Pinneberg. Der Sattel war aus Eisen, die mit dünnem Metall beschlagenen Speichenräder aus Holz, die Tretkurbel war schon höhenverstellbar, es gab eine Schleifbremse, und Schutzbleche verhinderten, dass die Kleidung der ersten Fahrradfahrer in Deutschland unnötig verschmutzte: Wer mit einem solchen, 30 Kilo schweren, anno 1869 hypermodernen Veloziped fuhr, hatte gut lachen.
So wie die drei Pinneberger Brüder Wilhelm, August und Ernst Schlüter, die per Veloziped eine öffentlichkeitswirksame Tour zum Hamburger Gänsemarkt unternahmen. Aus diesem frühen Kapitel des Fahrradfahrens in Hamburg und Umgebung erzählt der Historiker Lars Amenda an diesem Mittwoch um 19 Uhr im Pinneberg Museum in einem reich bebilderten Vortrag.
Es waren nämlich diese drei Pinneberger, die die Verbreitung des ersten Velozipeds förderten, indem sie in ihrer Maschinenfabrik an der Schauenburger Straße solche eisernen Fahrräder herstellten und geschickt dafür warben. Damals hießen sie Tretkurbelvelocipede – ein Wort, das erst mal eingeübt werden muss. Ein solcher Knochenschüttler ist übrigens im Besitz des Elmshorner Industriemuseums und Teil der dortigen Dauerausstellung.
Was das Veloziped anbelangt, so waren es nicht die Deutschen, die es erfunden hatten, sondern zwei Franzosen: Pierre und Ernest Michaux. Vater und Sohn entwickelten Frontkurbel-Velozipede, die sie 1867 auf der Pariser Weltausstellung präsentierten. Schon ein Jahr später tauchten die ersten davon auf Hamburger Straßen auf. Die Schlüters hatten sich das Gefährt genau angesehen und von 1868 an nachgebaut.
Um ihren künftigen Verkaufsschlager bekannter zu machen, hatten die Brüder die Idee geboren, im Januar 1869 auf drei Velozipeden die 25 Kilometer von Pinneberg nach Hamburg zu fahren, was natürlich entsprechendes Aufsehen erregte. Im selben Jahr wurden die drei Mitbegründer des „Eimsbütteler Velozipeden-Reit-Clubs“, des ältesten Radfahrvereins der Welt – ebenfalls um das eigene Geschäft anzukurbeln. Erste Eisenwarenhändler, die diese neuen Beispiele sportlichen Individualverkehrs bereits verkauften, boten Neukunden vorherigen Einsteigerunterricht an, um ihnen die Angst vor dem ersten Ritt zu nehmen, denn Fahrt wurde das damals noch nicht genannt.
Der Verein sah „Übungs- und Lusttouren“ vor, sollte Vorurteile gegen die Velocipede bekämpfen und erließ ein klares Reglement: „In der Nähe von Leuten darf nur langsam geritten werden, namentlich in der Nähe älterer Leute, Frauenzimmer und Kinder, und ist denselben stets so weit wie möglich auszuweichen.“
Vortrag und Buchvorstellung: Mi 27.11., 19 Uhr Pinneberg Museum, Dingstätte 25, Eintritt frei, Spenden sind willkommen
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Pinneberg