Doppelhäuser zu schaffen, von Wohnungen ist da keine Rede.
Da also innerhalb Waldenaus nicht viel geht, haben die Planer den Ortsrand inspiziert und vier Areale zur „Arrondierung“ ausgemacht. Alle liegen am Waldenauer Weg und im Norden beziehungsweise Nordwesten. Am besten geeignet ist laut Entwicklungskonzept ein sieben Hektar großes Gebiet, in dem 270 bis 400 Wohneinheiten entstehen könnten. Die Fläche sei ökologisch und städtebaulich nicht sonderlich empfindlich.
Ältere Waldenauer suchen kleinere Wohnungen
Offen konstatiert das Konzept den „Konflikt zwischen Flächeninanspruchnahme und Flächenfreihaltung“. Jürgen Hilbers sagt: „Wir haben in den letzten Jahren darauf hingewiesen, dass wir viele ältere Mitbürger haben, die ihr Haus verlassen, aber hier nicht weg wollen. Sie suchen eine Wohnung, aber es gibt keine.“ Eine seniorengerechte Wohnanlage wie an der Kirche sei eine feine Sache, „das war für viele wie eine Erlösung. Aber der Bedarf ist größer als das Angebot.“ 15 neue Wohnungen würden seinen Worten zufolge genügen. „Aber das ist bisher nicht gelungen, weil jeder infrage kommende Standort einen Haken hat.“
In der Politik wird die mangelnde Auslastung der Waldenauer Schule und Kita als Argument angeführt, den Bürgern ein Neubauviertel schmackhaft zu machen. „Das ist Quatsch“, sagt Hilbers, „Schule und Kita sind voll. Ich kenne sogar einige Eltern, die keinen Platz in der Kita bekommen haben.“ Das hoch aktuelle Thema Klimanotstand, Landschafts- und Naturschutz findet höchstens als Hemmschuh für ungestörtes Bebauen Eingang in das Konzept. Betroffen wären unter Umständen der Regionalpark Wedeler Au, Wasser- und Landschaftsschutzgebiete und Knicks.
Grüne & Unabhängige und FDP kritisieren die Pläne
Die Pinneberger Politiker halten den Ball flach. Nur die Grünen & Unabhängigen nicht. „Wir sind hundertprozentig dagegen. Denn das ist der erste Schritt, um die Lücke zwischen Waldenau und Pinneberg zu schließen“, sagt Manfred Stache. „Wir haben den Klimanotstand ausgerufen, versiegeln aber mehr Fläche als je zuvor. Dadurch wird das Mikroklima immer schlechter. Das kann man nicht gutheißen.“
„Ich bin nicht einverstanden mit der Größe, die da angedacht wird“, sagt FDP-Fraktionschef Werner Mende. „Würden so viele Wohneinheiten gebaut, kämen riesige Infrastrukturkosten auf uns zu, und wir müssten uns überlegen, wie wir die Autos da hinbekommen. Ich bin äußerst skeptisch. Und gegen die Meinung der Waldenauer würden wir keine Politik machen.“ Der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, Carl-Eric Pudor (CDU), sieht das ähnlich: „Bevor sich keine Bürgerversammlung beraten hat, beschließen wir hier gar nichts.“
Der Stadtentwicklungsausschuss tagt am Dienstag, 3. November, von 18.30 Uhr an im Ratssitzungssaal in Pinneberg in der Bismarckstraße 8
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