Wedel. Ziehen dunkle Wolken über dem Strand-Paradies auf? In Wedel hat sich jedenfalls ein Streit um die erlaubte Fläche und Mietzahlungen des Beachclubs 28Grad am Elbufer entzündet. Dabei geht es um eine Anfrage der Fraktion Die Linke, vermeintliche Falschaussagen der Stadt und ein Gutachten über den Flutschutz. Aber der Reihe nach.
Bei der jüngsten Ratssitzung brachte der Linken-Abgeordnete Bastian Sue seine Vorwürfe zum Ausdruck: Er beschuldigte die Verwaltung, eine „bewusste, unwahre Aussage“ getätigt zu haben. Dabei ging es um die baulichen Erweiterungen des Beachclubs – etwa die Holzaufbauten auf dem Strand. Ob diese Ausweitung der Fläche vertraglich geregelt sei und die Miete entsprechend angepasst wurde, wollte die Linken-Fraktion schon zum Jahreswechsel 2018/19 wissen.
Die Antwort kam zwei Nachfragen und rund fünf Monate später am 7. Mai 2019. Der Fachdienst Stadt- und Landschaftsplanung erwiderte: „Die Abmessungen und Aufbauten im Beachclub sind überprüft und mit den Angaben im aktuellen Mietvertrag abgeglichen worden.“ Der bauliche Ist-Zustand sei mit den vorgenommenen Erweiterungen Bestandteil des aktuellen Mietvertrages, hieß es. Und weiter: „Die maximal mögliche Ausdehnung des Beachclubs ist mit diesem Ist-Zustand erreicht.“
So weit, so gut? Mitnichten. Auf seine Nachfrage, von wann der aktuelle Mietvertrag stamme, erhielt Sue die Antwort: vom Jahreswechsel 2018/19. In dieser Fassung sei es aber nur um eine Mieterhöhung gegangen.
Tatsächlich stimmte diese Aussage nicht, wie der am 27. August 2020 vorgelegte Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses (RPA) belegt. Darin heißt es ausdrücklich: „Es ist nach wie vor offen, ob die vom Beachclub in Anspruch genommene und bisher nicht vertraglich abgedeckte Fläche seitens der Stadt akzeptiert wird. (…) Insofern ist der Änderungsvertrag nicht geschlossen worden.“
Denn, so der RPA-Bericht weiter: Zwar hatten die Betreiber die Neufassung des Mietvertrags unterschrieben und zurückgesandt, nicht aber die Stadt. Da nicht alle strittigen Punkte ausgeräumt wurden, hatte die Verwaltung den Vertrag nicht ratifiziert. Dabei zögerte die Stadt nicht nur wegen der neuen Ausdehnung des Clubs, sondern vor allem wegen der offenbar extrem niedrige Miete, die längst nicht mehr der mittlerweile genutzten Fläche entsprach. Der RPA empfahl bei Nicht-Einigung bis zum Saisonende die Prüfung einer Kündigung, auch einer fristlosen Kündigung.
Vertrag wurde erst jetzt, nach anderthalb Jahren, wirksam
Gab es also tatsächlich eine bewusste Falschaussage der Verwaltung auf die Linken-Anfrage? Bürgermeister Niels Schmidt (parteilos) stritt dies bei der Ratssitzung kategorisch und in ungewöhnlich scharfem Ton ab. Stadtsprecher Sven Kamin bekräftigte Schmidts Aussage später auf Anfrage: „Die Stadt Wedel weist den von Herrn Sue von der Fraktion Die Linke erhobenen Vorwurf der bewussten und aktiven Täuschung des Gremiums durch die Stadtverwaltung entschieden zurück.“
Seine Erklärung für die Vorgänge: Zum Zeitpunkt der Anfrage sei die Zuständigkeit in Sachen Beachclub von einem Fachbereich auf einen anderen gewechselt – und der Entschluss der Stadt, den vom Betreiber bereits unterzeichneten Vertrag mit der Neuregelung in Sachen Miete und Fläche noch nicht zu ratifizieren, sei erst nach der Übergabe erfolgt. „Eine Unschärfe in der Beantwortung“, wie die Stadt mitteilt.
Knackpunkt war laut Kamin ein Gutachten, ob die Holzaufbauten den Flutschutz beeinträchtigen. Dieses habe zum Zeitpunkt der Linken-Anfrage noch nicht vorgelegen, sollte aber abgewartet werden. Mittlerweile wurde dieses Flutschutzgutachten erstellt, und der zum Jahreswechsel 2018/19 aufgesetzte neue Mietvertrag von der Stadt unterzeichnet. Allerdings erst vor ein paar Tagen, am 20. September 2020, und zwar rückwirkend inklusive Mieterhöhung zum Januar 2019. Seit wann das Flutschutzgutachten vorlag? Dazu gab es keine Angaben.
Für Ratsherr Sue ist der Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung mindestens interessant: „Ich kann mich nur wundern, wie schnell das doch plötzlich ging, nachdem ich meinen Unmut über die falschen Auskünfte am 14. September im Haupt- und Finanzausschuss geäußert habe“, sagt er dem Abendblatt. Und weiter: „Für mich bestätigt sich der Eindruck, dass nun mit dem am 20. September endlich unterschriebenen Vertrag - also anderthalb Jahre später! - endlich nachgeholt wurde, was mir damals als bereits abgeschlossener Prozess aufgetischt worden ist.“
„Chaos in der Verwaltung“ lässt Sue dabei nicht als Erklärung gelten: Er habe über Monate hinweg mehrfach nachgefragt, und „da muss doch irgendwer im Rathaus gewesen sein, der eine komplette, wahrheitsgemäße Erklärung hätte liefern können“. Die Aussage, dass das Vertragsverfahren noch laufe, hätte ihm sogar genügt, sagt er.
Für Sue ist diese Angelegenheit eine Bestätigung dessen, was er schon länger bemängelt: „Ich habe schon seit meinem Antritt immer wieder vor dem Problem gestanden, dass ich kaum Informationen bekommen habe oder Probleme erst zugegeben und thematisiert wurden, wenn sie von den Gremien angesprochen wurden – die Verwaltung hält diese meiner Erfahrung nach selbst vor den politischen Vertretern am liebsten zurück.“
Offenbar habe die Stadt eine andere Auffassung der „Spielregeln bei der Auskunftspflicht“ als er, und das könne nicht sein: „Als Kommunalpolitiker entscheiden wir darüber, wie sich unsere Stadt entwickelt. Das können wir nur, wenn wir ausreichend und verlässlich informiert werden - besonders, wenn wir zu einem Thema gezielt nachfragen.“
Als Konsequenz kündigt Bastian Sue an, Auskünfte auf seine Anfragen der vergangenen zwei Jahre noch einmal genau zu überprüfen. Außerdem wird er die Kommunalaufsicht informieren, „die die Sachlage als unabhängiges Gremium beurteilen soll“.
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