32-Jähriger muss sich vor dem Landgericht verantworten. Opfer aus Elmshorn hat Erinnerungslücken

Elmshorn/Rellingen. Die Erinnerungslücken der Hauptbelastungszeugin sind gewaltig. „Wissen sie überhaupt, weshalb wir sie vorgeladen haben?“, fragt Richter Eberhard Hülsing die junge Frau, die vor ihm sitzt. „Ja, irgendwie schon“, gibt Isabell B., zurück. „Sie haben eine Vergewaltigung angezeigt und es ist nur ein paar Monate her“, präzisiert Hülsing. „Viele Dinge sind leichter, wenn man nicht an sie denkt, wenn man sie in eine Schublade packt und den Schlüssel wegtut“, entgegnet daraufhin die 24-Jährige.

Woran die Elmshornerin nicht mehr erinnert werden will, ist der 23.September 2014. Sie ist in der Nacht zuvor wegen eines Gerichtstermins nach Dresden gereist, fährt abends mit der Bahn zurück. Nach 23 Uhr in Elmshorn eingetroffen, fährt kein Bus mehr. Isabell B. will durch den Steindammpark nach Hause gehen.

Laut Anklage fällt dort der Rellinger Firat U. über sie her. Er soll die junge Frau ins Gebüsch gezerrt und vergewaltigt haben. Der 32-Jährige will vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Itzehoe davon nichts wissen, spricht von einvernehmlichem Sex. Die 24-Jährige habe ihm in der Regionalbahn gegenübergesessen und sich anfassen lassen. „Sie machte alles mit, deswegen bin ich nicht in Pinneberg ausgestiegen, sondern weitergefahren. Man spürt ja, wenn eine Frau was will oder nicht.“

Gesprochen habe man auf der Zugfahrt nicht viel. „Sie war ein bisschen betrunken, vielleicht auch high.“ In Elmshorn habe man gemeinsam den Zug verlassen und sei in den Park gegangen. „Sie hat sich hingelegt und freiwillig mitgemacht, da war keine Gewalt dabei. Ich würde niemals einer Frau Gewalt antun. Ich verstehe nicht, wieso ich hier sitzen muss. Nächstes Mal passe ich besser auf, mit wem ich mich einlasse“, so der Angeklagte.

Worauf sich Isabell B. mit der Vergewaltigungsanzeige einließ, war ihr scheinbar nicht sofort klar. „Ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe.“ Ihr Freund habe damals „sofort die Bullen gerufen“, als sie nach Hause kam. „Ich war wohl verwirrt, und mir fehlten ein paar Sachen wie mein Portemonnaie und der MP3-Player.“ Polizist Bernd F., 26, bestätigte als Zeuge, dass die Polizei zunächst wegen eines Raubes zur Wohnung von Isabell B. gefahren war. „Dann stellte sich schnell raus, dass es um eine Vergewaltigung geht.“

Nachdem die Richter Isabell B. am Donnerstag ins Gewissen reden, räumt sie nach einer Pause ein, doch etwas zu erinnern. Etwa wie sie todmüde in der Bahn schlafen wollte, wie sie betatscht wurde und im Steindammpark am Boden liegend zu sich kam. „Ich weiß auch, wie jemand versucht hat, sich auf mich zu legen. Mehr aber nicht.“

Gar nichts weiß Sultan K., der letzte Zeuge des Tages. Er soll laut Aktenlage Isabell B. kurz nach der angeblichen Vergewaltigung am Bahnhof getroffen haben. „Das war ich nicht, sondern mein Bruder“, so der Zeuge. Dieser habe sich für ihn ausgegeben, weil er von der Polizei gesucht wurde. Inzwischen sitze er in der JVA Lübeck. Von dort wird er am 2. April den Weg ins Gericht antreten, wenn der Prozess fortgesetzt wird.