Ein Meinungswechsel von Manfred Scholz

Bestens gelaunt kam ich nach getaner Arbeit nach Hause – bis ich den unscheinbaren Brief auf dem Schreibtisch sah. Schon der Absender versprach wenig Freude, denn meine Freunde vom Finanzamt baten in schlichtem Amtsdeutsch um Aufmerksamkeit. Kurz: Die Damen und Herren fragten nach meinen Steuereinkünften.

Der Tag war für mich gelaufen. Aufgeschreckt begann das Suchen nach Dokumenten und Bescheinigungen – aber wo hatte ich alles abgelegt? Gibt es etwas Nervtötenderes, als in Bergen von Zetteln herumzusuchen? Warum, grollte ich zornig, fordert die Behörde gerade jetzt von einem so unwichtigen Steuerzahler wie mir die Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben? Immer im Leben ist der kleine Mann der Dumme!

Konzerne sacken jedes Jahr unzählige Millionen Euro Gewinn ein, müssen aber nur lächerlich geringe Steuern zahlen. Möglich gemacht dank gerissener Fachanwälte und Transaktionen quer durch Europa und rund um den Erdball. Da kommen Finanzbeamte nicht so einfach hinterher. Sie sind phantasielos, Paragrafenreiter, Befehlsempfänger.

Gestern kam erneut ein Brief vom Finanzamt. Die Aufforderung, Steuerauskünfte zu geben, sei ein Computerfehler gewesen, entschuldigte sich das Amt. Ich hab’s ja schon immer gesagt: Finanzbeamte sind fähige Leute, die diesen Staat erst möglich machen, korrekt, hoch qualifiziert, unbestechlich und enorm leistungsstark.