Halstenbek. Ein Abend in einer ganz normalen Familie: Die Zwillinge sind müde, es war ein langer Tag. Vater Thomas Böhmer, bringt die Zweieinhalbjährigen ins Bett, Gutenachtgeschichte inklusive. Um 19.30 Uhr ist Schlafenszeit. Der in der Wirtschaftsprüfung tätige 34-Jährige hat einen streng getakteten Tag hinter sich.
Bevor die Kinder eine Kita besuchten, nahm er ein Jahr Elternzeit. Als er seinen Arbeitgeber darüber informierte, fragte der, warum nicht seine Frau die Elternzeit nehme. Böhmer antwortete, dass es keine Frau gebe, sondern einen Mann, seinen Mann. Er heißt Torsten Böhmer, ist 45 Jahre alt und ebenso Vater der Zwillinge.
Reaktionen in der Kita sind positiv
Die Kinder sind Pflegekinder, aber das macht gefühlsmäßig für die Böhmers keinen Unterschied. Sieht man die vier zusammen, glaubt man sogar Ähnlichkeiten zu entdecken. Das Leben von Paaren, die Pflegekinder aufnehmen möchten, wird unter der Lupe betrachtet. Wie positiv das Resultat dieser Betrachtung ausfiel, zeigt, dass Böhmers gleich ein Zwillingspärchen anvertraut wurde. Als Paar dürfen die Böhmers Pflegekinder aufnehmen. Zusammen adoptieren dürfen sie aber nicht. Eine Ungleichbehandlung, die Torsten Böhmer beschäftigt: „Was die zukünftige Versorgung der Kinder betrifft, ist das ein Graubereich. Adoptions- und Abstammungsrecht sind noch anders.“ Anders als bei klassischen Ehepaaren, denen per Gesetz ein besonderer Schutz zusteht. Sind die Beziehung und Familie der Böhmers weniger schützenswert? „Was inhaltlich gleich ist, sollte endlich gleich benannt werden“, findet Familienvater Torsten Böhmer. Und Thomas Böhmer fügt hinzu: „Die Wertschätzung der Gesellschaft ist nicht dieselbe, solange der Staat nur die klassische Ehe schützt.“ Beide fordern, dass „die Politik mehr tun muss, damit man sich nicht als Mensch zweiter Klasse fühlt“.
Das Paar rechnet nicht mit einer Rückführung der Kinder in die Ursprungsfamilie. Es gibt regelmäßige Treffen mit der leiblichen Mutter, das Verhältnis ist gut. „In der Kita haben sie auch sehr positiv reagiert und uns mit offenen Armen empfangen“, so Thomas Böhmer. Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Dass Böhmer das trotzdem bemerkenswert findet, hat einen Grund. Diskriminiert zu werden ist ihm nicht fremd.
Böhmer wuchs mit Geschwistern auf der Insel Fehmarn auf. Ein Outing spricht sich schnell herum. „Aber alle Freunde meinten auch, endlich sagt er es“, erinnert er sich. Trotzdem war „der Weg vom Outing zu jetzt steinig“, sagt er. So absolvierte er ein Führungskräfteprogramm im Einzelhandel, wurde dann aber nicht wie geplant als Filialleiter eingesetzt, sondern in die Käseabteilung verbannt. Er biss sich durch. Seinen Lebensplan und Wunsch nach Familie beeinflusste das aber nicht.
Freundespaar bestärkte sie, Familie zu gründen
Böhmers tragen denselben Namen, seitdem sie vor zwei Jahren auf dem Standesamt den Bund fürs Leben eingegangen sind. Wie auch bei vielen Heterosexuellen, wurde aus einem Paar bald eine Familie: „Als die Kinder da waren, war die Begeisterung groß bei Familie und Freunden“, erzählt Thomas Böhmer. Im Sommer 2014 ließen sie die Kinder im Rahmen der großen Hochzeitsfeier mit 65 Gästen taufen. „Der Pastor, der die Taufe leitete, hatte eine Stola in Regenbogenfarben“, erinnert sich Torsten Böhmer. Er durfte die Beziehung nicht offiziell segnen, so segnete er eben alle Anwesenden.
Inzwischen ist es Routine, dass mal Torsten Böhmer, den die Kinder Papi rufen, nach dem Job die Kinder von der Kita abholt, mal Thomas Böhmer, der Papa. Standen früher zwei Individuen und ihre Beziehung im Vordergrund, „ist jetzt alles durch die Kinder bestimmt“, beschreibt Torsten Böhmer die Veränderung.
„Wir mussten lernen, dass eine Beziehung darunter auch leiden kann“, genauso wie bei heterosexuellen Elternpaaren. „Die Kleinen haben einfach andere Bedürfnisse als wir. Mal gehen wir in den Garten, mal wird drinnen gespielt oder ein Ausflug gemacht“, ergänzt sein Lebensgefährte. Das eigentliche Familienleben fange nach Feierabend an. Torsten Böhmer arbeitet Vollzeit, Thomas Böhmer hat eine 30-Stunden-Stelle wegen der Kinder. Familienfeste werden mit Eltern und Geschwistern gefeiert, Urlaube kindgerecht angepasst.
Zwei gleichgeschlechtliche Paare mit Kind gibt es bereits im Freundeskreis, mit denen sie sich austauschen können. „Freunde, die ein Jahr vor uns ein Pflegekind bekommen haben, haben uns bestärkt.“ Ihr Wunsch für die Zukunft: „Dass unsere Familie gesund und weiter so fröhlich und liebevoll zusammenbleibt. Und ein eigenes Haus.“
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