Prostitution

Pinneberger Muslime kämpfen gegen Bordell vor Moschee

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Andreas Daebeler
Die Gemeindevorsteher Seref Yildirim und Seref Ciftci wollen keine Prostitution gegenüber der Moschee hinnehmen

Die Gemeindevorsteher Seref Yildirim und Seref Ciftci wollen keine Prostitution gegenüber der Moschee hinnehmen

Foto: Andreas Daebeler / HA

Käuflicher Sex gegenüber dem Gebetsraum: Die türkisch-islamische Gemeinde wehrt sich gegen Prostitution an der Friedenstraße.

Pinneberg. Seref Ciftci steht vor Pinnebergs einziger Moschee. In einer ruhigen Gegend. Trotzdem zentral gelegen. Die Adresse des Gotteshauses: Friedenstraße 11. Passt zum Anspruch Ciftcis, der nicht müde wird, das Miteinander zu betonen. Und doch herrscht derzeit mächtig Unfrieden in der türkisch-islamischen Gemeinde, deren Vorsteher er ist. Grund sind Nachbarn. Unerwünschte Nachbarn. Das Gebäude gegenüber ist auf dem ersten Blick ein ganz normales zweigeschossiges Wohnhaus, das früher zu einer Autowerkstatt gehörte. Das Problem: Frauen bieten dort Sex gegen Bezahlung an.

Entblößte Brüste am Fenster

Ciftci will das nicht länger hinnehmen. Er berichtet von entblößten Brüsten am Fenster, hat sich bereits bei Bürgermeisterin Urte Steinberg beklagt – und kündigt an, gegen das Etablissement mobil zu machen. „Wenn es nicht anders geht, werden wir Nachbarn ansprechen“, sagt er. Kein Rotlicht vorm Gotteshaus, so der Appell. Einer, der sich nicht auf seine Glaubensrichtung beschränke: „So etwas kann ich mir auch vor einer christlichen Kirche nicht vorstellen“, sagt Ciftci.

„Wir betreuen hier 170 Kinder"

Vorstandskollege Seref Yildirim macht deutlich, was ihn und seine Glaubensbrüder stört. Frauen würden vormittags mit einer Limousine gebracht, danach herrsche reger Betrieb. Männer, die durch die Wohnstraße streunten, verabredeten sich offenkundig per Handy mit den Damen. „Wenn wir abends das Gebet verlassen, sind die Gardinen offen“, sagt Yildirim. Freizügigkeit, die nicht gut ankommt: „Wir betreuen hier 170 Kinder und fürchten, dass die Eltern sie künftig zu Hause lassen“, so Ciftci. Auf St. Pauli möge dergleichen ja an der Tagesordnung sein. „Aber wir leben in einer Kleinstadt.“

Seref Ciftci hat die Schuhe ausgezogen. Wenige Stufen sind es in den großen Gebetsraum im ersten Stock. Vorn die Kanzel für den Imam. Überall Teppich. Hier und in den weiteren Räumen beten freitags bis zu 600 Menschen. Der Gemeindevorsteher öffnet das Fenster. Der Blick fällt auf das gelbe Haus gegenüber. Jetzt sind dessen Fester verhängt. Aber erst kürzlich sei es auch am helllichten Tag vorgekommen, dass eine der Damen am Fenster den einen Freier verabschiedet und den nächsten Gast begrüßt habe – unbekleidet.

„Nein, offiziell wissen wir nicht, wo im Stadtgebiet Prostitution betrieben wird“, sagt Petra Jelinek, die im Ordnungsamt des Kreisstadt arbeitet. Schließlich gebe es noch keine Meldepflicht für Frauen, die Sex gegen Geld anböten. Komplett ahnungslos sei man im Rathaus dennoch nicht. Kein Wunder, schließlich ergibt schon oberflächliche Recherche im Internet ein nahezu lückenloses Bild. „Olesja“, „Celin“ und „Elly“ nennen sich die Damen, die in dem gelbgetünchten Wohnhaus an der Friedenstraße auf ihre Freier warten. Die Klingelschilder – schnell austauschbar. Jelinek kennt den Grund dafür. „Es gibt eine große Fluktuation unter den Prostituierten“, sagt sie. „Die Frauen werden innerhalb Deutschlands hin- und hergeschoben.“

Zwölf Bordelle sind im Stadtgebiet bekannt

Bahnhofstraße, Elmshorner Straße, Oeltingsallee – in Pinnebergs Stadtverwaltung ist aktuell von zwölf bekannten Etablissements im Stadtgebiet die Rede. Hinzu kommen einzelne Wohnungen, etwa im sogenannten Iduna-Center. Rund 40 Prostituierte böten derzeit ihre Dienste an, so Jelinek. Verboten sei das nicht. Die Behörden schritten nur ein, wenn begründeter Verdacht auf Zwangsprostitution besteht. Dann wird der Zoll aktiv. Unterstützt von der Kripo.

Razzia wegen sexueller Ausbeutung

Kürzlich gab es in einem Haus an der Mühlenstraße gegenüber der Einmündung des Kirchhofswegs eine Razzia. Hintergrund war laut Polizei ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Menschenhandels und sexueller Ausbeutung. Es war von Hinweisen die Rede, dass osteuropäische Frauen in Pinneberg der Zwangsprostitution nachgehen müssten. In heruntergekommenen Räumen trafen die Ermittler drei Frauen und zwei Männer aus Bulgarien im Alter zwischen 18 und 40 Jahren sowie einen 67-jährigen Deutschen an. Die Annahme, dass die Bulgarinnen der Prostitution nachgingen, hatte sich bestätigt. Konkrete Hinweise darauf, dass diese Frauen sich unfreiwillig in dem Haus aufhielten, hatte die Durchsuchung jedoch nicht erbracht. „Zwangsprostitution ist sehr schwer nachzuweisen“, sagt Jelinek.

Die türkisch-islamische Gemeinde ist mit ihrer Wut nicht allein. Auch an der Mühlenstraße, gegenüber einem zweiten in der Straße beheimateten Bordell, herrscht Unruhe. Anwohner haben sich mit einem Schreiben an Stadtverwaltung und Politik gewandt. Geht es nach dem Gesetzgeber, gibt es bald klarere Verhältnisse. Künftig soll es eine Meldepflicht für Prostituierte geben. Den Behörden könnte das den Zugriff auf illegal agierende Zuhälter erleichtern. Ciftci will darauf nicht warten. „Wir werden Unterschriften sammeln“, kündigt er Protestaktionen an.

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