Klimaforschung

Pinneberg ist der Nabel der Welt für den Wetterfunk

| Lesedauer: 6 Minuten
Rainer Burmeister
Holger Lemcke ist als Techniker für den reibungslosen Sendebetrieb verantwortlich. Auch Wetterkarten wie auf dem Bildschirm dargestellt können als Fax gefunkt werden

Holger Lemcke ist als Techniker für den reibungslosen Sendebetrieb verantwortlich. Auch Wetterkarten wie auf dem Bildschirm dargestellt können als Fax gefunkt werden

Foto: Rainer Burmeister / HA

Dienststelle des Deutschen Wetterdienstes versorgt Schiffe auf der ganzen Welt rund um die Uhr mit aktuellen Klimameldungen.

Pinneberg.  Die Lage ist idyllisch. Weitläufige Wiesen und Weideflächen, ein ausgedehntes Wegenetz für Spaziergänger und Radfahrer, die sanft plätschernde Pinnau, gleich nebenan der Freizeitsee sowie Knicks, Hecken und ein paar Schrebergärten – sie prägen das Naherholungsgebiet im Norden Pinnebergs.

Doch mittendrin im Refugium für Mensch, Natur und Tier befindet sich eine Startplattform für Tausende ganz spezieller Nachrichten in alle Welt. Genau genommen sind es 16 Startrampen, nämlich Kurz-, Mittel- und Langwellensender, von denen aus rund um die Uhr und teilweise rund um den Globus Wettermeldungen aller Art für die Seefahrt abgeschickt werden.

Die Dienststelle des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist auf einem fast zehn Hektar großen Gelände zwischen dem Haidkamp und der A 23 angesiedelt. Die beiden größten Sendemasten sind stolze 99 Meter hoch und in ihrer rot-weißen Sicherheitslackierung von der Autobahn aus ebenso gut wie vom benachbarten Rellingen aus zu erkennen. Die 85 Meter hohe Antenne für Lang- und Mittelwellenfunk ist mittig zwischen den stählernen Riesen platziert.

Service ist für die Seeschifffahrt kostenlos

Auch wenn die Pinneberger gern von den Funktürmen und dem Funkturmsee reden, Holger Lemcke stellt klar: „Es sind keine Türme, sondern Masten.” Der 61 Jahre alte Techniker muss es wissen. Schließlich ist er schon seit 1980 für den Wetterfunksender Pinneberg (WFS) zuständig und wohnt sogar in einem der kleinen Siedlungshäuser am Eingang zum Betriebsgelände.

Nicht bestreiten wird der gelernte Radio- und Fernsehtechniker, der später an Bord eines Marineschiffes für die elektronische Kampfführung zuständig war, dass es sich bei dem Sendemast-Duo um das höchste Bauwerk Pinnebergs handelt. Doch Höhe allein genügt nicht. Die kurzen Antennen der Kurzwellensender, teilweise in Reusenform installiert, haben auch eine besonders hohe Reichweite. Denn ihre Funksignale laufen im Zickzackkurs um die Erde.

Das schräg nach oben abgestrahlte Sendesignal wird von der Ionosphäre reflektiert und kann bei diesem Hin und Her dann mühelos den Globus umrunden. Lemcke und seine drei Kollegen kümmern sich in der Dienststelle darum, dass der Wetterfunksender einwandfrei funktioniert und auf allen in­stallierten Wellenlängen seine Signale durch den Äther schickt. Dabei können die Funktechniker auch Reparaturen ausführen, denn die Dienststelle verfügt über eine Werkstatt sowie ein speziell ausgestattetes Ersatzteillager. Nachts gibt es eine Rufbereitschaft.

Der kostenlose Service der Wetterfunkstation dient der gesamten Seeschifffahrt und ihren Besatzungen, sei sie nun national oder international, zivil oder militärisch. „Der DWD ist dem Bundesverkehrsministerium angegliedert und erfüllt mit der Verbreitung von Wettermeldungen und Unwetterwarnungen einen gesetzlichen Auftrag”, erläutert Lemcke. Über die unterschiedlichen Sendesysteme werden Textnachrichten in Form von allgemeinen Wetterberichten verbreitet wie auch Datensammlungen und per Fax ausgestrahlte Wetterkarten und Nachrichten.

