Elmshorn. Wollte der Klinikkonzern die ungeliebte Betriebsratsvorsitzende loswerden? Dieser Eindruck konnte für Besucher einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Elmshorn entstehen. Dort trafen die Artemed-Gruppe als Betreiber des Elmshorner Spezialpflegeheims Haus Flora und die Betriebsratsvorsitzende der Einrichtung, Antje K., aufeinander. Verhandelt wurde die fristlose Kündigung K.s von Ende September, die der mitbestimmungspflichtige Betriebsrat abgelehnt hatte. Daraufhin versuchte der Klinikkonzern, die Zustimmung des Gremiums per Gerichtsentscheid zu erzwingen, nachdem im Oktober bereits ein Gütetermin gescheitert war.
Arbeitnehmervertreter können laut Betriebsverfassungsgesetz nur fristlos gekündigt worden. Artemed setzte dieses Mittel ein, nachdem K. während eines Urlaubs im September im Badezimmer gestürzt war und sich neun Tage hatte krankschreiben lassen. „Wir haben den Verdacht, dass diese Krankschreibung nur dazu dienen sollte, sich einen neuen Urlaubsanspruch zu verschaffen“, sagt Philipp Hünersdorf, Geschäftsführer der Artemed-Pflegezentren. Seine Anwälte führten vor Gericht aus, dass die Betriebsratschefin einen Urlaub im Dezember plante, dafür jedoch keinen Urlaubsanspruch mehr besaß. Das sei ihr kurz vor dem Antritt ihres Urlaubs im September auch mitgeteilt worden.
Torsten Hasse, der Rechtsanwalt der Mitarbeiterin, stellte den Vorgang vor Gericht anders dar. Nicht die Mitarbeiterin habe den Urlaub im Dezember geplant, sondern der Arbeitgeber habe sie aufgefordert, die ihr zustehenden Urlaubstage vor Jahresende zu nehmen, woraufhin sie den Urlaubsantrag für Dezember einreichte und auch genehmigt bekam. Erst später sei dann aufgefallen, dass ein Fehler in der Freie-Tage-Verwaltung vorlag und ein weiterer Urlaubsanspruch über September hinaus nicht mehr bestand.
Das ist Haus Flora
„Es besteht ein eklatanter Widerspruch zwischen den Angaben der Betroffenen und dem ärztlichen Attest“, sagte wiederum Klägeranwalt Erik Weidemann. Die Betriebsvorsitzende habe bei der Anhörung durch den Arbeitgeber von einer Oberschenkelverletzung gesprochen, im Attest ihrer Hausärztin sei jedoch von einer Muskelzerrung in der rechten Körperhälfte sowie einer Schwellung am rechten Mittelfußknochen die Rede. Er bezeichnete es als „absolut lebensfremd, erst drei Tage nach einem Sturz im Badezimmer zum Arzt zu gehen“.
Torsten Hasse als Rechtsbeistand der Betroffenen hielt es dagegen „für sehr lebensnah, erst einmal abzuwarten, ob die Schmerzen nach einigen Tagen abklingen“. Für den Arbeitgeber wäre es möglich gewesen, die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiterin durch einen Amtsarzt überprüfen zu lassen. Er habe dies jedoch nicht getan.
Stattdessen bat der Klinikkonzern einen seiner Fachärzte um eine gutachterliche Stellungnahme. Der wiederum meldete per Ferndiagnose Zweifel an der Geschichte der Mitarbeiterin an. Mit ihr gesprochen hatte er nicht, sie untersucht ebenfalls nicht. Arbeitsrichter Oliver Tiemens reichten die Beweise der Klinikgruppe nicht aus, er wies die Klage ab. „Wir werden uns die Begründung des Gerichts genau ansehen“, sagt Hünersdorf, der nicht ausschließen will, das Urteil anzufechten. „Wir hätten bei jedem Mitarbeiter so gehandelt“, sagt Hünersdorf. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, man wolle eine Betriebsrätin loswerden.
Antje K. muss nun weiterbeschäftigt werden. Sie hatte ohnehin trotz Kündigung gearbeitet, eine Freistellung erfolgte nicht.
Es ist nicht der erste Prozess, den Artemed gegen ein Betriebsratsmitglied des Pflegeheims verliert. Erst vor Kurzem hat eine Betriebsrätin des nicht tarifgebundenen Unternehmens die Erhöhung der Nachtschichtzulage erzwungen. In diesem Fall hat der Konzern Beschwerde beim Landesarbeitsgericht eingelegt, sodass die Entscheidung bisher nicht rechtskräftig ist.
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