Kreis Pinneberg

Wo Trixie Dörfels Waschbär wirklich wohnt

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Rainer Burmeister

Foto: Daniel Wolcke/WDR

Die Kreisjägerschaft Pinneberg hält zu Schulungszwecken eine große Sammlung von Tierpräparaten vor. Ein Hausbesuch.

Kreis Pinneberg.  Versteckt in einem Gebäude irgendwo im Kreis Pinneberg gibt sich eine höchst bemerkenswerte Ansammlung von mehr oder weniger einst wilden Tieren ein Stelldichein. Der Schauplatz der Veranstaltung der Kreisjägerschaft Pinneberg soll nicht verraten werden. Wobei Veranstaltung nicht ganz das passende Wort ist. Denn die Hauptdarsteller des Geschehens veranstalten nichts mehr – sie sind allesamt tot. Die Rede ist von einer großen Tierpräparate-Sammlungen.

Wenn die Tür zum hell erleuchteten Aufbewahrungs- und Ausstellungsraum geöffnet wird, bietet sich dem Besucher ein überwältigender Blick auf die Vielfalt der in der Region heimischen Tierwelt. Auf den Wandregalen herrscht besonders dichtes Gedränge: Dutzende Vogelarten stehen hier fast Flügel an Flügel beieinander. Manche hocken auf Aststücken, andere breiten sogar ihre Schwingen aus. Möwen sind ebenso in der Kollektion vertreten wie Enten und Gänse, Raubvögel und putzige Spatzen. Ergänzt wird die Sammlung von eher bodenständigen Typen: Dazu gehören – als größtes Exemplar – eine Wildsau sowie einige Füchse und diverses Niederwild wie Hasen, Marder, Nerz, Otter und Wiesel. Abgerundet wird die Ausstellung mit Geweihen, Gehörnen, Gebissen und Skelettteilen verschiedener Wildtiere, die ebenfalls als Präparate bezeichnet werden. Außerdem gehören einige Felle zur Sammlung. Und der Waschbär von Olli Dittrich alias Trixie Dörfel. der Fernsehstar wurde.

Die Übersicht in dem Gewimmel behält Sören Beidel. Der Holzkaufmann betreut, pflegt und ergänzt die Sammlung. Beidel ist Jäger und zudem ein dermaßen versierter Experte, dass er seit vielen Jahren auch als Prüfer tätig ist, wenn angehende Jäger zum Abschluss ihres Lehrgangs die Jagdscheinprüfung ablegen.

Als wichtiger Teil der sich über neun Monate erstreckenden Ausbildung ist die genaue Artenkenntnis erforderlich, um jagdbare von nicht jagdbaren Tieren unterscheiden zu können. „Dafür sind unsere Präparate viel besser geeignet als fotografische oder elektronische Darstellungen“, erläutert der Prüfer. Das begreifen auch Laien. Denn die von professionellen Präparatoren ausgestatteten Exemplare wirken dermaßen echt, dass sie auf den ersten Blick von lebendigen Tieren kaum zu unterscheiden sind. Kein Wunder: Die äußere Hülle, sei sie nun aus Haut, Fell oder Gefieder stammt von toten Tieren. Diese werden ausgenommen und mit Füllmaterial wie Schaumstoff, Holzwolle und Draht so perfekt geformt, dass sie den einst lebenden Exemplaren fast völlig gleichen.

Die ausgestellten Präparate sind allerdings nur eine kleine Auswahl. „Der Gesamtbestand beläuft sich auf mehrere Hundert Exemplare“, sagt Beidel. Eine genaue Zahl gibt es nicht. Denn die Objekte sind vielerorts in Kellern und Lagerräumen fachgerecht gepflegt untergebracht.

Um Missverständnissen vorzubeugen, stellt Beidel klar, dass niemals Tiere geschossen werden, um gewissermaßen als Rohstofflieferant für Präparate zu dienen. Quellen für Neuzugänge gibt es dennoch genügend: Ein großer Teil sind Verkehrsopfer, soweit sie nach dem für sie tödlichen Wildunfall noch geeignet sind, als Präparate hergerichtet zu werden. Außerdem werden vielfach private Sammlungen oder Einzelstücke aus dem Besitz früherer Jäger der Kreisjägerschaft hinterlassen.

Auch mit Tierpflege- und Naturschutzorganisationen arbeitet die Kreisjägerschaft zusammen. Gute Kontakte gibt es auch nach Helgoland und zum Elbmarschenhaus in Haseldorf. Hinzu kommen Exemplare, die im Zuge von zugelassenen Jagden und im Rahmen der Bestandsregulierung erlegt wurden. Selbstverständlich werden dabei Schonzeiten und andere jagdrechtliche Beschränkungen penibel beachtet. Häufig ist es jedoch notwendig, bei Erkrankungen oder der übermäßigen Ausbreitung von Wild, das nicht zum natürlichen Bestand gehört und andere Arten oder Menschen gefährdet, einzugreifen.

Der Perückenbock ist eine Rarität in der Sammlung

„Zu den Raritäten der Sammlung gehört ein sogenannter Perückenbock“, erläutert Sören Beidel. Dabei handelt es sich um einen Rehbock, dessen Knochenbildung im Geweih gestört war. Die Knochenmasse breitete sich vermutlich aufgrund einer Hodenverletzung oder einer hormonellen Störung am Kopf fehlerhaft aus. Dabei entstand ein wucherndes Gebilde, das wie eine Perücke aussieht. „Die weitere Ausbreitung hätte zu einer Erblindung geführt, sodass der Rehbock vorsorglich erlegt werden musste“, sagt Beidel.

Nicht so rar, dafür aber prominent dank eines Fernsehauftritts ist ein Waschbär aus der Sammlung der Kreisjägerschaft. „Waschbären, die eigentlich in Nordamerika heimisch sind, zählen zu den Neozoen“, erklärt der Experte. Der Fachbegriff steht für Tiere, die erst durch Menschen nach Europa gebracht wurden und zunächst in Gehegen oder Pelztierfarmen lebten. Ausgebüxte oder willkürlich ausgesetzte Tiere vermehrten sich stark und breiteten sich über Jahrzehnte in Deutschland aus. Da sie keine natürlichen Feinde haben, dürfen die possierlichen Kleintiere bejagt werden.

Für eine neue Folge der Fernsehsatire über den imaginären Schlagerstar Trixie Dörfel brauchte Darsteller und Autor Olli Dittrich mal wieder einen Waschbären. Da das bisher verwendete ausgestopfte Pelztier diesmal nicht verfügbar war, wandte sich die Hamburger Produktionsgesellschaft Beckground kurzerhand an die Kreisjägerschaft Pinneberg. Über den „Flurfunk“ – so eine Mitarbeiterin – sei bekannt geworden, dass es dort ein Waschbären-Präparat gebe. In der vor Weihnachten gesendeten Folge setzt sich Trixie Dörfel wieder für den „WWF (World Waschbär Fun)“ ein.

Den Ausflug zu den Dreharbeiten in München hat der pelzige TV-Star gut überstanden. Nach Rückkehr wurde der Waschbär – wie alle anderen Tiere der Sammlung – frisch gepudert und begast, damit nicht Fliegen und Motten sich über ihn hermachen.

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