Zwar wird weltweit gesendet, doch den Schwerpunkt bildet das Wettergeschehen in den Bereichen Nordatlantik, Nord- und Ostsee sowie dem Mittelmeer. Ergänzend können im Nahbereich bis 3000 Kilometer auch Funkfernschreiben auf Langwelle versendet werden. Hinzu kommen zusätzliche Warnmeldungen für den Schiffsverkehr auf Nord- und Ostsee. Dabei geht es nicht allein ums Wetter. Auch Hinweise auf beschädigte Tonnen oder ankernde Schiffe werden berücksichtigt.

Allerdings: „Mit dem Erstellen von Wetterberichten haben wir absolut nichts zu tun”, sagt Lemcke. Sämtliche Daten werden auf dem Landweg per Erdkabel von der Zentrale in Offenbach nach Pinneberg geschickt und dann dort in die Sendestation eingespeist.

Aktuell wird im Wetterfunksender Pinneberg sogar mit Sprachnachrichten für die Schifffahrt experimentiert. Dreimal am Tag gehen diese von einer Computerstimme gesprochenen Wettermeldungen auf Sendung. Wie alle übrigen Signale ebenfalls zweisprachig auf Deutsch und auf Englisch. Die Sprachsendungen könnten einmal Ersatz für die vor Jahren eingestellten Seewetterberichte der Rundfunksender sein. Doch noch ist die Testphase nicht abgeschlossen.

Forschungsschiffe per Richtfunk erreichbar

Auch in Zeiten von Internet und stationär im Weltall „geparkten“ Nachrichten-Satelliten hat der auf den ersten Blick altmodisch anmutende Wetterfunk auf den klassischen Wellenbereichen noch seine Berechtigung. So könnten im Kurzwellenbereich auch Gebiete wie die Nord- und Südpolregionen erreicht werden, die von den Satelliten nicht abgedeckt werden, sagt Lemcke. Zudem bietet die Pinneberger Funkstation noch einen besonderen Service für das Alfred-Wegener-Institut. Dessen Forschungsschiffe „Polarstern“ und „Meteor“ können per Richtfunk direkt erreicht werden, wo immer sie sich aufhalten.

Der Pinneberger Wetterfunksender ist die einzige verbliebene Seefunkstation des Deutschen Wetterdienstes. Errichtet wurde die Anlage in den 1930er-Jahren als Überseefunkstelle des Reichsluftfahrtministeriums. Damals wie heute ist der Standort auf dem Feuchtigkeit speichernden Wiesengelände ideal. „Denn je feuchter der Boden ist, desto größer ist die Sendeleistung unserer Antennen”, erläutert Lemcke.

Eigentümer der Fläche ist der Kreis Pinneberg, der Wetterdienst hat das Areal in Erbpacht übernommen. Die eingezäunte Wiesenlandschaft bietet auch für zwei „Untermieter“ gute Bedingungen. Ein Halstenbeker Landwirt kümmert sich um den Grasschnitt, der ihm gute Heuvorräte liefert. Ein Halstenbeker Viehzüchter wiederum lässt dort im Sommerhalbjahr seine Schafe weiden.

Außerdem hat in einem Ensemble umgebauter Seecontainer Harald Budweg seinen Arbeitsplatz: Der Techniker des Wetterfachdienstes testet auf dem Gelände der Wetterfunkstation die Funktion der Software von Radiosonden, die im Rahmen der europaweiten Meteorologischen Atmosphärensondierung an Bord von Seeschiffen per Ballon gestartet werden. Um Änderungen der Software und deren Funktion zu testen, lässt Budweg ab und zu auch von der Pinneberger Station aus Wetterballons steigen. Die mit Helium gefüllten Versuchsballons senden dann von Radiosonden aus verschiedene Wetterdaten, bis sie in etwa 22 bis 23 Kilometer Höhe zerplatzen und die Sonden am Fallschirm zu Boden sinken.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Pinneberg