Kreis Pinneberg. Zu hohe Gebühren, keine Transparenz, rechtswidrige Regelungen: Wenn es um das Thema Kinderbetreuung im Kreis Pinneberg geht, hagelt es Vorwürfe und Klagen. Der Frust unter Eltern und Betreuern wächst, die Zahl der eingereichten Klagen gleich mit. So haben sich jetzt in Wedel Eltern zu einer Klagegemeinschaft zusammengetan. Die „Elterninitiative für angemessene KitaBeiträge aus Wedel“ hat laut Mitglied Anke Kircher ein Normenkontrollverfahren gegen die Kita-Beitragsordnung der Stadt auf den Weg gebracht. Diese sei formell und materiell rechtswidrig, lautet der Vorwurf der Eltern. Da sich die Beitragsordnung an den Vorgaben des Kreises orientiert, richtet sich Vorwurf und Klage letztlich auch gegen den Kreis Pinneberg. Wieder einmal.
Denn dieser hat bereits zwei Normenkontrollverfahren in Sachen Kinderbetreuung am Hals. Die Klagewelle wird dort gelassen gesehen. „Der Kreis Pinneberg ist der bevölkerungsreichste in Schleswig-Holstein. Hier gibt es dementsprechend die meisten Eltern und betreuten Kinder. Die Wahrscheinlichkeit einer Klage ist somit hier am höchsten“, sagt Oliver Carstens, Pressesprecher des Kreises Pinneberg.
Der Ärger und die Klagen gingen los mit der Neuregelung der Tagespflege im Kreis Pinneberg, die Ende 2014 in Kraft trat. Die Tagesmütter fühlten sich durch die neue Satzung gegenüber den Kitas deutlich benachteiligt. Für besondere Empörung sorgte die Forderung des Kreises Pinneberg, dass Eltern alle halbe Jahr den Bedarf für einen Platz bei einer Tagesmutter nachweisen sollen. Sprich: Eltern hätten alle sechs Monate herausfinden müssen, ob in einer Kita in ihrer Umgebung ein passender Betreuungsplatz frei ist und gegebenenfalls wechseln müssen. Sonst drohten ihnen Mehrkosten für die Kinderbetreuung. Zwar ist diese Regelung aufgrund des massiven Protestes gekippt worden. Befriedet ist der Streit aber bei weitem nicht.
Neuer Ärger braut sich bereits zusammen. Eine Neuregelung der Neuregelung, die die derzeit 265 Tagesmütter im Kreisgebiet betrifft, sorgt für Empörung. Die Interessengemeinschaft Kindertagespflege kündigt Protest an und will diesen in die kommende Sitzung des Jugendhilfeausschusses im Kreishaus tragen. Der befasst sich am Donnerstag, 18. Juni, mit dem Thema.
Eine von ihnen ist Sandra Pirr. Auch sie ist entsetzt über den Vorschlag, der am 18. Juni zur Entscheidung vorliegt. „Das ist der gleiche Mist wie vorher“, sagt die Tagesmutter aus Moorrege, die eine Freundin klarer Worte ist. Sie, Plötz und die Mitstreiterinnen Kerstin Maischatz sowie Larissa Tietge sind sich einig, dass die etwas abgeänderte Regelung sie weiterhin deutlich benachteiligt. „Man hat das Gefühl, dass im Kreis Pinneberg der Beruf der Tagesmutter gar nicht ernst genommen wird. Als würden wir das als Hobby machen“, sagt Tietge, die in Tornesch ihrem Beruf nachgeht.
Die Tagesmütter haben unzählige Beispiele, an denen sie das festmachen. So sieht die veränderte Regelung zur Kindertagespflege eben auch weiterhin die umstrittene Nachweispflicht für Eltern vor. Sie müssen diesen zwar nicht mehr alle sechs Monate erbringen, aber einmalig vor Beginn der Kinderbetreuung im Kreis Pinneberg. Gibt es einen freien Platz und Eltern entscheiden sich trotzdem bewusst dagegen, weil sie die flexibleren Betreuungszeiten der Tagesmütter denen der Kita vorziehen, weigert sich der Kreis, einen Teil der Kosten für die Betreuung zu zahlen.
„Das entspricht doch nicht dem im Gesetz verankerten Wunsch- und Wahlrecht von Eltern“, kritisiert Pirr. Das sieht die Pinneberger Kreisverwaltung anders. Letztlich hätten Eltern die Wahl, sie müssten gegebenenfalls nur für die Tagesmutter mehr zahlen. „Der Nachweis wird verlangt, weil die Tagespflege teurer ist als eine vergleichbare Kita“, so Kreissprecher Carstens. „Der Bereich der Tagespflege befindet sich im Umbruch. Wir würden begrüßen, wenn ein Gericht einmal klare Spielregeln festlegen würde.“
„Unsere Kritik und Vorwürfe werden überhaupt nicht berücksichtigt. Das ist genauso rechtswidrig wie vorher“, ärgert sich Claudia Plötz. Die Tagesmutter aus Moorrege brachte mit ihrem Normenkontrollverfahren den Stein ins Rollen. Bislang gibt es noch keinen Verhandlungstermin vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig. Laut Plötz gibt es aber immer mehr Betroffene, die sich dem Protest anschließen.
Wie viel ein Betreuungsplatz den Kreis wirklich kostet, welche Zuschüsse von Land und Bund bei den Kitas ankommen, darum geht es auch den klagenden Eltern aus Wedel. Sie kritisieren, dass die Kalkulation der einzelnen Kita-Beiträge für Eltern nicht nachvollziehbar ist. „Es muss eine angemessene Beitragsordnung herauskommen. Aber das betrifft nicht nur Eltern in Wedel. Das ist ein kreisweites Problem“, sagt Anke Kircher. „Es muss sich endlich was bewegen.“
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