Pinneberg. Gestapelte Pflastersteine neben einem Sandhaufen. Eine Abdeckplane flattert im Wind. Die Szenerie an Pinnebergs Theodor-Heuss-Gymnasium ist bekannt. Ein dringend benötigter Innenhof rottet vor sich hin, obwohl seit 2015 ein Gestaltungskonzept vorliegt. Insgesamt wird an der Heuss-Schule schon seit zehn Jahren gebaut. Mal mehr, mal weniger. Selten koordiniert und planvoll. Ein paar hundert Meter weiter schwitzen Pädagogen an einer Gemeinschaftsschule in einem viel zu engen Lehrerzimmer. Nur zwei Beispiele für die Zustände an den Schulen im Stadtgebiet. Während einer Konferenz präsentierte die Stadtverwaltung nun erstmals seit 2013 eine Bestandsaufnahme – und die hat es in sich: 44 Millionen Euro müsste die Stadt investieren, um ihre elf Schulen wieder flott zu kriegen. Vor vier Jahren war noch von „nur“ 34 Millionen Euro die Rede gewesen.
Ute Lutterberg, die im Rathaus den Fachdienst Finanzen leitet, erklärt den angewachsenen Sanierungsstau mit Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht worden seien. Da ist die Rede von „unzureichendem Controlling“, von Personalknappheit und zu viel Bürokratie. Raumprogramme für die Schulen fehlten bis heute. „Wir haben bislang überhaupt nur die sichtbaren Mängel aufgenommen“, sagt Lutterberg. Hinter den Fassaden könnte also manch’ böse Überraschung lauern.
„Wenn etwas 20 Jahre lang falsch lief, ist das nicht in einem Jahr aufzuarbeiten“, betont Maren Uschkurat, die das Büro der Pinneberger Bürgermeisterin Urte Steinberg leitet. Für Lutterberg ist längst klar, dass der 2013 aufgestellte Schulsanierungsplan, der eigentlich bis 2018 komplett abgearbeitet werden sollte, viel zu ehrgeizig formuliert war: „Das war unrealistisch.“
Anbau erst 2020
Im Rathaus wurden in den vergangenen Wochen Strategien für die Zukunft erarbeitet. Darin ist sogar davon die Rede, dass die Stadt sich von ihren Schulen trennen könnte. Bis Mitte 2018 sei zu prüfen, ob der Gebäudebestand nicht an den Kommunalen Servicebetrieb übertragen werden sollte. Der Eigenbetrieb ist bereits für die Pflege öffentlicher Bauten verantwortlich, erhält seine Aufträge jedoch von der Stadt. Das sorgte in der Vergangenheit häufig für Reibereien und Verzögerungen, etwa bei Baugenehmigungen. „Alles was am Ende dazu führt, dass unsere Schulen besser erhalten werden, muss geprüft werden“, sagt SPD-Bildungsexperte Kai Vogel. Zudem sei es gut, dass Probleme nun „endlich benannt werden“.
Am Heuss-Gymnasium startete am Dienstag eine Protestaktion, die sich bis zur Bundestagswahl hinziehen wird. „Einstürzende Schulbauten“ lautet das Motto. Schüler verteilen Tulpen im Gebäude überall dort, wo der Sanierungsstau besonders deutlich sichtbar wird. Der Innenhof wird von den „Blumenkindern“ ebenso geschmückt wie düstere Flure, von deren Decken die Kabel baumeln. Rektor Matthias Beimel freut sich über das Engagement seiner Schützlinge. Die Teilnahme an der Konferenz im Rathaus hat er sich gespart. „Was soll das bringen?“, fragt er. Beimel, der seit Jahren immer wieder für vernünftige Lernbedingungen eintritt, wirkt desillusioniert. Im Jahr 2007 hatte er seinen Job angetreten. Seither lehrt er auf einer Baustelle.
Pinnebergs Bürgervorsteherin Natalina di Racca-Boenigk hat sich die Konferenz im Rathaus nicht entgehen lassen. Sie überrascht der in vier Jahren um rund zehn Millionen Euro angewachsene Sanierungsstau kaum: „In der Vergangenheit hat vieles nicht geklappt.“ Allerdings setzt die Christdemokratin Hoffnungen in neue Köpfe im Rathaus. Bürgermeisterin Steinberg habe schließlich entscheidende Positionen neu besetzt. „Die Stadtverwaltung muss jetzt beweisen, dass sie es kann, die Politik sollte noch einmal einen Vertrauensvorschuss gewähren", so di Racca-Boenigk. Die Frage, ob die Stadt ihre Schulgebäude ausgliedern sollte, steht für die CDU-Ratsfrau erst am Ende einer abzuarbeitenden Agenda. „Sollte sich dann herausgestellt haben, dass dergleichen Prozesse beschleunigt, muss man auch darüber reden.“
Ulrike Graefen ist Sprecherin der Schulallianz, in der Eltern sämtlicher Bildungseinrichtungen vertreten sind. Ihre Bilanz der Konferenz fällt trüb aus: „Unsere Erwartungen wurden enttäuscht.“ Es gebe keinen konkreten Zeitplan. „Wir wollen genau wissen, wann wo saniert wird“, so Graefen. Bis August wird sie sich gedulden müssen. Dann will die Stadt ein detailliertes Schulbauprogramm vorlegen, 2018 sogar ein nach vorn gerichtetes Schulentwicklungsprogramm. Ehrgeizige Ziele, an deren Verwirklichung Graefen Zweifel hegt. Mit denen ist sie nicht allein.
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