Kreis Pinneberg. Die Kindertagespflege-Satzung des Kreises Pinneberg ist ungültig. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Schleswig am Donnerstag festgestellt und diese für nichtig erklärt. Geklagt hatten mehrere Tagesmütter aus der Interessengemeinschaft der Kindertagespflege Pinneberg und betroffene Eltern.
Ihre Anwältin Angela Heinssen hatte bereits 2014 ein Normenkontrollverfahren gegen den Kreis beantragt. Nachdem die Eilverfahren im Januar 2015 zunächst abgelehnt wurden, hat sie nun einen Sieg errungen. Der Kreis Pinneberg muss nun eine neue Satzung beschließen und rückwirkend alle Bescheide seit Satzungserlass vom 11. Dezember 2013 prüfen.
Die bereits vor dem Verwaltungsgericht laufenden Verfahren wurden zunächst ausgesetzt. Angela Heinssen vertritt in etwa 60 Verfahren Tagesmütter, die wegen zu geringer laufender Geldleistung und Eltern, die wegen zu hoher Elternbeiträge klagen. Alle Bescheide sind derzeit ohne Rechtsgrundlage.
Grund ist die fehlende Sozialstaffelung in der Satzung. „Die intransparente Verwaltungs-Praxis des Kreises verstößt nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern führte seit Satzungserlass zu bewussten Einsparungen von etwa 1,5 Millionen Euro pro Kita-Jahr zu Lasten der Eltern“, sagt Claudia Plötz. Die Tagesmutter aus Moorrege ist eine der Klägerinnen. Sie geht davon aus, dass Eltern nun wegen bisher nicht in Anspruch genommener Sozialstaffel und Differenzkostenerstattung Anspruch auf Erstattungen in Millionenhöhe geltend machen könnten. Anwältin Angela Heinssen gibt zu bedenken, dass auch die Kita-Satzung wegen fehlender Sozialstaffel nichtig sein dürfte.
Das sieht der Kreis ganz anders. „Dieses Urteil hat für die Tagespflegepersonen und die Eltern aktuell keine Auswirkungen“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme auf Anfrage des Abendblattes. Da eine schriftliche Begründung des Urteils am Donnerstag noch nicht vorlag, wollte sich der Kreis noch nicht positionieren. „Im Verlauf der Verhandlung wurde angedeutet, dass es bei der Entscheidungsfindung nicht um inhaltliche Bewertungen, sondern um die Frage formaler Fehler gehen würde. Solche formalen Fehler können im Nachhinein behoben werden“, so Kreissprecherin Birgit Köhnke. „Der Kreis wird das sorgfältig prüfen, sobald das schriftliche Urteil vorliegt und die notwendigen Anpassungen vornehmen.“
Die Interessengemeinschaft Kindertagespflege Pinneberg, die den Prozess begleitete, hatte sich Sommer 2014 zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für das Wohl junger Familien und für bessere Arbeitsbedingungen in der Kindertagespflege einsetzen. „Die in Pinneberg regierende SPD hat den Fokus auf die Kindertagesstätten ausgerichtet, das heißt, aus Kostengründen soll die Auslastung der Kindertagesstätten im Kreis Pinneberg vorrangig sichergestellt sein. Kindertagespflege soll zwar in großer Stückzahl und Qualität flexibel vorrätig sein, sich jedoch den Aktivitäten der Politik sowie wirtschaftlich unterordnen. Daher auch das in Pinneberg seit 1.8.2014 sanktionierte Wunsch- und Wahlrecht der Eltern!“, heißt es auf deren Homepage. Laut Bundesgesetz ist die Betreuung in der Kita der in der Tagespflege gleichgestellt.
Im Kreis Pinneberg sind derzeit mehr als 250 Tagemütter tätig, die 51 Prozent der Kleinkinder unter drei Jahren betreuen. Sie erhalten 2,51 Euro pro Stunde am Kind als Lohn plus 1,73 Euro für Betriebskosten. Juristin Angela Heinssen, die 2015 auch schon die Kindertagespflege-Satzung in Stade gekippt hat, ist aufgrund bundesweiter Rechtssprechungen aber zuversichtlich, dass bald auch die laufenden Geldleistungen für Tagesmütter wesentlich erhöht und Elternbeiträge aufgrund hoher Zuschüsse von Bund und Ländern gesenkt werden müssen.
Die Interessengemeinschaft Kindertagespflege Pinneberg wird mit der Kreiselternvertretung und Anwältin Angela Heinssen nach den Herbstferien eine Infoveranstaltung für alle Beteiligten anbieten, in der Fragen beantwortet werden. Der Termin wird auf der Homepage www.Interessengemeinschaft-
Kindertagespflege-Pinneberg.de bekannt gegeben.
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