Autorin lebt sieben Wochen vegan – und sehnt sich nach Schoko-Eis und Salami-Pizza

Pinneberg. Endlich ist es wieder so weit. Die Sonne scheint kräftiger am Himmel, aus den Ästen mancher Bäume sprießt schon das Grün heraus. Die Leute kommen langsam aus ihren Winterhöhlen gekrochen und genießen die ersten Stunden des Frühlings. Höchste Zeit, die Eis-Saison einzuläuten. „Du leckeres cremiges Schokoladeneis mit Sahne und bunten Streuseln, wie gerne würde ich dich jetzt vernaschen“, denke ich mir. Aber nein, da war ja was. Sofort sehe ich vor meinen Augen ein rot leuchtendes Stoppschild, das mich daran erinnert: „Nein Sarah, das darfst du nicht essen!“

Ich muss gestehen, liebe Leser, ich bin an einem Tiefpunkt angelangt. Ja, sich vegan zu ernähren inspiriert, und es gibt tolle Ersatzprodukte. Aber langsam nervt es. Ich möchte keine Alternative, sondern das Original. Ich möchte das Schokoladeneis mit Spekulatius-Kern und kein Früchtesorbet. Nein, ich will keinen Salat, sondern Pizza mit Käse und Salami.

Ich möchte auch nicht mehr genervt angeguckt werden, nur weil ich die Bäckereifachverkäuferin nach der Zutatenliste für das Franzbrötchen frage. Ich fühle mich wie ein fünfjähriges Mädchen, das bei seiner Mutter den Willen nicht durchgesetzt bekommt und wild im Supermarkt mit Händen und Fäusten um sich schlägt. Veganer brauchen starke Nerven.

Swantje Loppenthien beweist, dass Veganer keine „Ökos“ sein müssen

Swantje Loppenthien scheint diese zu haben. Zuvor hatte ich jedenfalls noch keinen Menschen kennengelernt, der so selbstbewusst und sicher – ohne wie ein Klugscheißer zu wirken – als Veganer auftritt. Die 18 Jahre alte Abiturientin aus Pinneberg lebt seit 42 Monaten vegan. Das bedeutet, sie verzichtet nicht nur beim Essen auf tierische Produkte, sondern auch im Alltag auf alles, das vom Tier stammt. „Das vegane Leben ist ein Teil von mir“, sagt Swantje Loppenthien. „Es ist etwas, das man nicht vergessen kann, weil man den ganzen Tag damit konfrontiert wird.“ Für die junge Frau ist das jedoch keine Hürde. „Wenn ich ausgehe, kann es zwar vorkommen, dass es schwieriger ist, im Restaurant etwas Veganes zu finden“, so die Pinnebergerin. „Doch wenn mir etwas fehlt und ich Heißhunger habe, weiß ich, dass ich es selber nachmachen kann.“ Das spornt sie an.

Hut ab. Der vermeintliche Verlust stärkt Swantje. Sie freut sich, wenn es positives Feedback auf ihre Kochkünste ohne Ei und Milch gibt. „Wenn ich bei jemandem zu Besuch bin, bringe ich gern etwas Veganes mit“, sagt die 18-Jährige. „Ich liebe es, wenn es den Leuten dann schmeckt.“ Ihr soziales Umfeld unterstützt die Abiturientin bei ihrer alternativen Lebensweise. „Meine Freunde und Familie kennen mich so, es findet keiner mehr komisch.“

Obwohl vegane Ernährung total in ist, denken viele Menschen, dass die Nicht-Fleischesser langweilige „Ökos“ seien. Swantje beweist das Gegenteil. Sie ist modern gekleidet. Ihr Kleiderschrank ist voll mit bunten Röcken und Oberteilen. „Ich kaufe kein Leder, keine Wolle oder Seideprodukte“, sagt Swantje Loppenthien. „Dafür kaufe ich gerne mit gutem Gewissen auf dem Flohmarkt.“ Auch Kleidung von Konzernen wie H&M ist in den Schubladen der 18-Jährigen zu finden. „In dieser Hinsicht möchte ich jedoch noch konsequenter werden“, sagt sie.

Ein Leben mit Leder, Milch und Ei kann sich die Abiturientin hingegen nicht mehr vorstellen. „Am liebsten würde ich noch als alte Oma vegan leben.“ In den vergangenen 42 Monaten habe sie sich strikt an die veganen Vorschriften gehalten. „Nur ein Mal gab es einen Vorfall mit einer Tortellini“, erzählt Swantje Loppenthien. Die mit Käse gefüllten Nudeln wurden versehentlich von einem Familienmitglied in einem Topf mit der veganen Alternativen vermengt. „Nachdem ich die Tortellini gegessen habe, wollte ich meinen Mund ausspülen. Nach einer gewissen Zeit entwickelt man eine Art Ekelgefühl für nicht vegane Produkte.“

An diesem Punkt bin ich selbst noch lange nicht angekommen. Ich konnte der Versuchung letzten Sonntag nicht widerstehen und habe meiner kleinen Cousine ein Stück Pizzabrot geklaut...