Rellingen/Itzehoe

Verteidiger hält Mordanklage für überzogen

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Arne Kolarczyk
Der Prozess wird am Landgericht Itzehoe verhandelt

Der Prozess wird am Landgericht Itzehoe verhandelt

Foto: Carsten Rehder / picture alliance / dpa

Der Jurist wertet den Angriff des Rellingers Suat E. auf seine Frau als gefährliche Körperverletzung. Urteil wird am Montag erwartet.

Rellingen/Itzehoe.  Versuchter Mord? Nein. Versuchter Totschlag? Auch nicht. Lediglich eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung komme in Betracht: Dieses Zwischenfazit zog Verteidiger Arne Timmermann am Ende des dritten Prozesstages gegen den Rellinger Suat E., der Ende März seine Ehefrau in dem gemeinsamen Haus in Rellingen bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und ihr mehrfach ins Gesicht geschlagen haben soll. Dank des Eingreifens der beiden erwachsenen Söhne überlebte die schwer verletzte Frau, die sich als Nebenklägerin dem Verfahren angeschlossen hat.

Das Urteil des Landgerichts Itzehoe wird Montag erwartet

„Mit der Mordanklage ist die Staatsanwaltschaft sehr weit gegangen“, so der Verteidiger. Er hält es angesichts der bisherigen Beweisaufnahme nicht für bewiesen, dass sein Mandant die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausgenutzt hat. Das muss für eine Verurteilung wegen (versuchten) Mordes gegeben sein. Und auch eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags komme für ihn nicht in Betracht, weil Suat E. kein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden könne. Für den Verteidiger bleibt eine gefährliche Körperverletzung übrig – und er regte angesichts der geringeren Straferwartung an, den Haftbefehl gegen Suat E. aufzuheben.

Ob die Schwurgerichtskammer sich diesen Ausführungen anschließt, wird am Montag offenbar. Am vierten Verhandlungstag wird ein Gutachter zu den Verletzungen von Andrea E. aussagen, dann folgen Plädoyers und die Urteilsverkündung. Am Mittwoch vernahm das Gericht mehrere Beamte von Polizei und Mordkommission, die die Ermittlungen in dem Fall geführt hatten.

So berichtete Jörg S. über die Auswertung des Handys des Opfers. Bereits kurz nachdem Andrea E. ins Krankenhaus gebracht worden war, nahm sie Kontakt mit einem Sohn auf. „Papa ist schuld, nicht du“, schrieb dieser in einer Sprachnachricht. Und weiter: „Jetzt ist er durch. Wir schaffen das.“

Auch den Mitschnitt des Notrufs hat der Ermittler ausgewertet. Einer der Söhne hatte ihn um kurz nach 3 Uhr getätigt und angegeben, sein Vater habe seine Mutter geschlagen. Im Hintergrund ist Suat E. zu hören, der den Anruf bei der Polizei unterbinden will.

Opfer Andrea A. saß blutüberströmt auf dem Bett

Polizist Christoph L. war als erster Beamter am Tatort. „Es soll in der Wohnung schon öfter zu Vorfällen gekommen sein. Wir hatten mehrere Streifenwagen dorthin geschickt.“ Die beiden Söhne hätten ihn schon an der Tür erwartet, ihre Mutter saß tränen- und blutüberströmt im Schlafzimmer auf dem Bett. „Auch das Bett war blutüberströmt, die Schlafzimmertür aus der Verankerung gerissen “, berichtete der Polizist.

Bertil T. von der Mordkommission Itzehoe hat diverse Zeugen aus dem Bekanntenkreis des Angeklagten vernommen. Er bestätigte dem Gericht, dass Suat E. mehrere Tage vor dem Vorfall seiner Frau den Tod gewünscht habe und am Abend vor der Tat einem angeblichen Nebenbuhler gedroht habe, ihm beide Beine zu brechen, wenn er nicht die Finger von Andrea E. lassen würde.

Ein anderes Bild zeichnete Taner E. vom Angeklagten. „Er ist in unserer Familie als sehr ruhig bekannt“, so der Cousin von Suat. E., der den Angeklagten am Abend vor dem Vorfall in einem Pinneberger Restaurant getroffen hatte. „Er hatte um ein Treffen gebeten. Das dauerte nicht viel länger als 15 Minuten. Er wollte Geld, ich gab ihm 1000 Euro. Ich war nicht überrascht, dass er mich um Geld gebeten hat.“ In seiner Verwandtschaft sei es selbstverständlich, sich auszuhelfen, so der Zeuge. Dass Suat E. und seine Frau in Trennung lebten, habe er nicht gewusst.

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